Sonntag, 24. Mai 2009

Interview mit James Bomalick, Action Director für Blue (2009)

Montag, 18. Mai 2009
theBollywoodFan

Interview mit James Bomalick, Action Director für Blue (2009)

James Bomalick ist ein erfolgreicher Action Director, zu dessen Filmen Mr and Mrs Smith (2005), The Fast and the Furious: Tokio Drift (2006), Live Free or Die Hard, kurz: Die Hard 4 (2007) und The Mummy: Tomb of the Dragon Emperor, kurz: The Mummy 3 (2008) zählen. Zudem ist er Action Director für einen der meisterwarteten Hindi-Filme des Jahres 2009: Blue, inszeniert von Anthony D'Souza und mit Sanjay Dutt, Akshay Kumar, Zayed Khan, Katrina Kaif und Lara Dutta.

Ich hatte die Ehre, James begegnen zu dürfen, als er gerade ein paar ganz phantastische und ehrfurchteinflößende Aufnahmen der großartigen Action-Szenen für diesen Film vorab begutachtete. Blue wird ganz bestimmt neue Maßstäbe setzen für weitere Hindi-Filme. Außerdem hat er einen der eingängigsten Soundtracks des Jahres (A.R. Rahman). Genießt dieses Interview und dankt mit mir James dafür, dass er sich bei seinem extrem hektischen Terminkalender die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten und seine bemerkenswerten Einblicke mit uns zu teilen.


1. Was hat dich dazu bewogen, Action Director zu werden? Und was ist am Spannendsten dabei?

Ich habe mich nicht bewusst dafür entschieden, Action zu inszenieren. Es erwuchs vielmehr daraus, dass ich Details und Teile entwarf, schuf und gestaltete, die man für Action-Szenen braucht. Nachdem ich mich jahrelang mit der Choreographie und der Mechanik befasst hatte, war es nur natürlich, dass ich auch die Kameras für die besten Aufnahmen platzierte, um das Ganze so spannend wie möglich zu machen. Das war die nächste Entwicklungsstufe. Das Spannendste an dem Ganzen ist, die Fertigstellung komplizierter Filmszenen aus all den verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Oft habe ich mir Dinge ausgedacht, lange und gründlich vorbereitet, und dann, als es fertig war, gesagt: "Wow, wir haben das wirklich gemacht!!!" Das ist dann der schönste Lohn.

2. Wie haben Filme in deiner Kindheit dein Leben beeinflusst?

Filme haben mich als Kind nicht wirklich beeinflusst, sie haben lediglich untermauert, was ich so alles gemacht habe. Ich war ein wildes Kind auf dem Fahrrad und auf Sprungrampen und bin in der Wüste Motorrad gefahren. Beim Filmeschauen habe ich immer wieder Ideen für neue verrückte Unternehmungen bekommen. Mit fortschreitendem Alter wurde ich dann der totale Adrenalin-Junkie: Surfen, Motorradfahren, Fallschirmspringen, Tiefseetauchen, Kampfsportarten, alles, was körperlich und gefährlich ist. Ich habe also in den Filmen sozusagen Dinge gesehen, die für mich völlig normal waren.

3. Welches war der erste Action-Film, den du bewusst gesehen hast?

Die ersten Action-Filme, an die ich mich erinnere, waren die James-Bond-Filme mit Sean Connery und die Western mit John Wayne. In den einen gab es Autos etc., und in den anderen Schießereien und Pferde. Das war beides toll, aber so richtig verliebt habe ich mich in die Mechanik und die Abenteuer der Bond-Filme. Ich hab sie alle gesehen, nicht nur einmal, aber zu oft, um sie zu zählen. Neben den Filmen war ich auch ein unersättlicher Leser aller Action-Bücher; eigentlich von Büchern überhaupt. Ich liebte den Zusammenhang in den Storys, und ich habe die Bücher gelesen, die als Vorlagen für Filme dienten.

4. Bücher und Schatzsuchen gehen Hand in Hand! Wie kamst du dazu, die Action für Blue zu inszenieren?

Das kam dadurch zustande, dass der Regisseur Anthony D’Souza mich anrief und mich fragte, ob ich Interesse hätte. Er wollte reale Action, nichts Computergeneriertes, und wir würden so viel wie möglich direkt mit der Kamera filmen. Nun, das war genau meine Kragenweite, also besprachen wir das Ganze, ich flog nach Mumbai, und wir gingen an die Arbeit. Anthony war die treibende Kraft für den Realismus, und das war mein Fachgebiet – es passte also perfekt.

5. Ist dies dein erster Hindi- bzw. indischer Film?

Es ist mein erster Hindi-Film, und ich hoffe, dass noch viele weitere folgen werden, wenn alles klappt.

6. Daran zweifle ich nicht! Drei Dinge in Blue, auf die jeder Hindi-Film-Fan gespannt sein darf, abgesehen von der Besetzung und der Musik?

Cast und Musik sind beide großartig und ein absoluter Grund, sich den Film anzuschauen. Dazu gibt es unglaubliche Unterwasserszenen mit 40 Haien und eine radikale Zug-Verfolgungsjagd; und noch eine Menge weiterer Verfolgungsjagden, die wirklich die reinste Achterbahnfahrt werden.

7. Es hieß, der Film wurde auf den Bahamas gedreht. Weitere Drehorte, nach denen wir Ausschau halten sollten?

Wir haben nicht nur monatelang unter Wasser auf den Bahamas gedreht, in über 30 Metern Meerestiefe in und um ein gesunkenes Schiff herum mit echten Haien und echten Explosionen – wir waren auch in Thailand für die Verfolgungsjagden in den Straßen und per Zug. Auch das Filmmaterial mit den Wasserszenen auf den thailändischen Inseln ist richtig toll.

8. Du hast mit mehreren Haien gefilmt, was mir sehr irreal vorkommt. Was war das für eine Erfahrung? Und wie haben die Schauspieler auf diese Nähe zu den Haien reagiert?

Die Haie waren sehr real, und nicht trainiert. Das Wrack da unten ist ihr normaler Lebensraum. Also hieß es jeden Tag: zur Arbeit gehen, zwischen den Haien herumschwimmen und filmen. Für mich war das das Größte. Man musste vorsichtig sein und ein paar Grundregeln beachten, aber es war ein Adrenalinrausch. Die Schauspieler wurden alle spielend damit fertig, besonders Akshay war sehr cool mit den Haien. Es war großartig zu beobachten, wie alle Schauspieler die Natur und die Umwelt schätzten mitsamt den Haien darin.

9. Jeder der Hauptdarsteller in diesem Film hat eine beträchtliche Fangemeinde in der Bollywood-Blogosphäre. Möchtest du uns etwas erzählen über deine Zusammenarbeit mit ihnen?

Die Arbeit mit den Stars in diesem Film war toll. Bis dahin hatte ich keinen Schimmer über ihren weltweiten Status; aber ich habe eine Menge Hausaufgaben gemacht für meine eigene Fortbildung und mir viele Filme mit diesen Stars angesehen. Ich habe viele lange Gespräche mit Sanjay Dutt, Akshay Kumar und Zayed Khan über verschiedenste Themen geführt, also nicht nur über Filme. Dadurch haben wir ein Vertrauen und eine Verbindung zueinander entwickelt, durch die dann alles funktioniert hat.

10. Ich nenne jetzt ein paar Namen, und du sagst mir, was dir dabei als erstes in den Sinn kommt bzw. welche besondere Erinnerungen dabei in dir wachwerden.

Sanjay Dutt: Herz eines Löwen. Er ist wahrlich ein großer Mann, und ich genieße die Zeit, die ich mit ihm verbringe.

Katrina Kaif: Ich hatte nicht viel mit ihr zu tun, aber ich sehe ihren Glamour und ihre Ausstrahlung.

Akshay Kumar: Sehr professionell, cool, ein Mann der leisen Töne. Er hat eine großartige Arbeitsmoral.

Zayed Khan: Viel Spaß, ein Adrenalin-Junkie wie ich. Er ist sehr enthusiastisch.

A.R. Rahman: Ihn traf ich schon vor Beginn der Dreharbeiten, und er schien sehr involviert in die künstlerische Leitung, als er mit Anthony D’Souza über den Film diskutierte.

Lara Dutta: Erstaunlich, intelligent und schön. Und sie arbeitet hart; sie hat wirklich sehr gut schwimmen gelernt.

11. Die Besetzung für Blue scheint ja genau auf den Punkt zu passen. Sanjay, Akshay und Zayed sind erfahrene Darsteller in action-orientierten Filmen. Hat einer von den Schauspielern dich mit seinen Stunt-Fähigkeiten so richtig überrascht?

Als Action Director hatte ich natürlich vor allem mit den männlichen Hauptdarstellern zu tun. Sanjay hat sehr gut getaucht, und er hat ohne Zögern alles mitgemacht, was bei den sehr anstrengenden Kampfszenen unter Wasser von ihm verlangt wurde. Du musst dir mal vorstellen, mit all der Tauchausrüstung unter Wasser harte und schnelle Kampfbewegungen zu machen – das ist äußerst strapaziös. Akshay war sehr cool, hat ruhig und problemlos unter Wasser gearbeitet, egal wie viele Takes wir brauchten. Er schien das Wasser zu genießen. Und Zayed war großartig, allerdings hat er mich überrascht mit seinem Wunsch, von einem zehn Meter hohen Balkon auf ein Auto zu springen. Als er mir das sagte, war ich geschockt. In Hollywood wäre so etwas undenkbar. Alle Schauspieler haben ihre Stunts selber gemacht, und ich war verblüfft darüber, dass das Standard in der Hindi-Filmindustrie ist. Obwohl mich das schwer unter Druck gesetzt hat, weil ich dadurch extra sorgfältig sein und extra gut planen musste. Sie waren absolut erstaunlich.

12. Die Hintergrundmusik und der Soundtrack plus die Action-Szenen versprechen ein echtes Fest. Eine Menge Filmemacher scheinen der Musik vor bzw. während der Dreharbeiten relativ wenig Aufmerksamkeit zu widmen. Sind Playback-Sänger und Songs in Hindi-Filmen für dich eine positive Ergänzung der Filme oder eher eine Abschreckung?

Ich schätze die Machart der Hindi-Filme. In dieser Kultur sind Musik und Tanz ein wesentlicher Bestandteil des Lebens, also muss der Film das auch zeigen. Nur so kann man sämtliche Facetten von Emotion, Drama und Spannung vermitteln. Das Publikum ist darauf eingestellt und erwartet, dass es sich wohlfühlen kann. Für diesen Film war die Musik so wichtig, dass mit ihr bereits im ersten Planungsstadium begonnen wurde, noch bevor die Dreharbeiten anfingen.

13. Ein Action-Film, den jeder sehen muss.

Ich bin da sehr kritisch. Ich schaue mir *alle* Action-Filme an und nehme aus jedem das eine oder andere Stück mit. Bei den einen liebe ich die Kämpfe, bei anderen die Auto-Verfolgungen, wieder bei anderen die Explosionen. Ich finde, jeder Action-Film hat Stellen, die großartig sind, auch wenn der Film insgesamt nicht funktioniert. Bruce-Lee-Filme, Grand Prix, Bourne Supremacy, Ronin, alte James-Bond-Filme, sie alle machen soooo viel Spaß!

14. Da stimme ich zu. Was ist/sind dein/e Lieblings-Hindi-Film/e?

Auch da habe ich keinen Favoriten. Ich habe mir ein paar Dutzend Hindi-Filme angeschaut; ich mag Sanjays Kampfszenen und auch, wenn er singt. Ich mag einige verschiedene Akshay-Filme. Ich finde Amitabh Bachchan in vielen seiner Rollen ganz hervorragend, und ich habe auch Shahrukh-Khan-Filme sehr genossen. Ich denke, alle Filme haben ihre Momente, und ich mag von allen in jedem Fall Teile.

15. Das ist wahr. Einige von Sanjays Kampfszenen sind in der Tat unvergesslich. Wie würdest du deine Erfahrung auf dem Set eines Hindi-Films einstufen?


Es ist Hollywood sehr ähnlich. Auch wenn einige Abteilungen sehr viel mehr Leute haben, ist es mehr oder weniger das Gleiche. Daher war es für mich wirklich leicht und angenehm, in meine Routine zu finden. Alles in allem war es eine großartige Erfahrung. Ich hatte vorher schon einmal in Goa gefilmt, für Bourne, daher kannte ich das schon von früher. Hier hatten wir eine völlig internationale Crew, die an ein paar sehr abgelegenen Drehorten arbeitete. Die Crew hat sehr hart gearbeitet, und ich war sehr dankbar für all ihre Anstrengungen.

16. Würdest du es wieder tun?

Wieder tun? Liebend gerne! Es ist sogar so, dass ich derzeit wieder an einem Hollywood-Film arbeite – und ich vermisse die Farben und den Duft... die Atmosphäre... der Arbeit an einem Film wie Blue. Ich würde das sehr gerne wieder machen.

17. Seit dem Riesenerfolg von Slumdog Millionaire (2008) scheint das Interesse an Bollywood so hoch wie nie zuvor. Bemerkst du, als Insider der Industrie, dieses Bollywood-Interesse auch in deiner Umgebung?

Dieses Bollywood-Interesse gibt es schon seit Jahren, nicht erst seit Slumdog. Ich war schon vor zwei Jahren, ganz zu Beginn der Planungen, in dieses Projekt involviert, und ich habe gesehen, wie das Interesse seitdem zunahm. Alle Hollywood-Studios haben mittlerweile Geschäftspartner in Indien, und das Interesse steigt weiter.

18. Was könnte Bollywood von Hollywood lernen?

Ich würde sagen, es gibt nur einen wichtigen Bereich, in dem sich die beiden wesentlich unterscheiden, und das hat mit den Drehplänen und der Verfügbarkeit der Talente zu tun. Bei einem Hollywood-Film, vor allem bei einem großen Action-Film, wird vor dem Dreh alles lange im Voraus geplant und geprobt. Dann wird alles in einem langen Schwung abgedreht, nicht aufgeteilt in verschiedene Terminpläne. Ich verstehe den Unterschied, aber bei Action kann sich die Arbeit bei dieser Vorbereitungs- und Probenzeit als schwierig gestalten. Ich verstehe, wie das in Bollywood läuft und warum, aber besonders für Action kann das schwierig sein.

19. Und umgekehrt?

Hollywood täte ein wenig von der Lockerheit gut; die Farben, die heiteren plötzlichen Begebenheiten, die zu noch spontaneren Darbietungen führen. Es ist diese Stimmung, dieses Leben, das den Dingen eine Realität verleiht, die in Hollywood oft einfach fehlt.

20. Wann wird Blue voraussichtlich herauskommen? Und wird es eine Premiere in Los Angeles geben?

Ich habe gehört, dass Blue an einem langen Wochenende im August herauskommen soll, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Und es wird mehrere große Premieren geben, das weiß ich aus dem Produktionshaus.

21. Klingt großartig, ich hoffe, den Film gleich am ersten Tag zu sehen. Noch einmal vielen Dank, dass du deine bemerkenswerten Einblicke mit uns geteilt hast. Ich sage es noch einmal, ich bin tief beeindruckt von allem, was ihr, du und deine Crew, für diesen Film und sein Publikum tut. Viele Grüße; ich kann es nicht mehr erwarten, Blue zu sehen. Willst du zum Abschluss noch etwas sagen?


Ich möchte meinem Freund, dem Regisseur Anthony D’Souza danken für sein Vertrauen in meine Fähigkeiten, seine Visionen in Sachen Action in die Realität umzusetzen. Seine Unterstützung für mich war sehr hilfreich. Außerdem möchte ich dem Produktionshaus Shree Ashtavinayak danken für seine Hilfe, und dass wir in so großem Rahmen kreativ werden durften. Ohne ihre Unterstützung wäre dieser Film nie entstanden. Jede Action wurde real mit der Kamera gefilmt, was sich logistisch sehr schwierig gestaltete. Schlussendlich war es jedoch eine großartige Gelegenheit, und dafür möchte ich noch einmal danken.


(theBollywoodFan; Deutsch von Diwali, mit Genehmigung des Autors)


Bonus:
Hindustan Times, 15. Oktober 2009
Bollywood Hungama, Oktober 2009

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