The Telegraph, 3. Februar 2006
"I’ve no dad to run to with my problems"
Um fünf Uhr nachmittags, nachdem er die ganze Nacht lang gedreht hatte, spricht der Deadly Dutt in einem seiner seltenen Interviews, seinem ersten seit Monaten, mit Subhash K. Jha.
Jha: Zinda ist ein sehr wichtiger Film in Ihrer Karriere.
Sanjay: Warum sagen Sie das?
Jha: Sie können darin Verbindung zu sehr persönlichen, qualvollen Emotionen aufnehmen.
Sanjay: In gewisser Weise ja, ein wenig. Aber ich nehme lieber keinen Kontakt zu mir selber auf, wenn ich eine Rolle spiele. Das ist ein zu komplizierter Prozess für mich. Ich halte mich lieber an die Figur. Okay, ein paar Szenen in Zinda, wie zum Beispiel die in der Zelle, waren schon verstörend für mich. Aber insgesamt habe ich diesen gepeinigten und gequälten Mann von außen her gespielt.
Jha: Aber Ihre Vergangenheit wirkt sich doch sicher auf Ihre Gegenwart aus!
Sanjay (lacht): Sie kennen mich schon seit Jahren. Sie haben mich durch schwierige Zeiten gehen sehen. Ich habe beschlossen, den Kontakt zu meiner Vergangenheit komplett abzubrechen. In Zinda musste ich extrem emotional und dennoch vollkommen konzentriert sein. Es war eine sehr schwierige Rolle. Ich bewegte mich dabei auf einem sehr dünnen Grat. Ich hätte jederzeit abstürzen können. Ich habe mich bewusst bemüht, nicht durchzudrehen.
Jha: Die Gewalt schlägt einem gewaltig auf den Magen.
Sanjay: Sanjay Gupta und ich haben uns darüber stundenlang den Kopf zerbrochen. Jetzt, wo der Film gut läuft, denke ich, dass die Gewalt ihre Berechtigung gefunden hat. Ich glaube, sie war in dem Plot einfach notwendig. Wir hatten beschlossen, dass diese Gewalt sein musste. Wenn die Menschen sie akzeptiert haben, dann ist das eine Erleichterung für uns. Ich freue mich, dass die Leute bereit sind, Neues anzunehmen.
Jha: Ihr Publikum findet, dass Ihre Rollen nur von Ihnen gespielt werden können.
Sanjay: Ich fühle mich geschmeichelt. Und ich bin dankbar. Ich nehme mein sogenanntes Startum nicht ernst. Ich möchte einfach nur der sein, der ich bin, ungeachtet aller Höhen und Tiefen. Die Menschen lieben mich so, wie ich bin. Ich kann mich nicht verändern, um mich wie ein Star zu benehmen. Ich bin ein Typ, der voll und ganz mit dem Strom schwimmt. Ich hänge mit meinen ganz besonderen Freunden rum. Und die haben sich nicht verändert. Sanjay Gupta ist schon seit Jahren ein enger Freund. Ich habe in fast allen seinen Filmen mitgespielt. Von den sogenannten großen Bannern hat, denke ich, keines zu meiner Karriere beigetragen. Ich arbeite gerne mit Freunden. Nummer 1 oder Nummer 2 zu sein ist mir gleichgültig; ich bin Sanjay Dutt, und ich will der bleiben, der ich bin. Ich habe ein Publikum, dem ich sehr dankbar bin. Ich bin glücklich da, wo ich jetzt bin.
Jha: Gupta ist ja dank Ihrer permanenten Unterstützung zu einem der Großen in der Branche aufgestiegen.
Sanjay: Nicht wegen mir, yaar! Er ist sehr talentiert. Ich bin ihm dankbar, dass er mir Rollen wie in Kaante und Zinda gegeben hat. Ich stehe immer zu ihm. Und ich freue mich so sehr, dass er sich mit Zinda endlich selbst bewiesen hat.
Jha: Sie spielen heutzutage zunehmend Rollen, die Ihrem Alter entsprechen.
Sanjay: Tja, ich bekomme eben auch keine Rollen mehr, bei denen ich um Bäume herumtanzen muss. Ich bin jetzt 46, ist doch klar, dass ich da Rollen meines Alters spielen muss. Es ist sehr wichtig für einen Schauspieler, sein Alter zu akzeptieren. Sobald er das tut, fängt er an, als Schauspieler zu wachsen. Ich denke, ich habe mein Alter in meinen jüngsten Filmen wie Parineeta und Zinda akzeptiert, ebenso bei diesem Cameo in Shaadi No. 1.
Jha: Aber warum eine Nebenrolle neben Saif Ali Khan in Parineeta?
Sanjay: Ich will Sie nicht belügen. So wie Sanjay Gupta und Mahesh Manjrekar gehört auch Vidhu Vinod Chopra für mich quasi zur Familie. Zu Vinod kann ich niemals nein sagen. Er ist wie ein älterer Bruder. Ich habe ihm gesagt, dass ich in jedem seiner Filme dabeisein will, und wenn ich nur einmal kurz über die Szene laufe. Ich weiß, dass Vinod mich niemals ausnutzen wird.
Jha: Aber viele Menschen fanden, dass man in Parineeta zu wenig von Ihnen gesehen hat.
Sanjay: Aber Saifs Rolle hätte ich nicht spielen können. Ich messe nie die Länge meiner Rollen. Ich spiele sie für Freunde, Familie... ich folge da ganz und gar meinem Herzen. Manchmal werde ich auch verletzt. Aber mein Herz enttäuscht mich nie.
Jha: An welchen Filmen arbeiten Sie im Moment?
Sanjay: Ich mache das Sequel zu Munnabhai mit Raju Hirani. Dann ist da eine sehr nette Komödie mit Abbas-Mustan, in der Ajay Devgan mein Co-Star ist. Ich habe die Anzahl meiner Verpflichtungen stark reduziert. Vielleicht mache ich in diesem Jahr auch noch einen Film mit Sanjay Gupta. Ich möchte immer nur einen Film auf einmal drehen.
Jha: Was planen Sie als nächstes mit Sanjay Gupta?
Sanjay: Im Moment ist noch nichts entschieden. Wir haben gerade den ganzen hektischen Zinda-Release hinter uns. Wir konnten in Bihar keinen Vertreiber bekommen... Wir konnten noch gar nicht in Ruhe über unser nächstes Projekt sprechen. Nun, da Zinda ein Hit ist, werden wir etwas noch Unerwarteteres machen.
Jha: Wird das Munnabhai-Sequel ebenso gut wie das Original?
Sanjay: Es wird sogar noch besser. Es ist so heiter und gefühlvoll! Ich finde, Munnabhai ist die Mother India meiner Karriere, und ich bin jetzt seit 25 Jahren in der Filmindustrie. Raju Hirani ist so ein großartiger Regisseur und absolut unverdorben. Er macht Filme nicht wegen des Geldes, sondern weil er das Filmemachen liebt. Nach einem solchen Riesenhit wie Munnabhai hätte er 15 Filme drehen und ein Vermögen verdienen können. Stattdessen macht er einen weiteren Film für Vidhu Vinod Chopra. Raju wohnt noch immer in dem selben kleinen Apartment in Bandra (Ost). Ich bin stolz darauf, mit ihm in Verbindung zu stehen.
Jha: Was spielen Sie in dem Sequel?
Sanjay: Die gleiche Rolle, mit den gleichen Kollegen. Ich bin Munnabhai, aber es ist eine komplett andere Story.
Jha: Sie haben vor kurzem Ihren Vater verloren...
Sanjay: Ich habe nicht das Gefühl, dass er fort ist. Er starb so plötzlich, ich musste mit einem Schlag erwachsen werden. Ich habe zwei jüngere Schwestern und empfinde mich als ihr Vater. Ich habe jetzt keine Entschuldigung mehr, weiterhin ein Kind zu bleiben. Ich habe keinen Dad, zu dem ich mit meinen Problemen rennen kann. Er war in jeder Krise da, um mir herauszuhelfen. Manchmal, wenn ich mit meinen Schwestern zusammensitze, wird uns schlagartig bewusst, dass er nicht mehr da ist.
Jha: Möchten Sie denn in die Politik gehen, so wie Ihr Vater und Ihre Schwester?
Sanjay: Niemals. Ich verstehe nichts von Politik. Ich werde immer nur Filme drehen und die Menschen damit glücklich machen.
Jha: Ihre legalen Probleme dauern weiterhin an...
Sanjay: Ich habe das jetzt völlig in die Hände des Schicksals gelegt. Ich habe in meinem Leben niemanden verletzt und niemandem geschadet. Gott ist groß. Eines Tages wird mir Gerechtigkeit widerfahren. Wenn ich nur dasitze und darüber nachdenke, dann beeinträchtigt das meine Arbeit. Ich überlasse jetzt alles Gott.
Jha: Wie können Sie arbeiten bei so viel Stress?
Sanjay: Ich benutze Arbeit als Therapie. Ich gehe ins Fitness-Studio. Ich gehe mit Freunden aus oder sitze einfach nur mit meiner Familie zusammen... bei einem gelegentlichen Dinner.
Jha: Wie oft sehen Sie Ihre Tochter Trishala?
Sanjay: Ich stecke mitten in einem Gerichtsverfahren. Ich kann nicht ständig Genehmigungen beantragen, das Land verlassen zu dürfen. Sie besucht mich, wenn sie Ferien hat. Ich besuche sie, wenn ich kann.
Jha: Waren die Szenen mit der Tochter in Zinda verstörend für Sie?
Sanjay: Nein. Es hat keinen Sinn, mit oder in der Vergangenheit zu leben. Es bedarf vieler Anstrengungen, um nach vorne zu schauen und weiterzumachen. Aber ich habe es getan.
Jha: Die Bachchans mögen Sie sehr gerne.
Sanjay: Abhishek ist wie ein jüngerer Bruder. Obwohl er der Sohn von Amitji und Jayaji ist, ist er völlig auf dem Boden geblieben. Diese Eigenschaft wird ihn weit bringen. Als seine ersten Filme schiefgingen, war ich der einzige, der gesagt hat, dass Abhishek ein stilles Wasser ist – und die sind bekanntlich tief. Heute bin ich so stolz auf ihn. Er hat wirklich großartige Filme an der Hand. Ich werde immer sauer, wenn er dämliche Rollen spielt.
Jha: Das machen Sie doch auch!
Sanjay: Ich bin ja auch schon seit 25 Jahren dabei. Ich kann es mir leisten, dämliche Rollen zu spielen.
Jha: Abgesehen von Abhishek, wen mögen Sie noch unter den jüngeren Schauspielern?
Sanjay: Durch unsere Zusammenarbeit in Zinda habe ich gemerkt, wie gut John Abraham ist. Auch Hrithik ist ein guter Schauspieler. Aber er macht so wenig.
Jha: Wer hat das Potential, Ihr Nachfolger als Sanjay Dutt zu werden?
Sanjay: Ich weiß es nicht. Wissen Sie es?
(Subhash K. Jha; Deutsch von Diwali)
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