Samstag, 18. Juli 2009

Rock-steady at forty!

Screenindia 1999

Rock-steady at forty!

Er wird niemals erlauben, dass man ihn abschreibt. Er ist der urtypische Comeback-Spezialist. Nichts kann ihn allzu lange am Boden oder außen vor halten. Nicht einmal Drogen, kollabierte Lungen, eine Verwicklung in einen Bombenanschlag oder was auch immer. Jedes Mal kommt Sanjay Dutt wieder auf die Beine, mit Mut und Überzeugung. Von Rocky 1981 bis Vaastav 1999 – es war eine lange und ereignisreiche Reise. "Ich bin in all diesen Jahren sehr gereift, aber im Grunde habe ich mich überhaupt nicht verändert", so sieht er es selber. Eine Begegnung mit dem großen und muskulösen Adonis, dessen neuester Film gerade in die Kinos kommt...


Alles verstummt, als er seinen Make-up-Van in den Mehboob Studios in Mumbai verlässt. In einem fließenden kohlschwarzen Anzug mit kontrastierender smaragdgrüner Krawatte sieht er elegant aus, so dass alles um ihn herum bewundernd aufseufzt. Eine bunte Truppe südafrikanischer Indien-Touristen verlangt lauthals, näher an ihren Lieblings-Macho herankommen zu dürfen. "Der hat einfach etwas!" gurrt ein weiblicher Fan anbetend. Aber Sanjay hat keine Zeit für eine Pause. Oder um für Erinnerungsfotos zu posieren.

Das Set ist fertig, und die gesamte Mehbooba-Belegschaft wartet schon seit ein paar Stunden auf den Star. Da bleibt keine Zeit zum Herumalbern, und das weiß Sanju, als er mit großen Schritten und ungerührter Miene vorübergeht, völlig gleichgültig gegen die glühende Bewunderung der Menge. "Baba ist da" ertönt es überall, und jeder nimmt hastig seine Position ein. Choreographin Saroj Khan übernimmt sofort das Kommando und treibt Sanju baba in einen energiegeladenen Tanz. Der Dreh wird gutgeheißen, und Dutt ruft dich zu sich. "Warum machen wir das Interview nicht morgen?" fragt er und wischt sich über die verschwitzte Augenbraue. Wenn du nach einer Woche Jagd nach dem Objekt deiner Begierde ihm endlich Aug in Auge gegenüberstehst und er wimmelt dich ab, bist du dann geknickt oder was? Nein, du bemühst dich, ein tapferes Gesicht aufzusetzen, und Sanju mindert dann auch schnell die Anspannung: "Wir treffen uns morgen Mittag im Bungalow. Ganz bestimmt!" versichert er.

Der nächste Tag dämmert herauf, Mittag geht vorbei und der Abend rückt näher, aber keine Spur von dem Kerl. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, informiert man dich auch noch über sein Vorhaben, zum offiziellen Beginn der Dreharbeiten von Vidhu Vinod Chopras Mission Kashmir nach Srinagar zu fliegen. Doch gerade als eine innere Stimme dir rät, das Handtuch zu werfen, bimmelt das Telefon. Es ist Regisseur Mahesh Manjrekar: "Kannst du mit Baba am Telefon reden?" Bevor du wieder zu dir kommst und bei Verstand bist, hörst du bereits den vertrauten gedehnten Tonfall: "Ich fahre gerade zum Flughafen und kann jetzt mit dir reden, also leg los!" winkt er dir zu. Inzwischen hast du die Sprache wiedergefunden und fragst: "Hey, hast du keine Bedenken, nach Srinagar zu fliegen, bei den ganzen Spannungen auf der anderen Seite der Grenze?" Er lacht nur: "Wenn's dort Probleme gibt, dann komme ich zurück, keine Sorge", versichert er.

Das stimmt, Sanju, du wirst zurückkommen. Das war sein Refrain seit seinem ersten Erscheinen auf der Leinwand als der lange, schlaksige Rocky vor genau 19 Jahren. Drogen, Lungenversagen, Bombenanschlag-Verwicklung und persönliche Tragödien – er hat alles überstanden und stets zurückgeschlagen. Mahesh Bhatt hat ihn wiedererweckt mit Naam und Sadak. Später hat Subhash Ghai den glanzvollen Khalnayak aus ihm gemacht. Dann kam der Bomb-Blast-Fall, für den er lange Zeit im Gefängnis verbrachte. Damals taten sich die Medien mit Nachrufen auf seine berufliche Karriere besonders eifrig hervor. Aber Sanju zeigte es seinen Kritikern einmal mehr und kehrte zurück. Fast möchte man meinen, er sei mittlerweile erfahren darin, mit Schicksalsschlägen umzugehen.

Dieses Jahr ist ziemlich fruchtbar für Dutt jr gewesen. Mit seinem Hattrick Kartoos, Daag – The Fire und Haseena Maan Jaayegi hatte er eine echte Erfolgssträhne in dieser Saison. Das Scheitern von Safari kann als Ausreißer abgehakt werden. Seine Aktien an den Kinokassen steigen immer mehr, zumal mit drei weiteren Filmen in den Startlöchern. Diesmal verlässt Dutt sich nicht ausschließlich auf sein Macho-Image – er versucht, sich neuen Tönen und Freunden anzupassen.

Während er in Vaastav einen ortsansässigen Don spielt, schlägt er für seinen nächsten Release Khoobsurat heitere Töne an, und Sanjus letzter Release des Millenniums, der Thriller Khauff, wird eine Überraschung...

Zurück zu dem Telefon-Interview. Deine erste Frage: Was hat ihn bei Vaastav ganz besonders angesprochen, dass er diesen Film angenommen hat? Noch dazu, da Filme über Gang-Kriege derzeit nicht gerade angesagt sind? "Es ist eine Original-Story, ein einheimischer Plot, keine Kopie irgendeines Films aus dem Westen. Und das hat mich angesprochen", argumentiert er.

Was hat zwischen ihm und Mahesh Manjrekar geklickt, dass er ohne Bedenken mit einem unbekannten Regieneuling gearbeitet hat? Er holt tief Luft, überlegt ein wenig und erläutert dann: "Als Mahesh mir das Skript erzählte – seine Überzeugung und sein Engagement für das Projekt waren mit Händen zu greifen. Seine Begeisterung war ansteckend. Was ich besonders an ihm mochte, war sein missionarischer Eifer. Und allem voran ist Raghu eine Traumrolle für jeden Schauspieler. Ich denke, ich hatte großes Glück", fügt er hinzu.

Mahesh bestätigt Sanjus Erzählung, indem er sich an den Tag erinnert, an dem er seine Zustimmung bekam. "Das erste Mal arbeitete ich mit ihm, als er eine Special Appearance in meinem ersten Film Nidaan absolvierte. Damals beschloss ich, ihn für die Rolle des Raghu in Vaastav zu gewinnen. Ich ging ans Set von Khoobsurat, um ihm das Skript zu erzählen, und ich hing da bis Mitternacht rum, bis nach Drehschluss, um ihn dazu zu bringen, sich meine Story anzuhören. Er hörte mir bis zum Schluss zu und sagte dann sofort, dass er dabei sei. Meine Geduld hatte sich ausgezahlt."

Vaastav wird als realistischer Film beworben; wie nahe kommt er der Realität? Kann Sanjay das jetzt besser beurteilen, nachdem er im Gefängnis mit echten Unterwelt-Elementen zusammengekommen ist? "Vaastav kommt der Realität verdammt nahe. In diesem Film bin ich nicht der unbesiegbare Held, der Ozeane durchschwimmen und Feuerwände durchschreiten kann und alles unbeschadet übersteht. Hier sind alle Figuren aus Fleisch und Blut, sie bluten und weinen. Es ist ein brutal offener und erschreckend realistischer Blick auf die Unterwelt", erklärt er.

Hat der Film ihm irgendwann auch mal die traumatischen Erinnerungen an seine Inhaftierung zurückgebracht? "Überhaupt nicht, Vaastav ist kein Ableger meines persönlichen Traumas. Aus meinem wirklichen Leben ist nichts darin enthalten", erläutert er mit Nachdruck.

Welche Szene war die größte Herausforderung bei der Darstellung des Protagonisten in diesem Film? "Die Climax war ohne Zweifel die Mutter aller Szenen. Das war eine sehr schwierige Szene mit vier Dialogseiten, die ich mir reinziehen musste. Was die Sache besonders schwierig machte: Der Dialog war nicht logisch oder zusammenhängend – der Mann redet über dies und dann plötzlich das – eine Szene, in der er deliriert und seine ganze Unruhe zeigt. Weil es so eine intensive Szene war, beschlossen wir, sie in einem Take zu drehen. Wir haben die gane Nacht gebraucht, um sie hinzukriegen." Am Ende haben sich ihre Bemühungen jedoch gelohnt; Papa Sunil Dutt beglückwünschte das Duo zu dieser "wundervoll gedrehten Szene".

In naher Zukunft erwarten Sanjay noch mehr schicksalhafte Freitage. Khauff und Khoobsurat werden kurz nacheinander herauskommen – steht er da nicht unter gewaltiger Anspannung vor den Premieren? "Ich habe keinerlei Erwartungen an meine Filme. Ich mache meinen Job und hoffe, dass meine aufrichtigen Bemühungen sich auszahlen. Anspannungen gibt es da keine", bemerkt er ruhig.

Zuletzt hat Sanjay sich an Komödien versucht; erst in Safari und Haseena Maan Jaayegi, und nun erneut in Khoobsurat. Sanju lässt sich nicht mehr einfach nur als Muskelprotz zur Schau stellen – er wählt nunmehr gehaltvolle Rollen. Zum Beispiel hat er nichts dagegen, Hrithik Roshans Vater in Mission Kashmir zu spielen. Überlebenstaktik, reifer Karriereschritt oder einfach nur eine automatische Entscheidung für einen Vierzigjährigen – was ist der Grund für seinen Wechsel zu Vaterrollen? "Die Antwort auf diese Frage überlasse ich dem Publikum", antwortet er ausweichend. So sei es.

Schlussendlich, von Rocky bis Vaastav – wie sehr hat er sich verändert, und wieviel von ihm blieb unverändert? "Die Menschen reifen mit der Zeit, so auch ich", reflektiert er. "Ich bin gereift als Mensch wie auch als Schauspieler. Doch grundsätzlich bin ich für meine Freunde, Bekannten und Kollegen am Set der Gleiche geblieben – ich bleibe ein bodenständiger Typ", schließt er und entschwindet in Richtung des geplagten Tales, um für Mission Kashmir zu drehen.

(Deepa Karmalkar; Deutsch von Diwali)

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