Movie, November 1996
Waiting to explode
Der Asphalt scheint wie blendendes Silber, als die riesige Sonne mit all ihrer Feuerkraft auf Sanjay Dutt im Trenchcoat niederscheint. Stundenlang steht er da, ohne zu klagen, scherzt mit Freunden, redet, raucht, und zwischendurch wird dann auch mal gedreht. Es ist der erste Drehtag von Sanjay Guptas neuem Film mit Sanjay Dutt und Manisha, und dem Regisseur ist das ganze Chaos auf dem Flugplatz von Juhu ziemlich gleichgültig. Am ersten Tag genießen alle noch Freiheiten. An diesem Sonntag befindet sich Sanjay Dutt in einer anderen Form von Gefängnis, umringt von Freunden und Fans, die ihn nicht gehen lassen. Er könne das Interview heute nicht machen, meint er schüchtern. Ich dränge ihn, es bald zu tun, weil ich die Stadt verlassen muss.
„Wohin gehst du?“ fragt er mich interessiert. „Gujarat“, antworte ich.
Er senkt den Kopf und sagt etwas höchst Verblüffendes: „Du Glücklicher.“
Die Ketten sind jetzt unsichtbar, aber Sanjay Dutt wird immer noch aufgerieben von den Beschränkungen seiner Gerichtsauflagen. Jeden Tag von 10 bis 17 Uhr muss er den Anhörungen beiwohnen. Will er außerhalb von Bombay drehen, muss er eine Genehmigung beantragen und erfährt immer erst wenige Tage vor der Abreise, ob er tatsächlich abreisen darf.
Sein Haar ist lang, beinahe meliert im Sonnenlicht, und mit seinen Dingo-Stiefeln und Marlboro Lights sieht er charismatisch aus – ein Star. Aber als ich mich im Weggehen umdrehe, um ihm zum Abschied zuzuwinken, sehe ich das Gesamtbild: Da stand Sanjay Dutt auf dem Rollfeld, umgeben von Helikoptern und Flugzeugen, mit denen er nicht wegfliegen konnte.
Unsere nächste Begegnung findet in den Mehboob-Studios statt, wo er für Ram Gopal Varmas Daud dreht, die neue, verbesserte Version von Nayak. Er sieht müde aus, und seine Augen sind rotgeädert. Ich frage ihn, wie viele Stunden er geschlafen habe, und er murmelt: „Keine.“ Aber er hält sein Versprechen, weil er sich erinnert, dass ich die Stadt verlassen muss. Er bittet mich, Platz zu nehmen.
Movie: Mit das Überraschendste an deiner Rückkehr waren die Furchtlosigkeit und der Enthusiasmus in der Reaktion der Industrie. Du hast gerade einen neuen Film mit Manisha begonnen, und ich höre, du machst auch einen mit Kajol.
Sanjay: Ich bin nicht überrascht über diese Reaktionen. Ich wusste, dass Menschen auf mich warteten – Menschen, die mit mir arbeiten wollen. Das ist ein sehr gutes Gefühl. Aber ich war in hohem Maße verblüfft über die Reaktionen der Massen, des Publikums. Die waren unerwartet.
Movie: Sogar ABCL hat bekanntgegeben, dass du bei ihnen für einen Film unterzeichnet hast, mit Priyadarshan als Regisseur.
Sanjay: Das ist noch nicht bestätigt. Sie sind an mich herangetreten. Aber ich verstehe nicht, wie sie das bekanntgeben konnten, da wir noch gar nicht über das Projekt gesprochen haben und ich auch das Skript noch nicht kenne.
Movie: Außerdem heißt es, Polygram würde dir drei crore für einen Film mit Kajol zahlen.
Sanjay: Nein, das stimmt nicht. Ich mache zwar einen Film mit Kajol für Polygram, aber drei crore sind zuviel Geld. (lächelt)
Movie: Wünschtest du, man hätte dir drei crore angeboten?
Sanjay: Wer würde das nicht?
Movie: Wie kommst du mit deiner Doppelschicht heutzutage klar?
Sanjay: Habe mich dran gewöhnt. Ich habe in den vergangenen Jahren u.a. gelernt, dass man um eine Situation herumarbeiten muss.
Movie: Ich glaube, derzeit wurde deine Aufenthaltspflicht beim Gericht gekürzt?
Sanjay: Ja, im Moment muss ich nur von 10 bis 12 Uhr hin, weil ich um eine Genehmigung gebeten habe. Aber das gilt nur bis zum 8. Oktober. Danach muss ich wieder ganztags hin.
Movie: Und wann triffst du dann mal Rhea, außer in deinen Träumen? Vermisst du es, etwas Freizeit mit ihr verbringen zu können?
Sanjay (zuckt mit den Schultern): Ein bisschen Zeit finde ich schon, aber ich muss auch arbeiten. Arbeit ist wichtig.
Movie: Es heißt, dass du wegen dieser Gerichtssache deine gesamten Ersparnisse verloren hast. Ist Arbeit deshalb jetzt so wichtig für dich?
Sanjay: Nein, das ist es nicht. Schau, ich liebe es, Filme zu machen. Es ist nicht so, dass ich es aus finanziellen Gründen tun muss.
Movie: Hast du jemals erwogen, in die Politik zu gehen so wie dein Dad?
Sanjay: Nein, nein. Ich bin nicht geschaffen für die Politik. Ich bin ein ziemlich einfacher Mensch. Ich liebe meine Arbeit.
Movie: Können Politiker nicht einfach sein?
Sanjay: Nein, darum geht es nicht – es ist ein schwieriges Feld. Ich glaube nicht, dass ich jemals in meinem Leben in die Politik gehen werde.
Movie: Ich nenne dir jetzt drei Gerüchte über dich, die gerade die Runde machen: Erstens, du hast deinen Bungalow – 58 Pali Hill – aufgrund finanzieller Probleme verkauft und weil du nicht getrennt von Rhea leben willst.
Sanjay: Nein, er wird neu gebaut, deshalb bin ich ausgezogen.
Movie: Gerücht Nr. 2: Du hast dich von Rhea getrennt und gehst heutzutage allein auf Partys.
Sanjay: Absolut falsch. Warum muss ich zusammen mit ihr auf all diese Partys gehen? Wenn ich nicht mit ihr bei einer Party erscheine, bedeutet das dann, dass wir uns getrennt haben? Sie war nicht in der Stadt, deshalb war ich allein.
Movie: Gerücht Nr. 3: Nach der Launch-Party für Prem Aggan ist dein altes Temperament wieder zum Vorschein gekommen und du wurdest in einen Streit verwickelt.
Sanjay (lächelt amüsiert): Nein, das sind unbegründete Gerüchte. Erfunden von Leuten, die nichts zu tun haben.
Movie: Empfindest du es als Ironie, dass deine erste Begegnung mit Rhea beim Gericht war, als du das Plädoyer von Mahesh Jethmalani hören wolltest?
Sanjay: Nein, ich bin ihr das erste Mal in Maheshs Büro begegnet. Das zweite Mal war dann auf einer Party, die ich zur Feier des Erfolgs von Khalnayak gegeben hatte.
Movie: Glaubst du, dass du leicht zu lieben bist?
Sanjay: Das kann ich nicht beantworten, da musst du schon die Menschen fragen, die mich lieben. Und wenn sie sagen, ich bin cool, dann solltest du Anju fragen, meine Familie...
Movie: Viele erwarten, dass dich die Erfahrung deines Gefängnisaufenthalts stark verändert hat. Erwarten sie zu viel?
Sanjay: Als Mensch habe ich mich nicht verändert, aber ich habe meine Gewohnheiten geändert. Heute sehe ich das so, dass ich meine Arbeit erledigen, mich nur um meine eigenen Dinge kümmern und dann nach Hause und schlafen gehen sollte. Das Leben ist sehr einfach, und ich bin sehr zufrieden damit. Ich gehe morgens zum Gericht und sitze dort bis fünf Uhr nachmittags. Dann komme ich heim und trainiere zwei Stunden lang in meinem privaten Fitness-Studio. Und dann fahre ich ins Filmstudio. Gegen halb drei oder drei Uhr morgens sind wir fertig. Ich schlafe fast fünf Stunden jede Nacht.
Movie: Belastet das deine Gesundheit?
Sanjay: Ich muss arbeiten. Das ist das Wichtigste. Ich muss arbeiten.
Movie: Du bist derzeit erkältet, das kommt auch von körperlicher Erschöpfung. Sagt Rhea dir nie, dass du dich mal schonen sollst?
Sanjay: Nein, nein, sie ist glücklich, wenn ich arbeite. Manchmal kommt sie mich am Set besuchen.
Movie: Viele erwarten von dir, dass du auch ein paar Filme der Sorte „gareebon ka masiha“ für das soziale Bewusstsein machst. Hast du vor, das zu tun?
Sanjay: Weißt du, das kann man erst machen, wenn man aus all diesen Geschichten draußen ist. Lass mich diesen Fall hinter mich bringen, dann werde ich darüber nachdenken; ich würde definitiv gerne ein paar sinnvolle Filme machen. Im Moment mache ich ein paar Projekte, um auf AIDS-Patienten und Drogensüchtige aufmerksam zu machen, aber ich bin derzeit einfach sehr eingeschränkt in meinen Möglichkeiten.
Movie: Als du noch im Gefängnis warst, hast du von Plänen über einen Treuhandfonds gesprochen für Häftlinge, die sich keine Anwälte leisten können. War das nur eine Gefühlsaufwallung, oder hast du das wirklich vor?
Sanjay: Mal sehen, was kommt. Ich habe das durchaus im Kopf, aber lass mich erst meine Probleme loswerden. Im Moment bin ich noch gebunden.
Movie: Du hast dich im Gefängnis auch gewaltig der Religion zugewendet...
Sanjay: Nein, ich war schon vorher religiös. Ich bin regelmäßig zum masjid gegangen, zum Siddhivinayak-Tempel, zur Mata Vaishnodevi, zur Mahim-Kirche; und zum Gurudwara hier in Bandra. Es geht ja einfach nur darum, das Haupt zu beugen. Im Gefängnis habe ich jeden Montag und Donnerstag für Shivji und Sai Baba gefastet. Mit dem Fasten habe ich jetzt aufgehört, aber ich werde jetzt die navratis einhalten. Das muss ich.
Movie: Hast du niemals einen Astrologen konsultiert wegen deines seltsamen Schicksals?
Sanjay: Wäre die Astrologie 100%ig korrekt, dann würden die Astrologen erst mal ihr eigenes Leben in Ordnung bringen. Es gibt Warnungen und Vorwarnungen, aber sicher ist nichts.
Movie: Aber du bist gewarnt worden?
Sanjay: Nein. Nimm nur diesen Astrologen Chaturvedi, der all den Schrott über mich geschrieben hat – er sagte, ich käme niemals ins Gefängnis. Aber ich kam rein. Man sollte an Gott glauben, das ist die Hauptsache. Er ist hier in meinem Herzen. Derzeit fehlt mir die Zeit für lange Gebetssitzungen, aber ich glaube an Gott, ich glaube an Mata...
Movie: Wie war deine Fahrt nach Amerika zu Richa?
Sanjay: Es war traurig. Was kann ich mehr sagen?
Movie: Es war wahrscheinlich deine letzte Begegnung mit Richa?
Sanjay: Ich weiß nicht, ich will nicht einmal daran denken.
Movie: Hast du Frieden mit deiner Frau geschlossen?
Sanjay: Ja, ja...
Movie: Wo hat dann derzeit eine Ehe ihren Platz bei dir?
Sanjay: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
Movie: Hat das mit der Angst zu tun, dass deine Kaution jederzeit widerrufen werden könnte?
Sanjay: Nein, solange ich mich nicht aus dem Staub mache oder sowas, warum sollten sie meine Kaution widerrufen?
Movie: Vor ein paar Tagen wurde bei drei Häftlingen die Kaution eingestellt.
Sanjay: Oh, die waren nur auf Interims-Kaution draußen. Das ist eine befristete Kaution, die noch nicht bestätigt ist. Für mich bleibt die Situation, wie sie ist, das Verfahren wird sich noch lange hinziehen.
Movie: Ja, den Anwälten zufolge mindestens bis 2004. Hast du irgendeine Hoffnung auf eine frühe Begnadigung?
Sanjay: Das weiß nur Gott. Entweder der Supreme Court gewährt irgendeine Erleichterung, oder die Regierung ändert die Gesetze – dann kann etwas geschehen.
Movie: Wenn du heute einen Wunsch frei hättest, was wäre das dann?
Sanjay: Ich wünschte, ich könnte die vergangenen drei Jahre meines Lebens ändern.
(Alif Surti; Deutsch von Diwali)
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