Aus dem Aladin-Blog von Sujoy Ghosh
Donnerstag, 7. Mai 2009
'Aladin' Genesis - Part 5 - Ringmaster Arrives...
(Sujoy Ghosh war sich bereits mit Amitabh Bachchan für den Genius und mit Ritesh Deshmukh für den Aladin einig. Sein erstes Skript jedoch stieß bei Amitabh auf Ablehnung.)
EROS PREVIEW THEATRE, 1998
Ich werde zu einer Filmvorführung eingeladen. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich einen Film, bevor er herauskommt. Und hier treffe ich zum ersten Mal Sanjay Gupta, einen meiner Lieblingsregisseure, ein feiner Techniker. Der Mann, der mir beigebracht hat, dass es immer gut ist, mit einem Poster anzufangen, wenn man auf eine gähnend leere Wand starrt.
CUT TO: MEHBOOB STUDIOS. FLOOR NO 3. 1999
Zum ersten Mal bin ich live bei einem Filmdreh dabei, und das noch dazu in Mumbai. Gupta dreht für Jung, und ich will mich mit ihm treffen. Im Studio ist eine Kulisse aufgebaut – ein Käfig – in dem zwei Männer miteinander kämpfen werden. Erinnert mich an Naseeb. Gupta ist ein bisschen genervt, weil er noch ein paar Extras braucht. Mehr Zuschauer rund um den Käfig. Er telefoniert mit dem Produzenten, während ich abseits stehe und warte.
Und in diesem Moment sehe ich einen hünenhaften Mann Richtung Eingang zum Floor gehen ("Floor" wird im Industriejargon die Filmkulisse genannt). Ein einzigartiger Schwung liegt in seinem Gang. Es ist Abend, dunkel, und seine Zigarette schwebt ihm voran, als er aus dem Schatten ins Licht tritt. Neben ihm ein paar Männer. Zum ersten Mal sehe ich Sanjay Dutt leibhaftig. Er spricht mit Gupta und geht wieder.
Zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht einmal, dass es mich überhaupt gibt.
CUT TO: MEHBOOB STUDIOS, FLOOR NO 3. 2008
Mein erster Drehtag mit Duttsaab. Er steigt aus seinem Van und geht schwungvoll zu dem gleichen Eingang. Die Zigarette schwebt exakt an der gleichen Stelle. Nur dass es Tag ist und nicht dunkel. Alles am Set erhebt sich.
Der Ringmaster ist eingetroffen.
EPILOG
Nachdem mein erster Aladin-Entwurf voll auf die Nase geflogen war, machte ich mich erneut über das Skript her, und der größte Schwachpunkt, den ich fand – abgesehen von ein paar Hundert anderen –, war Gamal, mein Hauptschurke. Der Kerl richtete lediglich deshalb Unheil auf Erden an, weil mein Stift es ihm erlaubte. Aladin brauchte wirklich nicht die Hilfe des allmächtigen Genie, um Gamal zu Fall zu bringen. Ein paar strategische Ohrfeigen, und vermutlich hätte sogar ich Gamal zu Fall bringen können. Also Tschüss, Gamal. Zurück zum Zeichentisch.
Ich wollte eine witzige Schurken-Figur schaffen. Einen Mann, der Spaß hat an dem, was er tut. Einen Mann, der gut darin ist, böse zu sein. Einen Mann, der nicht zwanzigtausend Gemeinheiten begehen muss, um zu beweisen, wie fies er ist. Einen Mann, bei dessen Lächeln dir das Herz vor Angst in die Kniekehlen rutscht. Einen Mann so groß, dass selbst der allmächtige Genie vor ihm hilflos ist.
Und so entstand der Ringmaster. Das heitere Gesicht des personifizierten Bösen. Er war nicht immer schlecht. Er war früher einmal ein Genie, aber seine Kräfte wurden ihm entzogen. Er hatte versucht zu argumentieren, er habe nur seine eigenen Kräfte für sich selbst benutzt, weil er es musste... aber niemand hatte ihm zugehört. Die Gesetze sind streng im Land der Genies. Ein Genie darf seine Kräfte nur benutzen, um seinem Herrn zu dienen – nichts anderes.
Niemand sah die Verzweiflung des Ringmasters oder hörte auf seine Bitten. Und nunmehr sieht oder hört der Ringmaster nichts mehr. Er wird die Lampe finden, den Besitzer töten, seine Kräfte wiedererlangen und alles zerstören. Und er ist ein fairer Mann. Wenn Genius und Aladin meinen, dass sie ihn aufhalten können, dann können sie es gerne versuchen. Der Ringmaster wird seinen Spaß daran haben!
CUT TO: MR.BACHCHAN’S RESIDENCE. JALSA. 2006
Fast drei Stunden lang habe ich Sir das Skript erzählt. Mein ernsthaft überarbeitetes Skript. Diesmal habe ich mich richtig gehen lassen. Ohne Kompromisse. Während des Schreibens habe ich mich den Teufel darum geschert, was möglich ist und was nicht. Es war mir gleich, wie viel es kosten würde. Ich hatte nur ein Ziel: einen ernsthaften Stoff zu Papier zu bringen, der die Zuschauer in ihren bislang größten Rausch überhaupt versetzen würde. Selbst das unmöglich Scheinende hatte ich als Storyboard zu Papier gebracht, um es besser visualisieren zu können. Und Gott sei Dank, dass ich das gemacht hatte.
Das erste, was Sir nach der Erzählung sagte, war... nach einer langen Pause, und ich weiß noch immer jedes einzelne Wort... "Es wird ein Albtraum werden, diesen Film zu machen, aber wir machen ihn..." JA.
Das zweite: "Aber wer wird den Ringmaster spielen? Wer KANN den Ringmaster spielen?"
BEGIN FLASHBACK: PALI HILL. OCTOBER 2005
Ich bin im besten Fitness-Studio der Welt (nein, wirklich... ich mach keine Witze)... Duttsaab kommt rein und ruft mich. Er fragt mich, ob ich nicht etwas schreiben könnte für ihn und diesen neuen Jungen, den er wirklich sehr mag.
"Bro, schreib was Gutes für mich und Ritesh." Ja, sage ich. Und dann stellt Duttsaab mir seine oft gestellte Frage: "Bro, was ist mit Borivali los? Wann machen wir den?"
EARLIER THAT YEAR. APRIL 2005
(...) Es ist keine gute Zeit. Borivali steckte noch immer fest wegen des Budgets und weil ich noch einen Schauspieler brauchte, der neben Sir bestehen konnte. Aber es war eine sehr dunkle und verstörende Rolle. Nicht viele wollten sie spielen. (...)
Damals rief Gupta mich an, und irgendwie kamen wie auf Borivali zu sprechen. "Wie wär’s mit Sanju?" fragte Gups. "Wieso fragst du nicht ihn? Du triffst ihn doch ständig im Fitness-Studio!" Das stimmt, aber ich hatte nicht den Mumm, ihm eine derart dunkle Rolle anzubieten. "Bist du verrückt? Sanju ist perfekt! Und niemand außer ihm hat den Schneid, diese Rolle zu spielen..." Gups war zuversichtlich. "Geh du zu Cal und mach in Ruhe deine Arbeit. Ich rede mit Sanju."
CUT TO: MARIOTT HOTEL. JUNE 2005
Duttsaab hat eine Besprechung im Coffee Shop. Gups schleift mich dorthin. Ich bin rechtschaffen nervös. Er ruft Duttsaab heraus. Er kommt und gesellt sich zu uns. Gups erzählt Duttsaab, dass ich ein kleines Problem hätte, das sich lösen ließe, wenn er diese Rolle übernimmt.
"Cool, Bro... ich mach es."
Das war's. Kein Skript. Keine Erzählung. Alles, was er zu hören brauchte, war, dass jemand in Schwierigkeiten steckte und dass er diesem Jemand helfen konnte. Alles andere war unwichtig.
Kein Herz kann größer sein als dieses. Er musste wieder zurück zu seiner Besprechung. Vorher jedoch bietet er mir ganz von selbst noch an: "Bro, du kriegst einen Brief von mir... der wird dir helfen."
Diesen Brief habe ich immer noch.
END FLASHBACK
BACK TO: MR.BACHCHAN’S RESIDENCE. JALSA. 2006
Ich sage zu Sir, dass nur zwei Menschen den Ringmaster spielen können: entweder Sir selber oder Sanjay Dutt. "Das ist es. Sanju ist der einzige... wo ist er?" Ich habe keine Ahnung, wo Duttsaab ist. "Rede mit ihm", fordert Sir mich auf. Ich bereite mich innerlich darauf vor, am Abend mit Duttsaab zu reden, wenn ich ihn im Fitness-Studio treffe. Aber noch bevor ich es ihm erzählen konnte -
Mein Mobiltelefon klingelt. Es ist Duttsaab.
"Bro, Amitji hat mich gerade angerufen... er war total aufgeregt... was ist das für ein neuer Film, den wir jetzt machen? Und warum sagst DU mir das nicht selbst?" Ich versuche ihm zu erklären, dass ich das ja tun wollte, ich hatte ja keine Ahnung, dass Sir ihn anrufen würde.
An jenem Abend zeigte ich Duttsaab meine ganzen Hausaufgaben über den Ringmaster und ein Storyboard für eine Ringmaster-Szene. Er schaut sich alles an, besonders seine Aufmachung, und gibt mir dann seine Zustimmung mit vier Worten. Und auch an die erinnere ich mich wortwörtlich:
"Behalt diesen Schnurrbart, Bro."
CUT TO: JULY 2007
Die Aladin-Vorbereitungen sind in vollem Gang. Wir sind fast soweit. Duttsaab nimmt eine Auszeit.* Alles ist ungewiss. Vor mir liegen ein paar Optionen ausgebreitet.
Aber ich bleibe bei meiner Wahl. Aladin wird ausschließlich mit Amitabh Bachchan, Sanjay Dutt und Ritesh Deshmukh gedreht. Oder er wird überhaupt nicht gedreht.
Ich warte. Mit Freuden.
(Sujoy Ghosh; Deutsch von Diwali)
* Die "Auszeit" von Sanjay Dutt, die Sujoy Ghosh euphemistisch "sabbatical" nennt, waren die Wochen des Wartens auf sein Urteil im TADA-Prozess, das schließlich am 31. Juli 2007 verkündet wurde. Dass Sujoy Ghosh zu seinem Wort stand und mit Aladin auf Sanjays Rückkehr wartete, ist Geschichte. (Anm.d.Übers.)
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