Simi Garewal Show, März 2006
Am 12. März 2006 war Sanjay Dutt zu Gast in der Simi Garewal Show; eine Woche später wurde ein weiteres Simi-Interview mit ihm sowie seiner Schwester Priya und deren Mann Owen Roncon ausgestrahlt wurde. Sanju hat bei dieser Gelegenheit einmal mehr sein Herz geöffnet und mit der schonungslosen Ehrlichkeit, die man an ihm nur bewundern kann, von den Höhen und Tiefen seines Lebens erzählt.
So berichtete er u.a., dass er insgesamt neun Jahre lang Drogen genommen hat; es begann in seiner College-Zeit. Er hat alles ausprobiert, nahm vor allem Kokain und Heroin; er hat geschnupft, geraucht und im letzten Jahr auch injiziert. Obwohl er zu Hause lebte, gelang es ihm, das Ausmaß seiner Sucht vor seiner Familie geheimzuhalten, indem er sich immer mehr zurückzog, "wie eine Ratte" in einsamen und abgedunkelten Räumen lebte und sich seine Schüsse im Klo setzte. (Es ist nicht so, dass seine Familie nichts gewusst hätte. Sunil warnte sogar jeden Produzenten, der Sanju damals unter Vertrag nahm, dass sein Sohn ein Drogenproblem hatte, damit man später nicht sagen könnte, er hätte sie nicht gewarnt. Auch Nargis war nicht blind; es wird während des Interviews übrigens ein schönes Bild geschildert, wie Sanju seine todkranke Mutter wie ein Kind in seinen Armen wiegte...)
Erst als er eines Tages aufwachte und einen in Tränen aufgelösten Diener vorfand, der Sanju für tot hielt, weil er ihn zwei Tage lang nicht mehr wachbekommen hatte, schaffte es Sanju, zu seinem Vater zu gehen und ihn um Hilfe zu bitten. Er kam für drei Wochen ins Krankenhaus und dann in die Reha-Klinik in den USA. Er lernte dort einen Rancher aus Austin/Texas kennen und lebte nach dem erfolgreichen Entzug eine Weile auf dessen Ranch. Das freie Leben als Rancher gefiel ihm, und er bat seinen Vater, sein gesamtes Geld nach Amerika zu transferieren - er wollte nicht wieder zurück nach Indien. Daraufhin kam Sunil persönlich nach Austin und bat ihn, um seinetwillen nach Indien zurückzukehren. Aus Respekt vor seinem Vater gab Sanju schließlich nach - aber er sagte ihm ganz offen, dass er, wenn sich innerhalb eines Jahres nichts Entscheidendes in seinem Leben tun würde, ein für allemal nach Texas zurückkehren würde. Das ging so weit, dass er ein Filmangebot, das zwei Monate vor Ablauf dieser Frist bei ihm eintraf, ablehnen wollte, da er eh nur noch zwei Monate im Lande sein würde - worauf der Produzent trocken antwortete, dass man den Film dann eben innerhalb dieser zwei Monate fertigkriegen müsste. (Es handelte sich dabei um Jaan Ki Baazi.)
Auf die Frage, ob er nach der Reha jemals in Versuchung war, rückfällig zu werden, meinte Sanju, Möglichkeiten dazu habe es genügend gegeben. Drogensucht sei eine Krankheit, von der man nie ganz geheilt werden könne - ein Augenblick der Schwäche, und er wäre wieder dort gewesen, wo er vor seiner Reha aufgehört hatte. Unfassbar ist in diesem Zusammenhang Sanjus Erzählung, wie ihn unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Indien - obwohl er niemandem davon erzählt hatte - sein Drogenhändler bei ihm auftauchte und ihm neuen Stoff anbot. In dieser Sekunde, so Sanju, musste er sich entscheiden: den Stoff nehmen oder den Kerl zum Teufel schicken. Und er entschied sich für Letzteres. "In diesem Moment wusste ich, dass ich diesen Kampf gewonnen hatte." Dann sprachen Simi und Sanju von seiner ersten Frau Richa und wie sie nur zwei Monate nach der Geburt ihrer Tochter Trishala an einem Gehirntumor erkrankte; Sanju hatte sie zur Behandlung in die USA bringen lassen, und für einige Zeit sah es so aus, als könnte sie es schaffen, doch dann kehrte der Tumor zurück, und die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun..
Mehrfach während des Interviews wurden Ausschnitte aus einem früheren Interview mit dem im Mai 2005 verstorbenen Sunil Dutt eingespielt, und Sanjus Blicke dabei sprachen jedesmal Bände. Ganz besonders, als die Rede auf 1993 und die Verhaftung kam. Sunil erzählte in der Einspielung, dass Sanju in der Haft anfangs tatsächlich stark genug war, um ihm Mut zu machen (Sanju: "Ich konnte es nicht ertragen, ihn in aller Öffentlichkeit weinen zu sehen") und dass er sehr stolz auf seinen Sohn sei. Sunil wiederum war Sanjus einzige Hoffnung, und als er seinem Sohn eines Tages eingestehen musste, dass er nichts mehr für ihn tun könne, ging Sanju zurück in seine Zelle und weinte stundenlang - um dann jedoch zu beschließen, durchzuhalten und sich von nichts brechen zu lassen. Er hat während seiner Zeit im Gefängnis nie den Glauben an Gott verloren, obwohl er anfangs noch dachte, unfair von ihm behandelt worden zu sein; aber dann überlegte er, dass Gott vielleicht einen Grund dazu gehabt hatte - vielleicht saß er ja zu seinem Schutz im Gefängnis, weil er draußen sonst gestorben wäre. Trotz seiner schuldlosen Leiden denkt er heute ohne Hass oder Ressentiments an die Ereignisse von damals zurück: "It doesn't disturb me. I've forgiven everybody."
Während der 15 Monate im Knast hat Sanju in einem Tagebuch über alle Ereignisse genau Buch geführt - über 12.000 Seiten! Dieses Tagebuch existiert noch, Sanjus Schwestern verwahren es. Auf die Frage, ob er es irgendwann einmal veröffentlichen würde, meinte Sanju nur "vielleicht".
Inwiefern haben die vergangenen Jahre ihn verändert? "I've become more tolerant, more forgiving, I don't keep any malice in my heart." Er glaubt noch immer an die Liebe, sieht sich aber nicht mehr als verheirateter Mann, der abends zu seiner Frau nach Hause kommt; die Zeiten seien irgendwie vorbei. Seine musikalischen Vorlieben gelten dem Rock, Blues und Jazz; er war Schlagzeuger in seiner Schulband und spielt E-Gitarre. (Und singt. Karan Johar hat recht, Sanju IST ein Rockstar.)
Was würde er anders machen, dürfte er sein Leben noch einmal beginnen? Viel intensiver mit seinen Eltern und mit Richa zusammenleben, versuchen, sie länger zu behalten, auf keinen Fall mit Drogen anfangen - nur bei seiner Berufswahl wäre er in einem Dilemma: Schauspieler oder Rancher? (was beweist, dass sein Wunsch, Rancher zu werden, damals nicht nur eine jugendliche Marotte war, wenn das bis heute noch eine reelle Alternative für ihn darstellt...). Aber liebt sein Leben als Schauspieler, es tut ihm gut, von den Menschen geliebt zu werden, und er liebt es, nach Hause zu kommen und mit seinen Schwestern und deren Familien zusammenzusein. (Irgendwie macht Sanju dabei den Eindruck, dass er wirklich nicht mehr braucht, um zufrieden zu sein - eine gewisse Art von "Altersweisheit", die ich aus eigener Erfahrung gut nachvollziehen kann.)
Auf Simis Frage, ob er sein Leben gerne noch einmal von vorne beginnen würde, antwortete Sanju mit dem Satz des Abends: "I think my life HAS started all over again" - Ich denke, mein Leben HAT bereits noch einmal von vorne begonnen.
Keine Frage: Sanju ist ein Überlebender, ein Kämpfer und Sieger, und ein kleiner Philosoph steckt auch in ihm. Simi bezeichnete ihn zum Abschluss als einen der tapfersten Männer, die sie kenne - denn nicht nur angesichts von Krieg oder Tod bedürfe es des Muts, sondern auch angesichts des Lebens, wenn es gälte, Schwierigkeiten zu überwinden. Und genau diesen Mut habe Sanju immer und immer wieder bewiesen. In ihren Augen sei er ein Held - worauf Sanju nur noch dankbar lächeln und leise "Thanks!" antworten konnte...
(Protokolliert von Diwali)
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