Freitag, 6. November 2009

Ciné-Blitz 11/2009: A Man Apart

Ciné-Blitz, November 2009

A Man Apart

Shubarna Mukerji Shu trifft Sanjay Dutt, den Frauenschwarm, den Superstar, den Menschen, um herauszufinden, warum alle ihn lieben!


Sanjay Dutt! In all den Jahren, in denen ich die Industrie nun schon beobachte, habe ich niemals jemanden gesehen, der sich so standhaft geweigert hat, sich zu ändern, wie er. Sein Denken, seine Art, seine Aktionen... Nichts an ihm hat sich verändert. Manche mögen das frustrierend finden, aber innerlich möchte jeder zu der Elite gehören, die er Freunde nennt. Warum? Ganz einfach, weil Sanjay dich gut aussehen lässt, wenn du mit ihm zusammen bist. Das ist der Charme und der Zauber dieses Mannes. Seine Produzenten mögen vielleicht endlos auf ihn warten müssen, bis er aus seinem Van herauskommt, aber sie können immerhin versichert sein, dass bei Sanjay Dutt in ihrem Film auch das Publikum nicht ausbleiben wird. Wenn er locker-lässig über das Set schlendert und dabei auch in diesem Alter wie ein Rockstar aussieht, dann begreift man, dass er – egal was man über Sanjays Eskapaden gelesen oder gehört haben mag – immer noch der ist, dem die Jugend nacheifert...

Wie sein Produzent musste auch ich eine ganze Weile auf Sanjay Dutt warten. Schließlich erschien er, drehte natürlich zuerst seine Szene ab und kam dann zu mir und setzte sich für das Interview neben mich. Das Interview, das für mich, die Schreiberin, ein persönlicher Triumph war, denn lange genug hatte es gedauert. Aber nun mit Sanjay Dutt vor mir jubelte ich nicht über mein Interview; vielmehr war ich einfach nur begeistert von der ganzen Situation, in der ich mich befand. Ich hatte den Schauspieler gerade in Aktion gesehen; eine einfache, ganz normale Szene, aber durch ihn wurde sie überlebensgroß. Das ist das Charisma der Schauspieler der alten Schule – sie wissen einfach, wie man das Publikum zum Rasen bringt. Und erstaunlicherweise spielen sie mit gleichem Elan Komödie. Sanjay Dutt zum Beispiel hat es darin zur Meisterschaft gebracht. "Komödie ist an sich nichts Neues für mich; ich habe sie seit meinen Thanedaar-Zeiten gemacht... aber damals konzentrierte sich alles noch auf Action, deshalb nahm niemand wirklich Notiz davon. Doch dann kamen Jodi No. 1 und Haseena Maan Jaayegi etc, die gut aufgenommen wurden. Und natürlich hat Munnabhai mich dann endgültig in diesem Fach etabliert." Und All The Best wird diese Tradition nun weiterführen.

Beim Blick auf die Besetzung dieses Filmes wird völlig klar, warum Sanjay dabei ist. Ajay und er scheinen auf der gleichen Wellenlänge zu liegen, und offensichtlich verstehen sie sich gut. Man merkt richtig, wie wohl sie sich miteinander fühlen... "Wir kennen uns schon sehr lange. Sein Dad und mein Vater haben zusammengearbeitet und einander gekannt. Das Beste an der Arbeit für einen Spaßfilm ist, dass die Atmosphäre dabei so entspannt ist, dass man sich einfach wohlfühlt. An diesem Film zu arbeiten war wie die Arbeit an meiner eigenen Home Production. Es geht niemals darum, wie viele Szenen du hast, wie oft du zuschlagen darfst; es geht um die Freude an der Arbeit, es geht darum, dass man sich versteht, ohne dass sich einer in den Vordergrund drängelt... wir lieben einander, wir arbeiten miteinander."

In den heutigen Zeiten, wo Feinde sich für Filme zusammentun und für einen möglichen Hit ihren Stolz hinunterschlucken, erwarten nur sehr wenige Schauspieler auch noch, Freude zu haben. Sanjay Dutt jedoch ist ganz klar nicht bereit, Zeit zu verschwenden für einen Film, bei dem er sich ruhelos fühlen würde... "Warum sollte ich? Ich bin jetzt seit 30 Jahren in dieser Industrie, ich denke nicht, dass ich mir meinen Weg jetzt noch erarbeiten muss. Ich habe mich längst bewiesen. Glauben Sie mir, ich habe mich in den vergangenen 30 Jahren so oft bewiesen, wenn auch noch öfter als Mensch. Aber als Schauspieler, denke ich, muss ich mich heute nicht mehr beweisen." Vielleicht muss er sich nicht mehr beweisen, aber warum sahnt er nicht ein bisschen mehr ab von dem Star-Status, den er genießt? Sanjay Dutt hat sich nicht einmal ansatzweise damit abgegeben, Kapital aus seinem Erfolg zu schlagen; macht ihn denn gar nichts ängstlich oder unsicher?

"Sie haben Recht, ich bin kein unsicherer Mensch"... er schaute mir direkt in die Augen und versicherte mir dadurch, dass er nicht zu denen gehört, die etwas nur um des Effekts willen sagen. Wenn er etwas sagt, dann meint er es auch. Wenn man seine Freunde trifft und sie bittet, Sanjay Dutt zu beschreiben, dann landen alle früher oder später bei der kindlichen Unschuld in ihm; eine Ehrlichkeit, die der liebenswerteste Aspekt bei diesem Mann ist... Aber offen gesagt begreife ich nicht, wie er sie sich bewahrt. Bei all dem, was er erlebt und durchgemacht hat, bei all den Härten, die das Leben ihm bereitet hat, ist wahrhaft unschuldig zu bleiben doch vermutlich die schwierigste Aufgabe von allen...

"Für mich ist die Unschuld, von der sie reden, ich selbst zu sein. Da sie kein Vorwand ist, kommt sie von selber. Wenn Sie das eine schwierige Aufgabe nennen, dann sprechen Sie davon, etwas zu tun; für mich bedeutet es lediglich, ich selbst zu sein. Ich wüsste auch nicht, was ich sonst sein sollte als ich selbst! Ob in der Öffentlichkeit oder privat oder wo auch immer, ich erachte das als eine meiner guten Eigenschaften; ich täusche niemals etwas vor. Ich bin jetzt schon viel zu lange so, ich kann mich da nicht mehr ändern." Er sprach offen darüber, sich nicht ändern zu wollen, und lieferte dadurch gleich auch die Antwort auf die langgehegte Frage: Was macht Sanjay Dutt zum umgänglichsten Schauspieler von allen? Es ist die Tatsache, dass er stets er selbst ist. Die Tatsache, dass er niemals so tut als ob. Die Tatsache, dass es bei ihm niemals irgendwelche heimlichen Absichten gibt.

Obwohl ich ja das Gefühl habe: Es ist genau diese rigide Haltung, sich nicht ändern zu wollen, die ihn daran gehindert hat, ein noch größerer Star zu werden. Er mag der größte Schauspieler in Tinselville sein, aber er hat sich nie darüber Gedanken gemacht, Profit aus seinem Star-Status zu schlagen. Er macht seine Leistungen nicht publik, er redet nicht über seinen Erfolg... begreift er nicht, dass er das, was ihm zusteht, aus den Händen gibt, noch bevor er überhaupt danach gegriffen hat? Ich habe ihn nie darüber reden hören, Schauspieler Nummer eins zu sein, und er hat auch niemals beansprucht, der höchstbezahlte Schauspieler zu sein. Stattdessen hören wir immer wieder von Filmen, die er macht, ohne einen Penny dafür zu nehmen... Hält er denn nichts davon, den richtigen Lärm zum richtigen Zeitpunkt zu machen?

Er braucht nicht einmal eine Sekunde, um darüber nachzudenken. "Publicity und so weiter ist okay und auch sehr wichtig. Du musst für deine Filme werben, und du musst alles Mögliche machen, aber du kannst nicht überall sein. Ich zum Beispiel kann nicht allüberall sein und den Leuten erzählen: 'Guckt mal, ich mache gerade dies und das'. Und ganz ehrlich: Ich bin glücklich mit dem, was ich mache. Ich bin glücklich über mein Publikum und darüber, wie sie auf mich reagieren. Ich bin glücklich, dass ich ein Publikum habe, das selbst heute noch dafür sorgt, dass meine Filme gut laufen. Das ist wichtig, und sehen Sie: das ist letzten Endes auch alles. Zu versuchen, Gutes zu tun, anstatt allgegenwärtig zu sein. Ich mache mein Zeug, aber ich mache es nicht publik. Ich helfe Krebspatienten, drogensüchtigen Kindern, Menschen mit AIDS, Spastikern, aber ich gehe niemals damit vor die Presse und rede darüber. Das ist es nicht wert. Denn das bedeutet, dass du keine Wohltätigkeit ausübst, sondern dass du es um der Publicity willen tust. Das ist es... Wenn Sie mich fragen, warum ich nicht über meine Hits und anderes Zeug rede, dann ganz einfach, weil das nicht mein Ding ist. Es gibt Menschen da draußen, die ständig darüber streiten, wer die Nummer eins ist. Aber ich für meinen Teil weiß, dass ich keine Nummer bin – ich bin Sanjay Dutt!" In diesem Moment blitzte jenes freche Grinsen bei ihm auf, das den meisten Kinogängern vertraut sein dürfte – das, welches er immer zeigt, wenn er weiß, dass er es einem so richtig gegeben hat... Und das hatte er ja auch.

Überhaupt: Jedesmal, wenn das Leben versucht hat, ihn nach unten zu ziehen, hat er sich darüber erhoben mit genau diesem unerschütterlichen Lächeln. Wie er schon sagte: Er ändert sich nie. Andere, die meinen, ähnlich zu denken wie er, verändern sich; aber Sanju Baba steht fest zu seinen Freunden. Macht eher Filme für die, die ihn darum bitten, als für die mit dem besten Angebot, und kümmert sich keinen Deut darum, wohin seine Karriere geht... "Wie ich schon sagte, ich bin jetzt seit 30 Jahren in der Industrie. Das ist eine quälend lange Zeit zu arbeiten, immer und immer wieder das Gleiche zu tun. Ich muss meine Fähigkeiten als Schauspieler wirklich niemandem mehr vorführen. Zeigen Sie mir jemanden, der tatsächlich so lange überlebt hat. Und wenn ich nach all diesen vielen Jahren einen solchen Platz in dieser Industrie habe, warum sollte ich dann nicht meinen Freunden helfen, wenn ich kann? Wozu wären dann all diese Jahre gut gewesen, die ich investiert habe, wenn ich jetzt nicht mal so viel für meine Freunde tun könnte?"

Er argumentierte mit Worten, die ihm aus dem Herzen kamen. Und ich fragte mich: Hatte er denn vergessen, wie oft schon Menschen, die er Freunde genannt hatte, genau diese Eigenschaft von ihm schamlos für sich ausgenutzt hatten? Fühlt er denn gar keine Notwendigkeit, vorsichtiger zu werden?

Das Wort Vorsicht steht nicht in Sanjays Wörterbuch. "Ja, es gab Zeiten, in denen Menschen mir gegenüber nicht ehrlich und korrekt waren, aber ich vergebe ihnen. Ich kann ihnen zwar nicht mehr als Freunden vertrauen, deshalb habe ich sie aus meinem Leben ausgeschlossen, aber ich sehe keinen Sinn darin, darauf herumzureiten. Vermutlich haben meine Jahre im Gefängnis mich dazu gebracht, so zu denken; aber Fakt ist, dass nichts dabei herauskommt, wenn man irgendwelchen Groll hegt. Ich hätte im Gefängnis auch bitter werden können beim Gedanken an all die Menschen, die mir Unrecht getan haben, aber das Beste ist, zu vergeben und weiterzumachen."

Vergeben, weitermachen und den Menschen noch mehr Chancen geben, einen zu verschaukeln? Ich meine, warum muss ein Schauspieler vom Kaliber eines Sanjay Dutt sich vor Hilfsbereitschaft überschlagen für, sagen wir mal, einen Jackky Bhagnani?

"Jackky ist ein alter Bekannter", erklärte er. "Ich habe ihn aufwachsen sehen. Wenn ich ihn heute anschaue, dann erinnert mich das an meine Rocky-Zeiten. Ich kann seinen Kampf und seine Leidenschaft sehen... diese Angst in seinen Augen... und auch seinen Frust darüber, noch keinen Durchbruch geschafft zu haben. Wenn es ihm in irgendeiner Weise hilft, wenn ich mit ihm zusammen in einem Film bin, dann werde ich keine Sekunde zögern und es machen. Letzten Endes werden meine Aktionen und meine Arbeit für mich sprechen. Wenn Sie heute hier sitzen und mich interviewen und mir Respekt erweisen, dann aufgrund meiner Arbeit, die ich geleistet habe. Ich sehe keinen Sinn in Befürchtungen, wohin die Karriere gehen könnte, oder in entsprechenden Kalkulationen."

Ich erinnerte mich an mein Treffen mit Ajay Devgn unmittelbar vor diesem Interview. Er hatte mir erzählt, dass Maanayata das Beste war, was Sanjay hatte passieren können, weil sie sein philanthropisches Karma in Schach hält. Und auch ich dankte ihr im Stillen... Begreift Sanjay überhaupt, welch ein wichtiger Faktor sie in seinem Leben ist?

"Natürlich tue ich das! Jeder, der sagt, dass sie zu heiraten das Beste war, was ich je gemacht habe, hat absolut Recht. Es war der beste Schritt meines Lebens. Ich weiß nicht, wie ich ihr dafür danken soll. Ich danke Gott, dass er sie einen Teil meines Lebens hat werden lassen. Sie ist mit mir zusammen durch so vieles gegangen. Sie ist meine Wegweiserin, meine Buchhalterin, meine Köchin... sie ist mein Alles, und ich liebe sie wirklich sehr. Ich kann Gott gar nicht genug für sie danken. Mit ihr zusammen sehe ich das Leben jetzt aus einer ganz anderen Perspektive. Ich habe niemals gefühlt, was ich jetzt in so vieler Hinsicht fühle, und genau so habe ich mir das Leben immer gewünscht. Zu jemandem nach Hause zu kommen! Ich bin mein Leben lang ein Vagabund gewesen... habe wie ein Nomade gelebt... und plötzlich habe ich ein Zuhause und eine wunderschöne Frau. Jetzt fühle ich mich vollständig!"

Ohne Frage liebt es das Kind in ihm, von seiner Frau verwöhnt zu werden, die vielleicht sogar die Lücke füllt, die der Verlust seiner Mutter bei ihm hinterlassen hat. Er lächelte mich an, vielleicht beim Gedanken daran, wie er gerade geklungen hatte... es passiert nicht immer, dass man den Macho-Mann Sanjay Dutt derart von seiner Frau schwärmen hört. Offenbar lebt er heute endlich das perfekte Bilderbuchleben, das sich jeder aus vollem Herzen wünscht... Gibt es heute denn noch irgendetwas, was er sich wünscht, etwas, wonach sein Herz sich immer noch sehnt?

"Ja, das gibt es..." Sein Lächeln schwand nicht, als er sagte: "Ich will meine Freiheit."

(Deutsch von Diwali)

*


Ergänzung: Aus dem Interview mit Ajay Devgn in der gleichen Ausgabe:

CB: Haben Sie und Sanjay Dutt sich schon immer gut verstanden?

Ajay: Ja, immer.

CB: Sie sind sich auch in vielerlei Hinsicht ähnlich. Zumindest in punkto Wahrnehmung. Macho, robust, viel Herz, freundlich, großzügig, Typ großer Bruder, herumschweifendes Auge... zumindest früher mal...

Ajay: Das ist Jahrhunderte her! Ja, wir sind uns in vielerlei Hinsicht ähnlich und in vielerlei Hinsicht nicht so ähnlich.

CB: Beide sind faule Schauspieler. Aber bei All The Best waren Sie auch Produzent, und kein Produzent mag faule Schauspieler.

Ajay: Ich mag faul sein, aber ich bin niemals, niemals unprofessionell. Was Sanju und All The Best betrifft, da hat Sanju gearbeitet, als sei er der Produzent des Filmes. Er war der Produzent. Er war die ganze Zeit da. Man bedenke, ich habe den Film im Mai begonnen, und mit diesem ganzen Star Cast, mit Sanju und all den anderen, haben wir den Film bereits im Oktober herausgebracht! Das dürfte bereits eine Art Rekord sein. Wir mussten nie etwas absagen, zurückstellen oder verschieben. Das Problem mit Sanju ist, dass er nie Nein sagen kann. Er möchte jedem helfen, der zu ihm kommt. Und die Hälfte der Zeit über muss er dann die Torheiten anderer ausbaden. Ich finde wirklich, dass Maanayata das Beste ist, was Sanju hatte passieren können. Sie hat sein Leben in hohem Maße wieder aufs richtige Gleis gebracht. Sie achtet darauf, dass er trainiert, gut isst, und wenn Sanju mal nicht nach Arbeiten ist, dann sorgt sie dafür, dass er zur Arbeit geht. Sanju kann absolut nicht mit Geld umgehen, und er ist total anfällig für rührselige Geschichten, so dass er früher ständig ausgenommen wurde – aber auch das hat sie jetzt in ihre Hände genommen. Sie hält solche Leute von ihm fern und achtet darauf, dass er sein Geld spart; ansonsten würde Sanju alles zum Fenster rauswerfen oder verteilen. Sie hat ihn auch dazu gebracht, mit dem Trinken aufzuhören, was erstaunlich ist. Sie ist wirklich gut für ihn.

(Nishi Prem; Deutsch von Diwali)

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