Sonntag, 30. November 2008

Kidnap (2008)

Zur Story: Sonia (Minissha Lamba), die Tochter des arroganten Vikrant Raina (Sanjay Dutt), des reichsten Mannes von Indien, der seit zehn Jahren getrennt von seiner Familie in den USA lebt, wird von Kabir Sharma (Imran Khan) entführt. Kabir besteht darauf, über ihr Schicksal nur mit Vikrant persönlich zu verhandeln. Zu Vikrants Verblüffung will der Entführer kein Lösegeld, sondern er verlangt von Vikrant die Erfüllung mehrerer Aufgaben; jede davon, so Kabir, würde ihn Sonia näher bringen. Während Sicherheitsspezialist Irfan (Rahul Dev) das Haus der Rainas rund um die Uhr überwachen lässt und Sonias Mutter Mallika (Vidya Malavade) und Großmutter (Reema Lagoo) nichts tun können als warten, wird Vikrant bald klar, dass es zwischen dem Entführer und ihm eine Beziehung geben muss...

Sanjay Gadhvi plante diesen Film bereits seit vielen Jahren – noch bevor er mit den beiden Dhoom-Filmen berühmt wurde. "Schuld" daran, dass Kidnap nicht schon früher gedreht wurde, war Sanjay Dutt, den Gadhvi unbedingt für die Hauptrolle haben wollte, der jedoch, als ihm der selbstherrliche Multibillionär zum ersten Mal angeboten wurde, bis 2004 ausgebucht war und keine Termine frei hatte. Erst Anfang 2007 konnte Gadhvi endlich mit der Verwirklichung seines Wunschprojekts beginnen. Profiteur dieser Vertagung war der junge Imran Khan, den Gadhvi nunmehr für seinen Film engagierte, noch bevor Imran mit Jaane Tu Ya Jaane Na ein sensationelles Filmdebüt hinlegte. In gewisser Weise erlebte Sanjay dadurch ein Mission-Kashmir-Déjà-Vu: Erneut wurde er mit einem Newcomer zusammengecastet, der während der Dreharbeiten durch seinen Debütfilm schlagartig zum Flavour of the Moment wurde und dadurch am Ende mehr Aufmerksamkeit auf sich zog als Sanjay selbst – was diesen jedoch einmal mehr nicht störte: Bereitwillig ließ er seinem jungen Kollegen den Vortritt, und Imran war des Lobes voll über die Hilfsbereitschaft Sanjays ihm gegenüber und die gute Zusammenarbeit mit ihm.

Einen gewaltigen Rückschlag erlitt die Produktion durch die zwischenzeitliche Verurteilung und Inhaftierung Sanjays; mehrere Monate mussten die Dreharbeiten unterbrochen werden, und niemand wusste, ob und wann es mit dem Film weitergehen würde. Als Sanjay schließlich auf Kaution frei kam, drehte er zuerst EMI fertig und danach Kidnap. Ähnlich wie seinerzeit Mahaanta ist somit auch Kidnap ein Vor-und-nach-der-Haft-Film geworden – wenn auch die Veränderungen an Sanjay diesmal nicht ganz so krass waren wie bei Mahaanta, wo die Unterbrechung doch zwei Jahre gedauert hatte und Sanjay vorher in strahlender Bestform gewesen war. Bei Kidnap sieht man ihm von Anfang bis Ende an, dass der Film in der Zeit seiner schwersten persönlichen Krise entstanden ist; das monatelange qualvolle Warten auf sein Urteil und die anschließende Gefängnishaft gingen nicht spurlos an ihm vorüber. So übergewichtig und teilweise regelrecht müde wirkend hat man ihn auf der Leinwand nicht einmal zu seinen schlimmsten Drogenzeiten in den 80ern erlebt.

Und dennoch ist Sanjay gut in dem Film, auch wenn er nicht mehr alle Action-Szenen selber macht. Das arrogante Billionär-Arschloch nimmt man ihm ebenso ab wie den besorgten Vater, der für seine Tochter bereit ist, bis zum Äußersten zu gehen. Sanjay Gadhvi erzählte im Vorfeld des Filmes, er habe sich für Sanjay als Vikrant Raina entschieden, nachdem er ihn in der TV-Show Jeena Isi Ka Naam Hai im Gespräch mit seiner von ihm getrennt lebenden Tochter Trishala erlebt und dabei die Sehnsucht, Sorge und Liebe in Sanjays Augen gesehen hatte. Sanjay wiederum stellte sich am Set meist vor, wie es ihm ergehen würde, wenn Trishala das Opfer einer Entführung würde, und so gelang ihm am Ende doch ein eindringliches Rollenporträt, trotz einiger Durchhänger, die sowohl seinem mentalen Stress geschuldet sein mögen als auch den Schwächen des Drehbuchs, die den Gesamtgenuss des Filmes teilweise erheblich trüben.

Dennoch – und obwohl relativ bald klar wird, worin das Band zwischen Vikrant und Kabir besteht – ist Kidnap ein insgesamt spannender Film geworden, weil viele Wendungen doch nicht ohne weiteres vorhersehbar sind und man sich fragt, wie weit dieser Vater gehen wird, um seine Tochter zu retten; denn Kabir verlangt von ihm buchstäblich Verbrechen bis hin zu einem Mord. Imran Khan fand offenbar Vergnügen an der Bad-Boy-Rolle, aber auch seine Darbietung war, wie die von Sanjay, durchwachsen. In emotionalen Szenen (vor allem wenn man daneben Sanjay sieht, in dem alles nur so arbeitet) fehlt ihm noch manches. Allerdings steht dieser Junge noch ganz am Anfang seiner Karriere, und Talent hat der Neffe von Aamir Khan ohne Zweifel. Man darf auf seine weitere Entwicklung gespannt sein.

Neben Rahul Dev (solide Darbietung) und Reema Lagoo (verschwendet) lag ein Hauptaugenmerk auch auf den beiden Damen Malavade und Lamba. In vielen Kritiken wurde gemäkelt, Vidya sähe zu jung aus, um als Minisshas Mutter durchzugehen. Ich würde ja eher sagen, dass das Problem weniger Vidyas als vielmehr Minisshas Schuld ist, die etwas zu alt aussieht für eine 18-Jährige (trotz Bikini-Figur) und auch nicht unbedingt eine schauspielerische Glanzleistung abliefert. Da kaufe ich eher der nur wenige Jahre älteren Vidya die schicke und elegante Mutter ab. Die Szene, in der sie und Sanjay einander wieder näherkommen (einschließlich eines fast verlegenen Kusses) war von Gadhvi kurzfristigst noch aus dem Film herausgeschnitten worden und ist – trotz seiner gegenteiligen Ankündigung – nun auch nicht auf der DVD enthalten. Was sehr schade ist, denn es ist eine berührende kleine Szene – in der in Deutschland gezeigten Kinofassung war sie noch vorhanden –, die der Dramaturgie des Filmes definitiv nicht geschadet hat.

An den Kinokassen wurde Kidnap ein unerwarteter Flop. Vielerorts hieß es, der Film sei langweilig – eine Ansicht, die ich nicht teilen kann. Okay, Kidnap ist kein Meisterwerk, aber er ist unterhaltend und teilweise durchaus spannend. Und auch wenn Sanjays Leistung stellenweise nur durchwachsen ist, so sind da doch zwei Paradeszenen, für die allein ich den Film schon auf keinen Fall missen möchte. Zum einen seine Szene mit Imran vor dem Kruzifix – was spielt sich da nicht alles an Emotionen in Sanjays Gesicht ab! Und zum anderen die Szene, in der er eiskalt einen jungen Mann verurteilt: "I'll make sure he's never bailed out... He deserves to be put behind bars... He has committed a crime and he is a criminal!" Ich vermag mir nicht vorzustellen, was er bei diesen Worten empfunden haben muss – seine eigene Verurteilung, Inhaftierung und Abstempelung zum Kriminellen vor Augen! Die Produktionsfirma Shree Ashtavinayak mag ähnlich empfunden haben wie ich; sie bedankte sich kurz vor der Filmpremiere mit einem ungewöhnlichen offenen Brief in Form einer Anzeige in der Times of India bei Sanjay für seinen Einsatz, den er trotz seiner ungeheuren persönlichen Probleme für Kidnap geleistet hat.

Produktion: Shree Ashtavinayak Cine Vision Ltd; Regie: Sanjay Gadhvi
142 Min.; DVD: Indian Films, englische UT (inkl. Songs); Special Features: Mit Jaaye Remix, Making Of Kidnap

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Pressekonferenz

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