Montag, 26. März 2007

Tinseltown 8/1990: The Adorable Sanjay Dutt

Tinseltown, August 1990

Dieses Magazin enthält einen Bericht über die damaligen „favourite macho men“ – die „Fab Three“ Sanjay Dutt, Jackie Shroff und Sunny Deol, die zur rechten Zeit am rechten Ort waren, als nach Zanjeer und im Schatten von Sholay Filme mit unbesiegbaren Macho-Kämpfern im Hindi Cinema in waren. Auch als an der Wende zu den 90ern Newcomer wie Aamir oder Salman Khan mit jugendlichen Liebesgeschichten eine Welle der „infantilization“ bei den Hindifilmen auslösten, verloren die Erwachsenen-Filme nicht ihr Publikum, so dass den toughen und sexy Machos auch weiterhin eine Zukunft prophezeit wurde. (Wobei Jackie Shroff sehr richtig feststellte, dass ein tougher Kerl durchaus zugleich auch ein Liebhaber sein kann und dass das Publikum das auch akzeptieren würde: „Sanjay, Sunny und ich, wir haben uns alle drei aus dem romantischen in das Macho-Image entwickelt, und wenn wir wollen, können wir jederzeit dorthin zurückkehren. Ich meine, so mancher harte oder coole Kerl kann ein Baby doch sehr viel zärtlicher in den Armen halten als ein Softie.“)

Sindoo Bahia sprach während der Adharm-Dreharbeiten mit dem „adorable“ (anbetungswürdigen) Sanjay Dutt...



Wer immer behauptet, dass der erste Eindruck auch der schlussgültige ist, dem steht ein herber Schock bevor. Unser erster Eindruck von Dutt junior war der eines verzogenen und arroganten Starsohns mit der selbstherrlichen Einstellung, der Herr der Welt zu sein – besonders der Glimmer-Glitzer-Filmwelt.

Das war vor drei, vier Jahren, als Sanjay eine raue Phase seines Lebens durchmachte... seinen Kampf gegen Drogen, seine eigene Erkrankung und dann auch noch die seiner Frau.

Und diesen Eindruck von ihm nahmen wir für eine lange Zeit mit uns – bis vor kurzem, als wir ihn zu einem Tete-a-tete trafen und uns eine angenehme Überraschung bevorstand!

In verwaschenen Jeans, T-Shirt, schwarzer Jacke und Turnschuhen sah Sanjay wie jeder andere Jugendliche unserer Tage aus... weit entfernt von dem arroganten Starsohn, den wir in Erinnerung hatten. Er drehte gerade für Nitin Manmohans Adharm in den Mehboob Studios. Gerade wurde eine Action-Szene abgedreht, und ein schweißgebadeter und atemloser Sanjay ließ sich aufs Sofa fallen, um wieder zu Atem zu kommen. Sein Gesicht wirkte sehr schmal... „Ich mache täglich meine regelmäßigen Trainingsrunden, ich muss fit sein“ erklärte der Macho Dutt.

Klar, solange trotz des Erfolgs der Love-Story-Filme immer noch am laufenden Band Action-Filme produziert werden, müssen sich diese Macho-Männer in Form halten. „Man hat es zwar manchmal satt, immer und immer wieder das Gleiche zu machen, die Muskeln spielen zu lassen und ein Dutzend goondas zu vermöbeln, aber wir müssen tun, was das Drehbuch verlangt. Trotzdem rede ich niemandem drein und mache keinen unnötigen Ärger am Set“, sagte er.

„Derzeit vervollständige ich alle meine älteren Filme, die wegen mir noch nicht fertig geworden sind, so wie dieser hier... Ich war wegen meines Lungenproblems lange weg, dann wurde auch noch Richa krank, das alles hielt die Dreharbeiten auf. Erst wenn ich all meine Rückstände abgearbeitet habe, werde ich einen Gang zurückschalten und anfangen, an die Art von Filmen zu denken, die ich machen will. Dann möchte ich mich immer nur auf einen einzigen Film konzentrieren, was definitiv entscheidend zu einer guten und entspannten Performance beitragen wird“, meinte Sanjay.

Seine Karriere begann er zwar mit dem Liebesfilm Rocky, aber irgendwie rutschte der hochgewachsene und toughe Dutt in das Image des angry young man, in dem er mehr seine Muskeln zeigte als zärtliche Liebe in seinen Augen, ebenso wie auch die beiden anderen gut gebauten Jungs Jackie und Sunny.

„Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen erreichte kurz nach Rocky die Zeit der actionorientierten Filme ihren Höhepunkt, da war es ganz natürlich, dass von den meisten Schauspielern – besonders den gut gebauten – verlangt wurde, dass sie die bösen Jungs aus dem Feld prügelten und nicht einfach nur mit verträumten Augen den Mädchen nachliefen.“

Bedeutet das, dass Kerle mit einer guten Physis keine Liebhaberrollen spielen können? „Natürlich können sie das“, grinste der Macho-Schauspieler. „Meine Rolle in Naam war doch eine durch und durch emotionale. Aber es ist eben einfach so, dass alle stur auf der Sicherheitsschiene fahren wollen: Dieser Schauspieler ist groß und tough, okay, gebt ihm Action-Filme. Keiner hat den Mut, aus der Tradition auszubrechen und mal etwas anderes auszuprobieren. Warum? Weil es hierzulande kaum noch engagierte und verständnisvolle Filmemacher gibt, die schon immer zur Industrie gehörten und den Puls des Publikums kennen. Wer immer Geld hat – ob Industrieller, Diamantenhändler oder NRI –, investiert heutzutage in Filme, ohne auch nur einen Funken vom Filmemachen zu verstehen, und darunter leidet natürlich die Qualität der Filme. Nur wenn Leute wie Dharamji (Dharmendra), der jahrelang zum festen Bestandteil der Industrie gehörte, mit ihrem Herzblut einen Film wie Ghayal machen, zahlt sich das aus. Das ist ein hochemotionaler Film, und der Macho Sunny war großartig darin. Solche Filme braucht es, wenn man etwas verändern will.“

„Zweitens“, fuhr er fort, „macht auch das Alter der Darsteller eine Menge aus. Die beiden Hauptdarsteller in Maine Pyar Kiya, Salman und Bhaghyashree, waren jung und unverbraucht und brachten die für diese Teenager-Liebesgeschichte erforderliche Frische mit. Das war alles völlig natürlich. Als ich Rocky drehte, war ich ein junger College-Student und habe die Rolle mit entsprechender Spontaneität gespielt. Aber jetzt bin ich zu alt für solche Teenager-Liebesgeschichten“, lächelte er. „Nicht dass es nicht auch Schauspieler gäbe, die viel älter sind als ich und trotzdem noch College-Studenten spielen, aber ich würde mir einfach blöd vorkommen, Teenager-Liebesgeschichten zu machen“, meinte er. Wäre es denn keine Versuchung, einen schönen Teenager-Star an seiner Seite zu haben? „Möglich“, meinte er mit nachdenklicher Miene. „Aber dazu bräuchte ich eine neue Garderobe, einen neuen Haarschnitt und ein Gesichtslifting.“

Bedeutet das jetzt womöglich eine komplette Absage an romantische Filme? „Niemals. Ich habe überhaupt nichts gegen reife Liebesgeschichten, wie zum Beispiel diesen jüngsten Meryl-Streep-Film... Ein Film sollte viel mehr Tiefe und Feinfühligkeit haben, die nur reife Schauspieler einbringen können. Ich bevorzuge Filme wie Silsila oder Chandni – Filme mit schönen und reifen Liebesgeschichten! Ich würde wirklich zu gerne einen durch und durch romantischen Film oder eine Komödie spielen, wie meinen nächsten Film mit Madhuri, Sahibaan, der viel Spaß gemacht hat.“ Aber ist Komödie nicht ein ziemlich schwieriges Genre? „Es ist schwierig, ohne Zweifel, weil da das Timing perfekt sein muss, aber ich denke, ich habe meine Rolle ganz gut hingekriegt“, begeistert sich Dutt.

„Das Grundproblem ist, dass wir Schauspieler derart Gefangene unseres Images werden, dass es ganz schwer ist, da mal auszubrechen. Ich würde so gerne einmal eine negative Rolle spielen, aber als Hero werde ich solche Filme niemals angeboten bekommen. In Hollywood ist das anders, da kann ein Schauspieler alles mögliche spielen, ohne dass sich das auf seine Popularität und sein Image auswirkt. Wenn ich einen Film produzieren sollte, dann würde ich einen schönen, gut durchdachten emotionalen Film machen, mit einer guten Grundstory und einnehmender Musik“, verriet der Schauspieler.

In diesem Moment betrat Shabana (Azmi) den Raum, die ebenfalls in Adharm mitwirkt, und Sanjay stand auf, um sie mit einem Lächeln herzlich in die Arme zu schließen. Liebevoller Mensch, der er ist, begrüßte Sanju auch alle seine anderen Kollegen wie Tej Sapru und Shakti Kapoor auf ähnliche Art.

„Ich bin jemand, der keinen Ärger macht. Ich komme großartig mit allen meinen Kollegen klar, den Co-Stars wie auch den Mitarbeitern am Set. Ich spiele mich nicht auf oder mache irgendwelchen Terz, um damit Vorteile für mich zu erreichen.“

Wenn man dem entschieden reifer gewordenen Sanju zusieht und zuhört, fragt man sich, ob er wohl die Jungspunde wie Aamir oder Salman beneidet und ihnen ihre Art von Filmen missgönnt. „Ganz bestimmt nicht. Vielmehr bin ich der Ansicht, dass ein reiferer Schauspieler viel mehr Möglichkeiten hat als ein ‚Teenager’ – das Rollen- und Co-Star-Spektrum ist für ihn ungleich größer.“

Als das Gespräch auf seine Familie kommt, zaubert dies ein Glitzern in seine Augen und dieses herzerwärmende Lächeln auf sein Gesicht. Gute Nachrichten erreichen ihn derzeit aus New York über Richas Gesundheitszustand. „Es geht ihr schon viel besser“, sagt der fürsorgliche Ehemann. Wir hoffen sehr, dass die Familie von Dutt junior wieder zu einem normalen Leben in Gesundheit zurückfindet und dass man dann noch öfter dieses Lächeln auf Sanjays Gesicht sehen kann und nicht jenen besorgten, geistesabwesenden Blick, der einen völlig falschen Eindruck gibt von diesem warmherzigen Menschen Sanjay Dutt.

(Deutsch von Diwali)

Keine Kommentare: