Mittwoch, 5. Dezember 2007

g 6/1998: Has trauma transformed Sanjay Dutt?!

g, Juni 1998

"There is sorrow in Sanju’s eyes" – Has trauma transformed Sanjay Dutt?!

Die Menschen lieben Sanjay Dutt. Ich komme zum Abschluss, noch bevor ich überhaupt beginne. Mit diesem Artikel möchte ich das Charisma von Sanjay Dutt enträtseln. Es ist schon seltsam: Ohne den Mann selber getroffen zu haben, scheine ich genug über Sanjay zu wissen. Durch seine Filmemacher. Die Worte seines Regisseurs und Freundes Sanjay Gupta haben sich mir eingeprägt: "Sanju verarbeitet seine Probleme und Leiden zu positiven Charakterzügen." Nicht jeder kann das. Nicht jeder hat den Mut, in den tiefsten Abgrund zu stürzen und sich daraus wieder zu erheben. Trotz der Narben all seiner Tragödien macht Sanjay mit seinem Leben weiter!

Vor vier Jahren, vor seiner Inhaftierung, war Sanjay der Herr im Hause und galt bereits als die nächste Numero Uno. Nie hätte er sich vorstellen können, welche Wende sein Schicksal nehmen würde. Seine Inhaftierung war für seine Rivalen der Startschuss, um die Ernte einzufahren. Als er zurückkehrte, hatten sich die Dinge in der Glitzerstadt drastisch verändert. Und Sanjay ebenso!

Jedermann sprach über den neuen Sanjay Dutt – den verbitterten Sanjay, den grübelnden Sanjay, den starken Sanjay, den philosophischen Sanjay, den religiösen Sanjay... und so weiter... Ein Trauma hinterlässt stets Spuren, und in Sanjay waren sie sichtbar. Schmerz stirbt niemals, man lernt, mit ihm zu leben. Und Sanjay hat das bewiesen. "Wenn du ein Trauma hast, darüber heulst und ihm erlaubst, sich in deinem Leben breitzumachen, dann wird es dich umbringen. Aber wenn du es als Herausforderung betrachtest, als eine Erfahrung, und vergibst und vergisst, dann wirst du ein besserer und stärkerer Mensch. Und dann kannst du in Frieden mit deinem Leben weitermachen", hatte Sanjay vor einem Jahr in der ’g’ gesagt.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte die Filmindustrie prophezeit, dass Sanjay seine Position an den Kinokassen wiedererlangen würde. Er wurde als Held bejubelt, der sich wie Phönix aus der Asche erhoben hatte. Das änderte sich nach dem Debakel von Mahaanta. Dieselben Menschen, die zuvor gar nicht hatten aufhören können, seine Lobeshymnen zu singen, schrieben nun seinen Nachruf. Sanjay, unbeeindruckt von diesen Beobachtungen, machte weiter. Hatte es noch irgendwelche Zweifel über seinen Status gegeben, so wurden sie durch das Scheitern von Daud bestätigt. Filmemacher wurden skeptisch, ihn unter Vertrag zu nehmen. Und dennoch hat Sanjay heute beinahe zehn Filme an der Hand – Dushman, Vaastav, Khauff, Chakra, Dus, Safari, Khoobsurat, Haseena Maan Jaayegi und Jung.

Während er im Gefängnis war, übernahm eine neue Schauspielerriege das Regiment. Kompetente Stars mit einer großartigen Physis wie Akshay Kumar, Suniel Shetty und Salman Khan. Wo passte Sanjay Dutt da rein? Ist er noch immer ein heißes Angebot an den Kinokassen? Und wenn ja, was macht ihn dazu? "Sanju hat eine ganz eigene Ausstrahlung", verrät Tanuja Chandra, die mit Dushman ihr Regiedebüt gibt. "Er ist äußerlich tough, aber innerlich sehr verletzlich. Man kann gar nicht anders als Zuneigung für Sanju zu empfinden, egal wie sehr er einen irritiert. Jedermann liebt es, ihn zu bemuttern, weil er ständig im Schlamassel steckt, egal ob auf oder hinter der Leinwand. Ob Drogenphase oder TADA-Untersuchungshaft, irgendwas vermasselt Sanjay immer – aber er kommt auch immer wieder aus der Sache raus."

Sanjay Chel, ebenfalls Regiedebütant, hat die gleiche Beobachtung gemacht. "Keiner von diesen Schauspielern kann Sanjays Platz einnehmen, weil Sanju eine Mischung aus Macho und Verletzlichkeit ist. Seine Augen sprechen Bände, und das Leid in ihnen kann man gar nicht übersehen. Abgesehen davon hat Sanjay, im Gegensatz zu anderen Schauspielern, keine action-orientierten Rollen gespielt. Seine Figuren hatten immer auch eine emotionale Seite – und ganz genauso ist Sanjay auch im wirklichen Leben."

Ein weiterer Filmemacher, der zum ersten Mal mit Sanjay zusammenarbeitet, ist der Marathi-Schauspieler und Regisseur Mahesh Manjrekar mit Vaastav. Wobei Mahesh Sanjay schon einmal inszeniert hat, nämlich in Nidaan, einem kurzen Dokumentarfilm über AIDS, in dem Sanjay einen Gastauftritt absolvierte. "Damals habe ich bemerkt, dass Sanjay ein ausgesprochen ruheloser Typ ist. Da ist eine enorme Menge an Energie in ihm, die nur darauf wartet, zu explodieren. Und genau das brauchte meine Figur in Vaastav", sagt Mahesh. Und was ist mit seinem Marktwert? Ziehen Filme mit Sanjay in der Hauptrolle denn noch an den Kinokassen? "Darüber mache ich mir keine Gedanken", erklärt Manjrekar. "Er ist perfekt für meinen Film, und das ist wichtig. Heute kann doch niemand voraussagen, wie ein Film sich machen wird. Auch Sunny Deol war vor ein paar Jahren schon abgeschrieben, und heute steht er wieder mit ganz oben."

Jyotin Goel, Produzent und Regisseur von Safari, meint: "Sanjay hat eine äußerst dominierende Präsenz auf der Leinwand, und er ist ein ausgezeichneter Schauspieler. Die derzeit aktuellen Schauspieler haben alle nicht die richtige Mischung aus Machismo und Gefühl. Sanjay schon. Wir haben Stars, die entweder Muskelprotze oder Darsteller sind, aber niemals beides auf einmal. Und deshalb übertrifft Sanju sie alle." Wahrscheinlich kann Goel sich deshalb auch keinen anderen vorstellen, der an Sanjays Stelle treten könnte: "Egal, wie lange es dauerte, ich war immer bereit zu warten bzw. meine Drehtermine Sanjays Terminen bei Gericht anzupassen. Und zwar, weil ich vollkommen überzeugt war, dass er zu der Rolle passte. Ich habe nie in Erwägung gezogen, ihn zu ersetzen, und das sagt eine Menge über seine Glaubwürdigkeit als Schauspieler aus."

Manjrekar dagegen ist der Ansicht, dass niemand unersetzlich ist: "Es gibt hierzulande genügend Schauspieler, die jeden ersetzen können. Und niemand wartet hier auf irgendjemanden. Es war völlig normal, dass die Filmemacher sich an andere Schauspieler hielten, während Sanjay im Gefängnis war." Laut Sanjay Gupta, der früher schon in dem Sanjay-Film Aatish Regie geführt hat und nun Khauff und Jung mit ihm macht, hat Sanjay die magnetischste Leinwandpräsenz: "Die jüngeren Schauspieler sind alle Papiertiger. Sicher haben sie ihre kleinen Nischen, aber seine Position erreichen sie nicht. Er ist ein Superstar mit dem besten Body und bringt seine Leistungen trotz seiner Probleme mit der Justiz."

Dass Sanjay Dutt auch heute noch immer beliebt ist, darauf würde jeder Filmemacher einen Eid ablegen. "Sie müssten mal sehen, wie die Massen auch heute noch auf Sanju reagieren", sagt Tanuja. "Seine Figuren auf der Leinwand machen ihn leicht zugänglich für die einfachen Menschen; sie können die Hand nach ihm ausstrecken und ihn berühren. Das hebt ihn von den anderen ab." Sanjay Chel stimmt der Ansicht zu, dass Sanjay Dutt unersetzlich ist: "Es ist ein Wahnsinn in Sanju, der ihm diese zusätzliche Schärfe verpasst", verrät er. "Alles, was Sanju braucht, ist ein Hit", fügt Gupta hinzu. Manjrekar hat eine interessante Beobachtung gemacht: "Heute ist Sanjay nicht in der gleichen Position wie vor seiner Verhaftung. Aber es wird nicht lange dauern, bis er diese verlorene Position wiedererlangt hat. Es ist eine Aura um ihn, die niemandem entgehen kann." Seiner Ansicht nach haben Sanjays überemotionale Wesenszüge seiner Karriere geschadet: "Jackie und Sanjay sind zu emotional. Die meisten ihrer Filme haben sie für Freunde gemacht. Sie haben ihre Karrieren nie richtig geplant, und das hat ihnen geschadet."

Sanjay Gupta hat das Gefühl, dass es nur eine Sache der Zeit (und eines Hits) ist, bis Sanjay seinen verlorenen Thron zurückgewinnt. Auch Jyotin Goel meint, dass es nur eines Hits bedarf, und Sanjay ist wieder ganz oben. Tanuja, die einen älteren Mann für Dushman gebraucht hat, ist froh, dass sie Sanjay Dutt für den blinden Major im Ruhestand bekommen hat. "Ob in Saajan, Sadak oder Naam, das Publikum liebt Sanju, wenn er Figuren mit einer Behinderung oder in Gefahr spielt. Sanju sollte sich auf Rollen konzentrieren, in denen er seine Emotionen ausspielen kann.“

"Schmerz ist der Antrieb der Kreativität", hatte Pooja Bhatt einst gesagt. Und in Sanjays Leben gab es genug davon. Der Tod seiner Mutter, seine Drogenphase, seine Inhaftierung, seine Scheidung, Richas Tod und Trishalas Entfremdung, alles hat Sanjay durchgemacht. Doch wieviel von diesem Schmerz hat ihn verwandelt? Hat der Schmerz seine Darbietungen bereichert? "Hundertprozentig", stimmt Tanuja zu. "Heute ist eine furchtbare Trauer in Sanju. Aufgrund seiner Erlebnisse im Gefängnis reagiert er intensiver auf Situationen als vorher. Und er merkt das nicht einmal." Gupta meint: "Der Unterschied in Sanju ist bemerkenswert. Er spielt heute mit sehr viel Reife."

"Sanjus emotionale Narben haben sich in positive Eigenschaften verwandelt. Seine schauspielerischen Leistungen sind besser geworden", mutmaßt Goel. "Sanju war immer emotional. Heute ist er Menschen gegenüber skeptisch, er vertraut ihnen nicht mehr so leicht. Er will keine Risiken mehr eingehen, was Beziehungen betrifft." Nach Ansicht von Chel hat Sanjays Gefängniserfahrung ihn milde gemacht: "Heute ist mehr Tiefe in seinen Darbietungen. Und Sanjay ist sich dieser Veränderung in ihm nicht einmal bewusst. Er ist ein Analytiker. Hat eine philosophische Einstellung zum Leben."

"Ein Trauma, wie er es durchlitten hat, könnte jeden mit Leichtigkeit brechen", sagt Manjrekar. "Aber Sanjay ist als Sieger daraus hervorgegangen. Zu seiner täglichen Routine gehören der Aufenthalt bei Gericht und danach zwei Stunden Training, und anschließend dreht er bis drei oder fünf Uhr morgens."

Es ist interessant, dass Filmemacher heiß darauf sind, Sanjay unter Vertrag zu nehmen, obwohl er tagsüber nicht drehen kann (wegen seiner Anwesenheitspflicht beim Gericht). "Alles hängt von deinem Drehbuch ab", sagt Tanuja. "Wenn du ein klares Drehbuch hast, ist die halbe Schlacht schon gewonnen. Sanjay hat gut kooperiert, wir hatten keinerlei Probleme während der Dreharbeiten zu Dushman." Chel stimmt ihr zu: "Wenn du dir über dein Skript im Klaren bist, dann gibt es keine Probleme." Manjrekar fügt hinzu, dass Sanjay den Zeitverlust wettmacht, indem er an Sonn- und Feiertagen dreht. Laut Gupta hat die Justiz viel Verständnis für Sanjay: "Sie gestatten ihm Außendreharbeiten, und manchmal lassen sie ihn auch ein paar Stunden früher gehen." Goel macht sich da keine Gedanken mehr, Safari ist fertig: "Obwohl Sanju nur nachts drehen konnte, haben wir den Film ziemlich schnell fertiggestellt, dank seines Einsatzes und seiner Willenskraft. Wir haben nach seiner Freilassung in gleichmäßigem Tempo gedreht, die kleine Verzögerung entstand durch den unerwarteten Tod von Shafi Inamdar."

Das Rennen läuft, und sollte Sanjay von seiner Außenseiter-Position aus als Sieger durchs Ziel gehen, dann ist das auch der Geduld seiner Regisseure zuzuschreiben. Abgesehen von Jyotin Goel und Sanjay Gupta sind sie alle – Tanuja Chandra, Sanjay Chel und Mahesh Manjrekar – Regiedebütanten, die eine Menge Hoffnung auf ihren Helden setzen. Sie sind überzeugt davon, dass Sanjays Charisma intakt ist und dass mit seinem Namen dank seines Star-Status nach wie vor zu rechnen ist.

(Ryan Stephen; Deutsch von Diwali)

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