The Times of India, 3. August 2007
Jadoo Ki Jhappi
Munnabhai hat uns gelehrt, wie ein „magic hug“ Schmerzen heilen kann. Heute dürfte ihn das Wissen glücklich machen, dass die gesamte Filmgemeinde Sanjay Dutt in ihre Arme schließt – oder Sanju Baba, wie er selbst mit 47 immer noch genannt wird.
Warum Baba, könnte man sich fragen. Weil Nargis’ und Sunil Dutts anbetungswürdiger Sprössling nie erwachsen wurde. Als Lataji einmal bei einer von Sunil Dutt veranstalteten Wohltätigkeitsshow sang, stürmte der zehnjährige Sanju Baba auf die Bühne und sang aus dem Stegreif mit ihr mit. Damals hat man darüber gelacht. Heute lacht niemand mehr.
Ich weiß, dass eine Menge Zyniker sagen werden: „Also das kann er sich wirklich nicht leisten, ein Kind-Baba zu sein, wenn er am Ende seines Weges ein angesehener Baba werden will.“ Und Recht haben sie. Wenn man nicht rechtzeitig erwachsen werden will, dann muss man auch auf Prügel gefasst sein. Und in diesem Punkt ist das Schicksal mit Sanjay Dutt wahrlich nicht zimperlich umgegangen.
Ich habe nie einen unglücklicheren Mann gesehen, der so sehr versuchte, glücklich zu sein. Sanju konnte sich alles in der Welt kaufen. Und oft tat er es. Nichts macht ihm mehr Freude, als Dinge für seine Freunde, seine Familie (besonders seine Tochter, für die er wie ein Wahnsinniger Geschenke kaufte) und für sich selbst zu kaufen. Doch sein Glück über gekaufte Freuden währte immer nur kurz. Seine Gerichtsverfahren und legalen Schwierigkeiten machten seine Freude an den guten Dingen im Leben immer wieder zunichte.
Keines meiner Gespräche mit diesem liebenswerten Kind-Mann verlief je, ohne dass zwischendurch seine Probleme zutagetraten – wie eine furchtbare Krankheit, deren Schmerzen du lindern, aber niemals enden kannst.
Wir sprachen einmal über seine Filme, Freunde und Familie (das ist alles, womit Dutt sich jemals befasste), als er plötzlich sagte: „Glaubst du, dass ich jemals aus all diesen legalen Problemen rauskommen werde? Ich kämpfe nun schon so lange, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlen würde, absolut frei zu sein – nicht zweimal darüber nachdenken zu müssen, ob ich die Genehmigung bekomme, meine Tochter in den USA zu besuchen; keinen Drehtermin abzusagen, weil ich bei Gericht erscheinen muss; nur ein einziges Mal nicht daran denken zu müssen, dass ich ein gezeichneter Mann bin.“
Nach Munnabhai MBBS hätte Sanjay Dutt der Meister der Kinokassen sein können, der unumstrittene Boss, aber das Schicksal wollte es anders. „Ich kann mich nicht einmal über den Erfolg von Munnabhai MBBS freuen,“ hatte Sanjay geklagt, als vor vier Jahren der erste Film von Rajkumar Hiranis Serie herauskam, und nach Lage Raho Munnabhai klang er nicht anders.
Und doch drehte er weiter und führte ein „normales“ Leben. Aber wie normal kann das Leben sein für jemanden, dem ständig das Rattern von Gefängnistoren in den Ohren klingt?
Interviews mit Sanjay zu führen war eigentlich nahezu unmöglich. Die Fragen waren stets fünfmal länger als die Antworten, die man erhielt. Ich habe ihn einmal scherzhaft den „Großen Murmler“ genannt, und dieser Witz auf seine Kosten hat ihm Spaß gemacht. So ist er immer. Ich bin nie einem selbstironischeren Superstar begegnet als ihm.
Während andere Kings der Szene sich permanent bescheiden geben, ist Dutt die aufrichtige Bescheidenheit in Person. Manchmal trafen mich seine Art, sich selbst in Frage zu stellen, und seine Sorge für andere wie ein Schlag. Als ich einmal meine Beobachtung äußerte, dass Salman Khan Dutt als Vorbild zu betrachten und ihm nachzueifern schien, wurde Sanjay ungewöhnlich ernst. Sein leises Lachen verschwand, als er seiner Sorge um Salman Ausdruck verlieh und sich fragte, ob es nicht falsch sei, wenn ein jüngerer Kollege tatsächlich ihm, Sanju, nacheifere: „Niemand soll das durchmachen müssen, was ich durchgemacht habe,“ flüsterte Sanju leise in den Telefonhörer.
Dieser eine Satz klang in all unseren darauffolgenden Gesprächen nach; so fröhlich, leicht und unbeschwert sie auch waren, so war da doch immer auch dieser Stich ins Traurige.
Sanjus Augen und Stimme suchten nach einer Versicherung, dass zwischen ihm und dem Schicksal alles irgendwann doch endlich in Ordnung kommen würde. Nach dem Tod seines Vaters nahm Sanju seine Verantwortung als Oberhaupt des Dutt-Haushalts sehr ernst. Er erzählte mir, dass er sich als Vaterfigur für seine beiden Schwestern sah und dass es daher für ihn eher ihret- als seinetwegen notwendig war, dass sein Leben wieder in Ordnung kam. Doch es sollte nicht sein. Das Schicksal hält weiterhin seine grausame Hand über Sanjay Dutt.
Haben Sie Sanjays Augen und Lächeln gesehen? Sie sind Spiegel seiner Seele – unverdorben, unberührt und vollkomen frei von Bösartigkeit. Kein Wunder, dass er von Vater und Sohn Bachchan gleichermaßen geliebt wird. Ich habe beide unabhängig voneinander einmal gefragt, warum sie einen bestimmten Film machten, der ihnen offensichtlich Spaß machte. Die Antwort war jedes Mal ganz einfach: „Weil Sanju es uns geraten hat.“
Es gibt viele unerzählte Geschichten in der Filmindustrie über Sanjus Größe und Großherzigkeit. Zum Beispiel die von jener sehr aufrichtigen und offenen Schauspielerin, die in eine schwere Krise stürzte – so sehr, dass diese draufgängerische, lebhafte und unverwüstliche Schauspielerin drauf und dran war, aus der Filmindustrie auszusteigen. Dann schlug jemand ihr vor, mit Sanju zu sprechen. Ihre Probleme verschwanden.
Sanjay Dutt ist der ultimative In-Ordnung-Bringer (Mr. Fix-It) der Filmindustrie. Wenn ein Techniker Geld für eine Augenoperation braucht, dann weiß er, an wen er sich wenden muss. Wenn eine Schauspielerin einen Ausweg aus einer Krise sucht, dann muss sie lediglich S für Sanju anwählen. Als am Dienstag das Urteil über ihn verhängt wurde, hörte die Industrie schlagartig auf zu funktionieren. Niemandem war nach Drehen oder sonst etwas zumute.
Geschockt durch das Urteil, konnte J.P. Dutta nicht mehr aufhören, sich für Sanju das Herz aus dem Leib zu weinen: „Der Junge hat beispielhaften Mut bewiesen, als er in das Land zurückkehrte, um sich den Beschuldigungen zu stellen, die gegen ihn erhoben wurden. Und jetzt schaut, was mit ihm geschehen ist. Ich glaube, dieses Urteil sendet ein falsches Signal an richtige Übeltäter aus, nämlich dass man zugrundegeht, wenn man zurückkehrt und sich stellt. Man sollte sich Sanjus Erfolgs- und Erfahrungsgeschichte ansehen, seine Familie und die Werte, die er von ihnen mitbekommen hat. Er ist der Sohn der legendären Nargis und Sunil Dutt Saab. Ich hatte das Privileg, Vater und Sohn für Kshatriya zum ersten Mal zusammenzubringen. Die beiden hatten eine erstaunliche Bindung zueinander. Ich habe noch bei zwei anderen Filmen mit Sanju zusammengearbeitet. Jedesmal kam er ohne Fragen zu mir, bat nicht einmal um das Drehbuch, unterwarf sich einfach nur meinen Vorstellungen als Regisseur. Ich kenne keinen anderen Menschen, der so willig ist, selbstlos zu geben. Wir alle, meine ganze Familie, verehren Sanju. Dass ihm jetzt so etwas geschieht, ist für mich unerträglich.“
Habe ich jemals so viel Gewogenheit für irgendjemand anderes in der Entertainment-Industrie erlebt? Offen gesagt, nein. Aber ich habe auch nie einen anderen guten Menschen erlebt, der so viel leiden musste. Was den jadoo ki jhappi betrifft: Möge er bitte Sanju von nun an vor jedem weiteren Schmerz bewahren!
(Subhash K. Jha; Deutsch von Diwali)
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