Filmfare, 7. Februar 2008
"I want my freedom"
Er ist zurück im Lärm und Gewühle der Studios. Und egal was seine Kritiker über das Verblassen seiner äußeren Erscheinung lästern, er sieht noch immer zum Auffressen prächtig aus. Nach langer, langer Zeit sehe ich den Prinzen der Dunkelheit wieder, und mich überkommt Nostalgie, als ich ihn zu fassen bekomme und wir uns an alte Zeiten erinnern. Ganz klar: Sanju baba zu kennen bedeutet, ihn zu lieben. Wer ihn näher kennenlernt, wird einen ausgewachsenen Schelm entdecken, der das Leben in Übergröße lebt. Wie Suniel Shetty mir einst sagte: „Jeder andere Mann wäre zerbrochen unter dem Druck, mit dem Baba all diese Jahre gelebt hat. Ich für meinen Teil hätte längst einen Nervenzusammenbruch gehabt, aber Baba hat Mut und ist ein Kämpfer. Er ist wahrlich stark.“
Es ist genau dieser Mut und Kampfgeist, mit dem er seine Fans gewinnt, die ihn bedingungslos lieben. Beim zwanglosen Gespräch mit seinen Helfern und seiner geliebten Manyata sieht er aus wie ein Mann, der vorübergehend Frieden gefunden hat, trotz der Sorgenfalten, die sich in sein Gesicht gegraben haben.
Nun, da er auf Kaution frei ist, ist das Leben endlich besser für ihn geworden. Und er sagt: „Es ist ein wundervolles Gefühl, frei zu sein, und ich kann nur jedem raten: Freiheit ist etwas, das man wertschätzen und niemals als selbstverständlich erachten sollte. Denn Freiheit kann man nicht kaufen, egal wie viel Geld man hat. Deshalb sollte man seine Freiheit hegen und pflegen. Frag mich, ich hab mich ekstatisch gefühlt, als ich raus kam.“
Da es sein erster Drehtag für EMI nach seiner Freilassung ist, kennt seine Ekstase keine Grenzen: „Es ist großartig, wieder am Set zu sein, zumal da ich für Suniel (Shetty) drehe, der für mich mehr als ein Bruder ist, mehr als Familie, und es ist schön, ihn am Set als Produzenten zu sehen. Es ist großartig, gerade für Suniel wieder da zu sein.“
Auf die Frage, wie es sich für ihn anfühle, nach zwei Jahrzehnten in der Industrie immer noch mit Baba (Kind) angeredet zu werden, lacht er schallend: „Ich fühle mich geliebt, ich fühle mich glücklich, ich fühle mich emotional, und das ist einfach ein großartiges Gefühl. Für diese Leute bin ich nie erwachsen geworden; ich bin immer noch der gleiche alte Sanju baba. Ich denke, einfach nur ganz Herz zu sein hat mir soviel Respekt bei so vielen Menschen verschafft, einschließlich meinem Publikum, der Öffentlichkeit und der Filmindustrie. Wäre ich ganz Hirn, dann hätte ich all diese Liebe und Zuneigung nicht.“
Aber das hat ihm auch eine ganze Menge weggenommen. Wenn man den Spekulationen glauben darf, dann entdeckte er, als er Geld für sein Gerichtsverfahren brauchte, dass er nur zehn Anteile an White Feather Films besaß, seiner Produktionsfirma mit Sanjay Gupta. Er wird philosophisch: „Also was White Feather Films und Sanjay Gupta betrifft, so möchte ich sagen: Gupta war wie mein jüngerer Bruder. Ich hatte ihn raue Zeiten durchmachen sehen und ihm zu einer Produktionsfirma geraten. Es war meine Vision, ihn groß werden zu sehen. Ich wollte nichts von White Feather Films. Meine Vision war es, Sanjay Gupta auf einem anderen Level zu sehen, und ob er dafür nun meinen Namen oder was auch immer verwendete, ich habe es ihm gestattet, weil ich ihn dort haben wollte, wo er heute ist. Er ist noch immer mein Bruder, aber ich musste nun weg von dort. Er hat jetzt seinen professionellen Status, und das freut mich für ihn.“
Es heißt, er habe nun grünes Licht gegeben für Sanjay Dutt Productions. Und wenn man den Gerüchten glauben darf, dann sind seine Schwestern Namrata und Priya ebenso auf den Produktionszug aufgesprungen wie seine Freundin Manyata.
Er erklärt: „Namrata und Priya haben ihr eigenes Leben, und Manyata und ich haben unser eigenes Leben. Aber wir sind eine Familie. Sanjay Dutt Productions wurde gestartet, und ich habe Manyata gebeten, sich darum zu kümmern. Und sie macht einen fantastischen Job. Ich bin glücklich, zum ersten Mal eine solche Unterstützung in meinem Leben zu haben.“
Wenn man die beiden zusammen sieht, Händchen haltend, sich zwischen den Drehs Zärtlichkeiten ins Ohr flüsternd und einfach nur glücklich in der Gesellschaft des jeweils anderen, dann ist es klar wie der Tag, dass Sanju endlich seine Seelenverwandte gefunden hat. Seine Freude wird vergrößert durch seine Megaprojekt-Liste. Er lächelt: „Ja, ich habe ein paar gute Filme.“ Aber wie will er sieben, acht Filme hintereinander zeitlich schaffen? Er zuckt lässig mit den Schultern: „Das richtet sich nach den Filmen, die bereits in Produktion sind. Zuerst mache ich die fertig, und dann wende ich mich dem Rest zu.“
Viel wird geredet über seinen neuen Look in Kidnap und auch in EMI. Aber andererseits war er ja schon immer ein großer Look-Spezialist. „Weil ich es liebe, in meine Figur zu schlüpfen. Wie zum Beispiel der Sattarbhai, den ich in EMI spiele. Ich stellte ihn mir so vor, wie ich jetzt angezogen bin (er deutet auf sich selbst und seine Kleidung), und mit diesem Bild im Kopf habe ich mich für meinen Look entschieden.“
Der Film, der für ihn scheinbar Wunder bewirkt hat, ist Munnabhai. Keine andere Figur von ihm ist jemals so populär gewesen. Seine Freunde behaupten, er habe sich nach der Gestaltung der Rolle die Eigenschaften des Munnabhai einverleibt.
Er stimmt zu: „Ja, Munnabhai bin ich. Da gibt es gar nichts dran zu deuteln. Vinod (Chopra) hat mir vom ersten Tag an gesagt, dass ich diese Figur bin, dass ich sie regelrecht verkörpere. Und ich denke, er hatte recht. Ich habe zwei Munnabhai-Filme gemacht, und ich denke, Munna ist ich. Munna ist der erstaunlichste Typ, den es gibt. Er ist so hilfsbereit und gefühlvoll. Er liebt seine Familie und seine Freunde. Es ist verblüffend, wie Munnabhai in mein Leben getreten ist. Eigentlich sollte ich ja Jimmys (Shergill) Rolle spielen, aber als ich dann in Vinods Büro kam, bot er mir plötzlich die Rolle des Munna an. Ich war überrascht, aber auch glücklich darüber. Und es war eine hervorragende Erfahrung für mich.“
Er fügt hinzu: „Die Chemie am Set war so schön. Arshad (Warsi), ich und all die Künstler haben harmonisch zusammengearbeitet. Es war eine schöne Atmosphäre, und Raju Hirani ist so ein wunderbarer Regisseur und Mensch. Vinod ist ein enger Freund der Familie, wie ein älterer Bruder für mich. Als mein Vater starb, wäre es meine Aufgabe als sein einziger Sohn gewesen, den Leichnam zu waschen, aber ich konnte es einfach nicht. Ich bat Vinod darum, und er tat es. So wichtig ist er für mich.“
Danach kommt unser Gespräch auf sein Gerichtsverfahren, und er ist überwältigt von der Unterstützung, die er von der Industrie wie auch von seinen Fans erfahren hat. Er wird emotional: „Meine Eltern haben mir immer gesagt: Wichtiger als Schauspieler Nr. 1 oder ein supererfolgreicher Geschäftsmann zu werden ist es, ein guter Mensch zu sein. Alles andere kommt später. Und das hat sich in mir festgebissen. Ob Erfolg oder nicht, ich habe immer versucht, am Boden zu bleiben. Ich glaube, je erfolgreicher man wird, desto bescheidener muss man werden. Und ich denke, das hat einen großen Unterschied ausgemacht.“
Bisweilen jedoch ist er wegen dieser Einstellung auch auf rührselige Geschichten hereingefallen. Sogenannte Kumpel haben ihn übervorteilt und ausgenutzt. Aber er rechtfertigt sich: „Ich halte es für wichtig, anderen zu vergeben. Ich habe die Fähigkeit zu vergeben, was, denke ich, Menschen üblicherweise sehr schwer fällt. Ich glaube daran, Menschen eine Chance zu geben, auch wenn sie Mist bauen. Meine Einstellung lautet: Lerne aus deinen Fehlern und mach weiter.“
Es muss schwierig sein, mit den Situationen fertig zu werden, in denen er immer wieder mal steckt; ein geringerer Mensch wäre unter dem Druck zerbrochen. Er versichert: „Es war hart, aber du darfst dich nicht von den Situationen runterziehen lassen. Das Leben geht weiter. Du musst deine Lektion lernen und danach versuchen, ein besserer Mensch zu werden. Das ist es, was ich mache. Ich mache einfach immer weiter. Schau, wenn mir morgen jemand ins Gesicht schlägt, dann kann ich das nicht sechs Monate lang mit mir rumschleppen und sauer auf den Kerl sein. Entweder du vergisst es oder du vergibst dem Typen. Das ist meine Methode.“
Und da wir gerade über das Weitermachen reden, er scheint sich ja auch weiter seinem einst so fabelhaften Körper wieder anzunähern. „Das ist hauptsächlich für den Film, aber auf lange Sicht wird es auch für mich besser sein“, gibt er zu. „Ich mache einen Film für Ashtavinayak Films, der überwiegend am Strand spielt. Ich habe ein paar Monate Zeit, an meinem Körper zu arbeiten und in Form zu kommen. Ich hole mir Leute aus dem Ausland, die mich trainieren sollen.“
Man hat Sanjay kritisiert, dass er sich gehen ließ. Hat ihn das angespornt, wieder in Form zu kommen? Er zuckt die Achseln: „Wenn man durchgemacht hat, was ich im Leben durchgemacht habe, dann kann man irgendwann einfach nicht in der mentalen Verfassung für ein Fitness-Studio sein. Keine Chance. Dazu muss man in der richtigen Gemütsverfassung sein. Ich habe mein Rambo-Image abgestreift und ins Al-Pacino-Image gewechselt, aber meine Kollegen scheinen sich nach wie vor in der Rambo-Phase zu befinden. Sie sollten dieses alte Image von mir jetzt auch mal hinter sich lassen.“
Dann wird er emotional: „Mein größter Kummer heutzutage ist, dass meine Eltern nicht mehr bei mir sind. Wir alle vermissen sie. Aber mein größtes Glück ist heute, wieder am Set zu sein, wieder bei meiner Familie, die diese Filmindustrie für mich ist.“ Und was ist heute sein größter Wunsch? „Ich will meine Freiheit!“ bricht es mit einer Ernsthaftigkeit aus ihm heraus, die einem das Herz bricht.
Und was ist mit seinen Hochzeitsplänen? „An dem Tag, an dem ich heirate, wird die ganze Welt es erfahren, das verspreche ich.“ Und damit machen wir Schluss, da er vor die Kamera gerufen wird. Denn wie der weise Mann sagt: Die Show muss weiterwirbeln.
(Purnima Lamchhane; Deutsch von Diwali)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen