Mittwoch, 10. Dezember 2008

TOI 14.2.2004: Bhai Ho To Aisa

The Times of India, 14. Februar 2004

Bhai Ho To Aisa

Auch wenn das Leben nicht gut zu ihm war – Sanjay Dutt ist ein geborener Kämpfer. Gegen jedes Ungemach erhebt er sich mit der Wildheit eines Kriegers und hat auf diese Weise eine Vielzahl persönlicher Krisen (von Drogensucht bis Inhaftierung wegen angeblicher terroristischer Verbindungen) niedergekämpft – um am Ende einer von Bollywoods Top Guns zu werden. Während er nach wie vor zwischen Gerichtssaal und Filmsets hin- und herpendelt, genießt der bescheidene und medienscheue Superstar nun den Erfolg von Munnabhai MBBS. In einem offenen Interview spricht Sanjay mit Subhash K Jha:

Jha: Warum ist es so schwer, Sie mal festzunageln?

Sanjay: Weil mich tausend Probleme festnageln. Zwischen Gerichtsverhandlungen und Filmdreharbeiten hin- und herzurennen ist wie zwei riesige Felsbrocken auf deinen Schultern zu balancieren. Manchmal ist mir wirklich nach Aufgeben zumute. Ich kämpfe nun schon seit elf Jahren darum, meine Unschuld zu beweisen. Aber jetzt geht das Verfahren hoffentlich endlich zu Ende. Auch wenn das Urteil scheinbar bis nach den Wahlen warten muss. Ich ertrage dieses qualvolle Warten nicht länger. Ich konnte mich nicht einmal über den Erfolg von Munnabhai MBBS freuen. Ich bin so lange in Gerichtssälen aus- und eingegangen, dass ich vergessen habe, wie ein normales Leben ausschaut. Eines Tages möchte ich ein Buch schreiben über das, was ich durchgemacht habe. Und das wird weitaus interessanter werden als jeder Film, den ich gemacht habe. Ich bin so sehr lädiert worden, dass ich gar nicht weiß, warum ich noch nicht zusammengebrochen bin. Der Gegensatz zwischen der Komödie, die ich für Munnabhai vor der Kamera gespielt habe, und der Tragödie, immer direkt aus dem Gerichtssaal ans Set zu kommen, hätte jeden anderen Mann umgebracht. Ich weiß nicht, wie ich das überlebt habe. Ich bin jedes Mal vom Gericht aus direkt ans Set gedüst und habe Raju Hirani gebeten, mir eine halbe Stunde zu geben, bevor es ans Drehen ging. Dank meiner Co-Stars Boman Irani und Arshad Warsi, die mir ständig tolle Vorgaben lieferten, ist es mir gelungen, eine anständige Darbietung abzuliefern.

Jha: Das ist wirklich erstaunlich.

Sanjay: Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe. Aber Munnabhai war wie eine Anti-Stress-Tablette. Die Atmosphäre am Set war ebenso entspannt wie damals bei Mahesh Manjrekars Vaastav. Während die Macher von Munnabhai MBBS den wohlverdienten Erfolg des Filmes genießen, bin ich noch immer mit meinen Problemen beschäftigt. Jetzt möchte ich einfach nur, dass diese Tortur endet. Ich kann es nicht ertragen, das Leid in den Augen meines Vaters zu sehen.

Jha: Seit J.P. Duttas Hathyar 1989 hat man Sie zum Paradedarsteller von Gangstern gemacht. Warum?

Sanjay: Ich habe keine Ahnung. Vielleicht passt meine Persönlichkeit für solche Rollen. Aber jetzt bekomme ich die Rolle des komischen Gangsters angeboten. Nach Munnabhai und Plan werde ich noch einmal einen unbeholfenen Gangster in einem Film spielen. Man könnte es meine Komische-Gangster-Trilogie nennen. Aber wenn Sie mich fragen, am liebsten mag ich meine Darbietungen in Naam, Vaastav und Munnabhai. Jetzt bin ich daran interessiert, schwerere Filme zu machen. Mani Shankars gerade herausgekommener Film Rudraksh ist eigentlich ein modernes Ramayana. Sunil Shetty spielt Ravan, der während einer Ausgrabung auf Sri Lanka an ein antikes Rudraksh gelangt (= eine der Tränen des Gottes Rudra/Shiva, die zu berühren eine große Gefahr darstellt, da die in ihnen enthaltenen Kräfte jeden zerstören, der ihrer nicht würdig ist; Anm. Diwali), und ich spiele Ram in Gestalt eines spirituellen Heilers. Der Film ist sowohl für Erwachsene als auch für Kinder gedacht; es steckt eine Menge Sanskrit-Philosophie drin. Ich bin während der Dreharbeiten zu einem halben Pundit geworden (lacht). Mein ganzer Look für den Film wurde in den USA kreiert. Er ist sehr „sufi“-sticated und sadhu-artig. Ich bin ein Typ, der Wunder wirken kann. Für jemanden, der auf Schritt und Tritt überwacht wird, war das direkt befreiend (lacht).

Jha: Das klingt so, als sei es ein Spaziergang gewesen.

Sanjay: Rudraksh war harte Arbeit. Ich musste Stunts ausüben, während ich an unsichtbaren Kabeln aufgehängt war. Manchmal hing ich dreizehn Stunden am Tag in der Luft. Glauben Sie mir, ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich hatte das Gefühl, ständig an Kabel gefesselt zu sein.

Jha: Sie würden gar nicht wissen, wie es ist, ohne Schmerz zu leben, wenn es vorbei ist.

Sanjay: Ich möchte noch einmal von vorne beginnen. Ich bin jetzt 45. Es reicht jetzt. Ich weiß nicht, wie und warum ich trotz meiner legalen Probleme weiterhin ein gefragter Schauspieler bleibe. Ich denke, das verdanke ich dem guten Willen meiner Produzenten und meiner Fans. Irgendwo glauben sie an meine Unschuld. Ich habe gerade für einen Yash-Chopra-Film unterschrieben, den Sanjay Gadhvi inszenieren wird; ein Thriller, die Dreharbeiten beginnen im November. Dann plane ich ein sehr brisantes Projekt namens Ayodhya mit meinem alten Freund Sanjay Gupta; ein schonungslos-kritischer Film über kommunale Gräben, in dem ich einen religiösen Fanatiker spiele, der sich im Herzen allmählich verändert, als ihm bewusst wird, dass er nur ein Spielball der Politik ist.

Jha: Obwohl Ihre weiblichen Fans Sie als ausgemachte Attraktion betrachten, ziehen Sie interessanterweise vor der Kamera nie Ihr Hemd aus.

Sanjay: Ich kann nicht einfach ohne jeden Grund meine Klamotten von mir reißen, nur weil ich einen schönen Körper habe. Ich gebe zu, ich bin schüchtern. Ich bin zufrieden mit dem Platz, den ich jetzt in meinem Beruf erreicht habe. Und mein Privatleben ist auch nicht mehr so bewölkt. Vor kurzem kam meine Tochter, die jetzt eine junge Frau ist, aus den USA, um ein paar Monate mit mir in Mumbai zu verbringen. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Sie ist so erwachsen geworden. Sie hat ernsthafte vertrauliche Gespräche mit mir geführt. Ich habe mich wie ein Vater gefühlt, als sie mir ihr Herz geöffnet hat.

Jha: Die Paparazzi schildern Ihr Liebesleben nach wie vor als äußerst farbenfroh.

Sanjay: Dazu kann ich nur sagen, dass sie mich in Ruhe lassen sollen. Mein Ruf, ein Hengst zu sein, ist an Schauspieler weitergegeben worden, die sehr viel jünger sind als ich. Wie kann ich ein Hengst sein, wenn ich nicht mal mein Hemd ausziehe?

(Subhash K Jha; Deutsch von Diwali)

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