Stardust, Mai 1995
Exclusive: Stardust meets Sanjay Dutt!
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Die Meisterleistung des weltbekannten Fotografen Daniel Angeli, heimlich Sarah Ferguson (die Ex-Herzogin von York) beim Sonnenbaden zu fotografieren, hat den wagemutigen Journalisten in mir wiederbelebt.
Journalistische Kraftakte haben mich immer inspiriert. Wie zum Beispiel Berichte aus Kriegsgebieten. Oder große Enthüllungen. Oder Sensationsgeschichten direkt von Führungspersönlichkeiten, Schauspielern und Prominenten. Der Schriftsteller in mir wurde durch solche Meisterstücke stets inspiriert, und ich hoffte immer, eines Tages auch mal Gelegenheit zu einem solchen zu bekommen. Diese Gelegenheit kam für mich nun schneller als erwartet. Und was ich bekam, war eine Sensationsstory in mehr als nur einer Hinsicht.
Glaubt es oder nicht... es war eine Begegnung mit dem noch immer inhaftierten Sanjay Dutt. Und sie war exklusiv in jedem Sinne des Wortes.
Sanjay Dutt stand meinem Herzen schon immer nahe. Hauptsächlich weil er der erste Star war, dem ich vor achteinhalb Jahren am ersten Tag meiner Stardust-Karriere begegnet war. An einem trägen Oktobernachmittag (es war der 9., um exakt zu sein) traf ich ihn in Film City. Damals war er noch ein anderer Dutt. Nassforsch, arrogant, hitzköpfig – und ein Albtraum für jeden Journalisten. Vielleicht war das auch der Grund, warum man damals mich als Opferlamm vorgeschickt hat, um die Lage zu sondieren, jedenfalls kam mir das so vor. Aber überraschenderweise war er richtig nett, und eine Saite begann zu schwingen. Sie schwingt bis heute. Trotz der endlosen Angriffe anderer Stars gegen mich, die darauf pochen, dass ich (und die Stardust) etwas voreingenommen zu Sanjus Gunsten sind und dass ich immer nur sehr gut über ihn schreibe. Ich hatte niemals wirklich darüber nachgedacht, aber ich denke, dass das stimmt. Warum sonst würde mich sein derzeitiges Elend so beschäftigen – sein mittlerweile furchtbar sich in die Länge ziehender Gefängnisaufenthalt?
Mehrere Versuche, ihn außerhalb des Gerichts zu treffen, endeten ohne Ergebnis, meistens aufgrund von schlechtem Timing. Und ihn im Gefängnis selbst zu treffen war so gut wie unmöglich. Deshalb kam die eine Gelegenheit für eine Begegnung mit ihm wie ein Gottesgeschenk für mich.
Es war am 20. März 1995, als ich im Redaktionsgebäude der Stardust erfuhr, dass er am 21. zu seiner monatlichen Gesundheitsuntersuchung ins J.J. Hospital kommen würde. Ich beschloss, dorthin zu gehen und ihn zu treffen. Komme was wolle.
Am nächsten Morgen gelang es mir, um 10 Uhr in das Krankenhausgebäude zu schlüpfen und dort zu warten, wo seine Untersuchung stattfinden würde. An Journalismus dachte ich in diesem Moment nicht im Entferntesten. Ich wartete auf einen Freund.
Punkt 10:30 Uhr erschien er, umgeben von einem Aufgebot harter und aufmerksamer Polizisten. Als erstes wandte er sich an seine Freundin Rhea Pillai, die in einer Ecke wartete und wunderschön aussah in ihrem weißen Salwar Kameez. Zärtlich berührte er ihr Gesicht und blickte sie liebevoll an, während sie seinen Blick mit gleicher Intensität erwiderte. Dann riss man ihn von ihr fort.
Fünf Minuten später entdeckte er mich – und traute seinen Augen nicht. „Hi! Das ist eine Überraschung!“ kam er auf mich zu. Seine Augen strömten über, als er mich fest in die Arme schloss. Es war eine emotionale Wiedervereinigung zweier Freunde.
Er trug Jeans und eine weiße Kurta. Es entging mir nicht, dass seine Kleidung muffig roch. Sie roch nach Gefängnis. Wenn man bedenkt, dass er vor neun Monaten noch ausschließlich nach Drakkar Noir, Armani und Eternity geduftet hatte... Er liebte es, immer eine Kollektion von Duftwassern zu besitzen und sie dann an seine Freunde zu verschenken.
Es fiel mir auf, dass er auch Schuhe trug. Gott sei Dank hatte er aufgehört, barfuß zu laufen – sein eigener kleiner Protest gegen das System. Er bemerkte meinen Blick und lächelte: „Ich trage seit zwei Wochen wieder Schuhe. Mir ist klar geworden, dass es das nicht wert ist, mir den Tod zu holen, wenn die Leute nichts als taube Ohren haben.“ Ich schaute noch einmal auf die Schuhe. Sie waren weit entfernt von den 6.000-Rupien-Reeboks und den 25.000-Rupien-Ballys, die er sonst an seinen Füßen gewohnt war.
Er ging zu seiner ersten Untersuchung. Dann kam er wieder heraus. Überraschenderweise war er bei bester Laune. Er lachte, er scherzte. Er wandte sich an eine seiner Bekannten, die ein wenig zugenommen hatte: „Iss weniger Süßigkeiten“, ermahnte er sie. „Und sieh zu, dass du abnimmst. Das ist nicht gesund.“ Dann ging er zu Rhea und blickte sie sehnsüchtig an. „Also, wo ist mein Brief?“ fragte er sie. Ich schäme mich nicht zu gestehen, dass ich lauschte. „Ich habe nur zwei Seiten geschrieben“, gestand sie. „Und ich 34 – hier!“, antwortete er. „Jetzt erwarte ich beim nächsten Mal aber 60 Seiten!“ Offensichtlich, so schloss ich daraus, schrieben sie einander jedes Mal 30 Seiten. Und sie bewahrten die Briefe auf als ein Symbol ihrer starken Liebe, die wie eine Frühlings-Rosenknospe im Frost blühte. Er ging in eines der Zimmer für eine weitere Untersuchung.
Ich musterte ihn genau. Langer, wilder, struppiger Bart. Das lange Haar ungekämmt und in dicken Zotteln. Nicht wie früher mit Luxus-Shampoos gewaschen. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen und eine Menge Gewicht verloren. Die meisten Muskeln rund um seine einst so straffe Taille waren leicht erschlafft. Das markante Gesicht sah abgehärmt aus, bewahrte jedoch noch immer das gute Aussehen des Stars, das Frauen auf dem gesamten Kontinent ohnmächtig werden ließ. Auch die Augen hatten ihr spitzbübisches Glitzern nicht verloren.
Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen, wie er es schaffte, seine Lebensgeister in Schwung zu halten. „Durch Meditation“, kam die prompte Antwort. „Ich meditiere viele Stunden täglich, und das ist das Einzige, was mir Kraft und Frieden gibt. Außer meiner Familie und meinen Freunden natürlich“ fügte er hinzu und warf einen Blick auf Rhea, die mit einer Freundin in der Nähe stand. „Ohne meine Meditationen wäre ich schon längst zerbrochen. Die Hinauszögerung ist tödlich und absolut unnötig. Auch mit der Lektüre der Stardust vertreibe ich mir die Zeit. Danke für all die Unterstützung, die ihr mir gebt. Das ist gut für meine Lebensgeister. Ich lache mich schief über all diese Berichte. Und ich brauche dieses Lachen, sonst fürchte ich, dass ich vergesse, wie das ist. Ich las diesen Artikel über mich: ‚Zerbricht Sanjay Dutt unter dem Druck?’, und ich beschloss, dass ich das nicht tun werde. Dann las ich den Artikel ‚Vergisst die Industrie Sanjay Dutt?’ und notierte im Geiste, mich an die zu erinnern, die zu mir gestanden haben. Ich lass mich nie wieder von Kriechern zum Narren halten. Und ich werde kein Tor mehr sein.“ Er verschwand zu einer weiteren Untersuchung. Zwischen all den Untersuchungen befasste er sich abwechselnd mit Rhea und mir und versuchte dabei, aus jeder ihm zur Verfügung stehenden Minute so viel herauszuholen wie nur möglich.
„Lesen ist gut“, sagte er zu mir. „Ich lese alles, was ich in die Finger kriege. Und ich habe begonnen, viel zu schreiben. Kleine Notizen an meine Freunde und Familie. Kleine ermutigende Briefe, damit sie guten Mutes bleiben und nicht den Glauben verlieren.“ Und da war ich wirklich erstaunt. Hier war ein Mann, der Aufmunterung nötig hatte und der stattdessen selber andere aufmunterte. Was für ein Mann!
Plötzlich fragte er mich: „Wie gut machen sich all die anderen Schauspieler?“ Sehr gut, sagte ich. Er blickte zu Boden. „Werde ich wohl ein Comeback machen können, jetzt, wo all diese Jungen etabliert sind? Denn die sind wirklich alle gut.“ Ja, aber, beschloss ich ihn aufzumuntern, die Tatsache blieb unverändert, dass Sanjay Dutt Sanjay Dutt war. Der Star Nummer 1 zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung. Und die Inhaftierung hatte einen Märtyrer aus ihm gemacht. Einen Halbgott. Nichts würde ihn jetzt mehr aufhalten können bei seinem Sturm zum Ruhm, der ihn auf den Platz zurückkatapultieren würde, der ihm zustand – den Gipfel. Er hatte Tränen in den Augen.
Ich erzählte ihm, wie Andolan einen unfassbaren Starterfolg verzeichnet hatte nur wegen des Deadly Dutt. Und wie Sultan Ahmed einen hohen Preis für den Vertrieb von Jai Vikraanta gefordert hatte und die Vertreiber diesen akzeptiert hatten – nur wegen Sanju. Ein sicheres Zeichen für Superstartum. Sein Gesicht leuchtete auf, und er ergriff mich an meinen Schultern: „Ich hoffe es. Auf jeden Fall, vielen Dank für alles. Daran werde ich mich immer erinnern. Es hat Wunder bewirkt für meine Moral.“ Seine Stimme versagte ihm beinahe vor Rührung.
„Komm mich bald wieder besuchen“, sagte er. „Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. Das würde nicht nötig sein. „Warum nicht?“ fragte er verblüfft. Weil, so erwiderte ich, ich absolut sicher war, dass er noch vor seinem nächsten Routine-Check draußen sein würde. Er brach in lautes Lachen aus. Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit hörte ich ihn wieder lachen. Ich fuhr fort: „Und solange dir dann danach zumute ist, nimm dir eine Auszeit von drei oder sechs Monaten und schmeiß dich dann wieder mit vollem Elan auf die Arbeit. Stell es dir einfach mal vor!“ Er war stärker, als ich dachte. „Sechs Monate? Auf gar keinen Fall, Mann. Nur ein Monat Ruhe und Training, wenn ich rauskomme, und dann springe ich wieder ins Arbeitsleben. Und dann wartet nur ab!“ Toi-Toi-Toi.
Es wurde Zeit zu gehen. Alle erforderlichen Untersuchungen waren durchgeführt worden. Er umarmte mich erneut. Jetzt strömten ihm die Tränen über die Wangen. „Ich bin wirklich gerührt. Danke. Danke nochmals. Vielen Dank!“ Er hielt Rhea noch einmal kurz in den Armen, lächelte tapfer und wandte sich ab. Das Aufgebot führte ihn hinaus. Zurück zum Gericht. Bevor es dann wieder in jene düstere Zelle ging.
Inzwischen hatte es sich herumgesprochen, dass SANJAY DUTT sich in dem Krankenhaus befand. Draußen wartete ein massives Fan-Aufgebot einschließlich aller sich gerade in dem Krankenhaus befindlichen Menschen. Ich folgte in weitem Abstand, als er in den blauen Polizeiwagen geführt wurde. Wie ein hinter Maschendraht gefangenes Tier spähte er heraus. Durch die winzige Lücke im Fenster streckte er seine Finger, hielt mit ihnen Rheas Finger. Er winkte allen zu. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung und brachte einen leuchtenden Star wieder in eine dunkle Zelle.
Auch mir standen Tränen in den Augen. Aber ich war glücklich über den Mut, den ich in Sanju gesehen hatte. Ungebrochen. Und mit himmelhoher Moral und Kampfgeist. Für beides ist es so wichtig, dass deine Freunde und deine Lieben um dich sind. Und positive Gedanken. Die Kraft von Gebeten wirkt immer.
Ich kehrte zurück in das Redaktionsgebäude. Froh und glücklich, meinen Freund getroffen zu haben. Überraschenderweise war ich nicht deprimiert. Sanjus Hoffnung und Lebensfreude hatten auf mich abgefärbt. Hoffnung ist ansteckend.
Und erst ganz am Ende meiner Gedanken stand die Sensation, dass ich Sanjay Dutt getroffen hatte. Die storysuchende Schnüffelnase in mir war vorübergehend ausgeschaltet. Es war ein Freund, der gerade von einer Begegnung mit Sanjay Dutt zurückgekehrt war.
(Omar Qureshi; Deutsch von Diwali)
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