Samstag, 28. Juli 2007

Ciné-Blitz 7/1998: Sunil Dutt über Sanjay

Ciné-Blitz, Juli 1998

„Meine Beziehung zu Sanjay hat gelitten...“
Sunil Dutts herzergreifendes Interview!


Keine Freundschaft oder Liebe gleicht der eines Vaters zu seinem Kind. Und wer kann sich den Schmerz und die Qualen eines Vaters vorstellen, der sein Kind wieder und wieder leiden sehen muss? Sunil Dutt war der Leidtragende bei jeder Tragödie, die seine Familie traf. Zuletzt war es Sanjays TADA-Fall, der ihn zerbrach. Obwohl er sich nach außen tapfer gibt, kann selbst er nicht leugnen, dass irgendwo ein Teil von ihm gestorben ist. Nicht wegen der Anschuldigungen gegen Sanjay, sondern wegen der Demütigung, der seine Familie sich unverdienterweise ausgesetzt sah. Und nun muss sie auch noch um das Sorgerecht für Sanjays Tochter Trishala kämpfen...

Wie hat sich das alles auf den Dutt-Clan ausgewirkt? Inwieweit haben ihre Beziehungen gelitten? Wie kämpft Sanjay seinen Kampf aus? Welcher Art sind ihr Leid und ihre Schmerzen? Und nicht zu vergessen: Ist Sanjay heute ein anderer als zuvor? Wer kann diese Fragen besser beantworten als der Mann, der Sanjays Stütze und Stärke war und ihn wahrscheinlich besser kennt als jeder andere?

Ciné-Blitz präsentiert Sanjay Dutt aus der Sicht seines Vaters Sunil Dutt.


Wunden verheilen, aber manchmal hinterlässt der Schmerz Narben, die nie entfernt werden können. Die Erinnerung daran verfolgt und verbittert uns. Sunil Dutt bildet da keine Ausnahme. Was ihn von den anderen abhebt, sind seine immense Liebe zu den Menschen und sein fester Glaube an Gott, die sein Leben lang seine treibende Kraft gewesen sind.

Viele Menschen sehen in der Dutt-Familie eine Zielscheibe der Tragödie. Doch von der anderen Seite aus gesehen zeigt sich ein ungeheurer Kampfgeist in jedem einzelnen Familienmitglied, der sie aus schwierigen Zeiten stets noch stärker hervorgehen lässt. Seien es Nargis’ und Richa Dutts Krebserkrankung, Sanjays Drogensucht oder sein TADA-Fall. Und derjenige, der stets am meisten getroffen wurde und dennoch nie die Hoffnung verlor, ist auch der Mann hinter Sanjays Stärke – Sunil Dutt. Wir fragen ihn, woran er heute denkt, wenn er Sanjay ansieht. Erwartet er die Ruhe nach dem Sturm?

„Jeder Vater hat einen Traum für seine Kinder, und ich hatte große Träume für Sanjay. Als er seinen Wunsch äußerte, zum Film zu gehen, war ich nicht sonderlich begeistert, ich hatte das Gefühl, es sei noch zu früh. Ich wollte, dass Sanjay zuerst sein Studium abschließt. Ein Schauspieler sollte nicht nur auf der Leinwand wirken, sondern auch seine Landsleute repräsentieren. Er sollte sich selbst und die Werte in seinem Leben zum Ausdruck bringen können. Das macht ihn reicher, als Schauspieler wie auch als Mensch. Als Sanjay jedoch darauf bestand, sagte ich zu ihm: ‚Ich möchte nicht, dass du einfach nur ein Schauspieler bist. Ich möchte, dass man sich an mich als an Sanjay Dutts Vater erinnert. Wenn du die Identität sowohl deines Vaters als auch deiner Mutter in den Schatten stellst, dann bin ich glücklich.’ Ich habe ihn anderthalb Jahre lang hart trainieren lassen, und als er soweit war, machte ich Rocky. Doch meiner Ansicht nach blieb der Film unvollendet. Er ließ sich sehr gut an, doch dann leider, mitten unter den Dreharbeiten, erkrankte Mrs Dutt, und da ich bei ihr in Amerika war, wurde der Film in meiner Abwesenheit fertiggedreht und geschnitten. Alle, einschließlich meiner Produzenten, waren kooperativ und sahen ein, dass ich nicht in der geistigen Verfassung zum Schauspielen oder Regieführen war. Raj Khosla, ein lieber Freund von mir, stellte den Film fertig. Als ich zurückkam, war ich nicht sehr glücklich über das Ergebnis, zumal da es das Debüt meines Sohnes war. Ich sagte ihnen, sie sollten mich nicht als Regisseur nennen, aber später gab ich nach. Bei all der Spannung, unter der ich damals stand, die Krankheit meiner Frau, die Zukunft meines Sohnes, da wollte ich den ersten Film meines Sohnes nicht auch noch irgendwelchen Kontroversen aussetzen. Aber der größte Schock stand uns noch bevor. Kurz vor der Premiere des Filmes wurde meine Frau aus Amerika in das Breach Candy Hospital gebracht, und sie wollte unbedingt bei der Premiere dabeisein, und wenn wir sie dafür auf einer Trage ins Kino hätten bringen müssen. Ich versprach, ihr diesen Wunsch in jedem Fall zu erfüllen, und hatte sogar schon den Krankenwagen organisiert. Die Premiere war am 7. Mai (1981), aber leider starb sie am 3. Mai. Dennoch besuchten wir die Premiere und ließen dabei einen Platz für Mrs. Dutt frei. Das wäre für jeden jungen Mann, dessen Zukunft gerade erst begonnen hatte, der größte nur denkbare Schock gewesen – den geliebten Menschen zu verlieren, mit dem er diesen Augenblick des Stolzes, der Freude und des Glücks hatte teilen wollen.

Einige Menschen sind stark genug, solche Schocks zu verkraften, andere nicht. Sanjay wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er wusste nicht, ob er sich über seine Karriere freuen oder ob er trauern sollte. Seine Träume waren zerstört! Obwohl sein Einstand gut war, so glaube ich doch, dass unsere Popularität in gewisser Weise gegen ihn gearbeitet hatte. Als Sohn von Nargis und Sunil Dutt erwarteten die Leute Wunderdinge von ihm. Darüberhinaus war Nargis’ Tod auch für das Publikum ein Riesenschock. Als ich in Delhi war, hörte ich die Leute den ‚armen Sanjay’ bemitleiden. Sie genossen nicht seine Darbietung, sie fühlten mit ihm.

Später nahm er immer mehr Drogen, und jeder weiß, wie wir für ihn gekämpft haben. Ich habe alle meine Arbeit beiseite gelegt, um ihm zu helfen, von dem Zeug loszukommen. Was ich an dem Jungen so bewundere, ist, dass er erkannt hat, dass er sich selber helfen musste. Und was ich außerdem bewundere, ist, dass er, als er zurückkam, nie zu einem Produzenten gegangen ist und um Arbeit gebettelt hat. Ich klopfe mir selber auch ein wenig auf die Schulter, weil ich ihm damals gesagt habe, dass ich nicht noch einmal einen Film für ihn machen würde (lacht). Ich sagte ihm, er müsse für die Wiederbelebung seiner Karriere selber sorgen, und das tat er dann auch. Jaan Ki Baazi war zwar kein großartiger Film, aber seine Leistung darin wurde anerkannt, und von da an blickten wir nur noch nach vorne – bis dann die TADA-Sache passierte. Er spielte damals in der Top-Liga, nicht nur in Sachen Popularität, sondern wirklich auch als Darsteller. Er hatte sich seinen Platz gesichert – und dann geschah diese Tragödie. Ich warte noch immer darauf, dass mein Traum in Erfüllung geht, und ich bin sicher, dass Sanjay ganz nach oben zurückkehren wird.

Das Schöne an Sanjay ist, dass er sich immer gut in seine Umgebung einfügt. Er hat keinerlei Star-Allüren. Hätte er kein Geld, dann würde es ihm nichts ausmachen, auf dem Boden zu schlafen. Diese Einstellung hat ihm geholfen, die fünfzehn Monate im Gefängnis zu überleben. Jeder andere an seiner Stelle wäre längst gestorben. Ich kann gar nicht ausdrücken, welchen Demütigungen er ausgesetzt war... So ein großer Star des Landes, und wird in Handschellen an alle möglichen Orte verfrachtet! Selbst im Krankenhaus war er mit Handschellen ans Bett gefesselt, und sechs bewaffnete Polizisten saßen um ihn herum. Nach dem Gesetz dürfen Angeklagte gar nicht mit Handschellen gefesselt werden, sondern nur solche, die von der Justiz schuldig gesprochen wurden. Aber Sanjay wurde gedemütigt! Sechs Monate saß er in einer acht Fuß [ca. 2,50 m] großen Zelle. Ich habe keine Ahnung, wie er es darin ausgehalten hat... (Sunils Augen werden feucht) Ich stellte mir vor, an seiner Stelle zu sein, und fragte mich, ob ich die Situation mit der gleichen Stärke hätte auskämpfen können wie er.

Es gab Momente, in denen ich mich nicht mehr beherrschen konnte – aber Sanjay schon. Er weinte nie in meiner Gegenwart, obwohl er es ganz bestimmt getan hat, wenn er alleine war. Ich habe einmal in seiner Gegenwart geweint, als sie ihm zum ersten Mal Handschellen anlegten. In dem Augenblick hatte ich das Gefühl, dass alles, was wir mit unseren geringen Mitteln für unser Land getan hatten, sinnlos gewesen war. Ich musste zusehen, wie mein eigener Sohn vor meinen Augen mit Handschellen gefesselt wurde, und konnte nicht das Geringste dagegen tun. Aber ich werde niemals die Geste vergessen, mit der er damals reagiert hat. Er packte mich an den Schultern, lachte und sagte: ‚Papa, das ist reine Routine.’ Er umarmte mich und sagte dann zu dem Inspektor: ‚Na los, leg mir die Dinger an.’ Ich fühlte unendlichen Stolz in mir.

Als Mensch hat Sanjay gewisse Qualitäten, die nur ganz wenige Menschen verstehen. Es ist tragisch, wie leicht man in unserem Land als schlechter Mensch abgestempelt wird. Selbst wenn man irgendwann in frühen Teenagerjahren mal Drogen genommen hat, bleibt dieses Stigma ein Leben lang an einem haften. Besonders in der höheren Gesellschaft, die die menschliche Psyche nicht verstehen. Millionen Menschen machen in ihrer Jugend Fehler, von denen nie jemand erfährt. Nicht so bei Sanjay, der aus einer Familie kommt, deren Leben wie ein offenes Buch ist. Sanjays Tragödie ist, dass er vom Augenblick seiner Geburt an bereits bekannt war. Ein Prominentenstatus kann manchmal tragisch sein. Ich glaube, er hat schon in seiner Schulzeit ständig kämpfen müssen. Auch meine politische Karriere hat ihm bisweilen geschadet. Man hat eine Menge gegen ihn geschrieben, nur weil er der Sohn eines Kongressmitglieds war. Dabei hatte Sanjay nie etwas mit meiner politischen Laufbahn zu tun gehabt und niemals auch nur Wahlkampf für mich gemacht. Und dennoch wurde er zur Zielscheibe derer, die Groll gegen meine Partei hegten! Ich habe meinen politischen Einfluss nie für seine Filmkarriere eingesetzt. Wenn wir nichts von alledem gemacht haben und dann dennoch für unsere Ehrlichkeit bestraft werden, dann ist das wirklich tragisch.

Viele halten Sanjay für arrogant, aber das kommt daher, weil er in seiner eigenen Traumwelt lebt. Er hielt nie etwas davon, Beziehungen zu verheimlichen. Wenn er eine Freundin hatte, stand er offen dazu. Er hat jedes Mädchen respektiert, mit dem er sich traf. Er hat nie irgendwelche Kommentare über andere gemacht. Inwiefern also, bitte schön, ist Sanjay kein guter Mensch? Diese Dinge zieht niemand in Erwägung. Er hat beste Beziehungen zu jedem Schauspieler. Es heißt immer, dass Stars eifersüchtig aufeinander sind; aber Sanjay ist ebenso gut Freund mit Shahrukh wie mit Govinda und Jackie. Und zwar, weil er an sich selbst glaubt. Eifersüchtig ist man nur, wenn man kein Selbstvertrauen hat. Aber Sanjay weiß, wer er ist.“

Hat das Gefängnis Sanjay zynischer oder stärker gemacht? Welche Veränderungen beobachtet Sunil Dutt als Vater in Sanjay?

„Ich habe das Gefühl, dass eine Art Kampf in ihm tobt. Er ist mir gegenüber stiller geworden. Zwischen mir und meinem Sohn ist ein sehr großer Zwiespalt – nicht aufgrund von Differenzen, sondern von Gefühlen. Ich habe oft das Gefühl, dass ich der Grund dafür bin, dass mein Sohn bestraft wird. Und ich denke, ebenso wird er das Gefühl haben, dass er der Grund dafür ist, dass meine politische Karriere zum Stillstand gekommen ist. So fühlen wir beide füreinander, aber was können wir tun? Das gehört zum Leben, und wir müssen es nehmen, wie es ist. Das ist der Grund, weswegen er stiller geworden ist. Ich weiß, dass er sich meinetwegen schlecht fühlen muss wegen der Träume, die ich für ihn hatte, aber er kann seine Hilflosigkeit nicht ausdrücken. So wie auch ich meine Gefühle für ihn nicht ausdrücken kann, was ich durchmachte, als er im Gefängnis war. Wie ich oft mitten in der Nacht nach Thane fuhr und das Gefängnis umkreiste, nur um Sanjays Nähe zu fühlen und sicher zu sein, dass auch er meine Gegenwart spüren musste,“ sagt Sunil Dutt und wischt sich die Tränen fort. Gott allein weiß, wie oft sie ihm in jenen dunklen Nächten die Wangen hinuntergelaufen sein müssen. „Ich sagte ihm immer wieder: ‚Wann immer du dich einsam fühlst, dann spüre einfach, dass da lediglich eine Wand zwischen dir und mir ist’ und dass ich direkt neben dieser Wand sein würde, immer für ihn da! Wenn ich alles zusammenfasse, dann denke ich, dass die Heiterkeit aus unserer Familie herausgesaugt worden ist. Sogar meine Töchter sind nicht mehr so heiter wie früher. Wir zeigen das vielleicht nicht nach außen, aber das ist die Wahrheit. Eine gute Sache ist, dass wir von unserer Art zu leben nicht abgewichen sind. Unsere Prinzipien, Überzeugungen und unser Denken sind immer noch wie zuvor. Wir können nicht unsere Lebensideologien verändern, aber rückblickend empfinden wir alles als übermäßige Strafe für eine Familie, die sie nicht verdient hat.

Es war völlig selbstverständlich, dass Sanjay sich an den Hilfsaktionen für die Opfer der Unruhen beteiligte. Als er sah, wie ich die Initiative ergriff, empfand er es ebenfalls als seine Pflicht, Menschen in Not zu helfen. Auch heute wird er ganz bestimmt nicht vor solchen guten Taten zurückscheuen. Ich fühle für andere, weil ich seit den Tagen der Partition immer wieder Leid gesehen habe. Wir lieben Menschlichkeit, und deshalb betone ich immer wieder, dass, selbst wenn ein paar Menschen uns gefoltert haben, das nicht bedeutet, dass die gesamte Menschheit falsch ist. Wir müssen an die Millionen Menschen denken, die uns Liebe und Unterstützung gegegben haben. Ich habe noch all die Briefe und Bücher mit Bildern und Zeitungsausschnitten von Sanjay, die uns zugeschickt wurden, darunter mit Blut geschriebene Briefe, vor allem von Mädchen, die Sanjay damals ins Gefängnis geschrieben haben. Das bedeutet uns viel mehr als die paar Menschen, die uns gequält haben. Wir sind den Menschen unseres Landes sehr dankbar; wenigstens sie haben zu uns gehalten.

Nur wer den Schuh trägt, weiß, wo er drückt. Ich wollte, dass meine Kinder all das bekommen, worauf ich in meinen jungen Jahren verzichten musste, ob es nun die beste Ausbildung war oder die besten Autos. Vor allem für meine Töchter habe ich mir das gewünscht. Und sie dann stundenlang vor dem Gefängnis warten zu sehen, damit sie einen flüchtigen Blick auf ihren Bruder erhaschen können – das hat mir sehr weh getan. Kann man sich so eine väterliche Misere vorstellen? Es war uns nicht einmal gestattet, Sanjay zu umarmen, wenn er zum Gericht gebracht wurde. Diese Narben werden für immer in unseren Herzen bleiben.“

Da er für seine Kinder immer das Beste wollte, muss er auch Sanjays Gefühle für Trishala nachvollziehen können. Was ist mit dem jüngsten Verfahren, das Sanjay aufgezwungen wurde – das über das Sorgerecht für seine Tochter und die Aufhebung seiner Besuchsrechte?

„Über Trishalas Sorgerecht möchte ich nicht reden, da die Sache in den USA bereits verhandelt wird. Als Großvater des Mädchens wäre es nicht klug von mir, die Angelegenheit zu kommentieren. Sanjay ist der Vater, und seine Gefühle sind mit Sicherheit noch tiefer als meine. Er ist der richtige Mann, sich über diesen Fall zu äußern.“

Kam das nicht wie ein Schock für Sie?

„Wir haben in unserem Leben schon so viele Schläge erlebt, dass uns offenbar nichts mehr wirklich schockieren kann. Wir sind schocksicher geworden.“

Ist Sanjay sehr sensibel?

„Viele Dinge bleiben in ihm verborgen. Wenn Sie ihn analysieren, dann werden Sie das Gefühl haben, er habe seine Sensibilität ausgeschaltet. Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn man ein Problem hat, dann teilt man es mit anderen. Aber wenn man wieder und wieder von einer Tragödie nach der anderen geschlagen wird – wie viel kann man dann wirklich noch teilen? Kriegt man nicht eher irgendwann das Gefühl: Warum soll ich andere Leute in meine Leiden mit reinziehen? All das ist ihm widerfahren und hat ihn verschlossen. Aber er ist definitiv sensibel und gefühlvoll, auch wenn er es nach außen nicht allzu sehr zum Ausdruck bringt.“

Wie war seine Beziehung zu Sanjay vor dessen Inhaftierung?

„Es ist so, dass ich eine andere Art von Vater bin. Ich glaube nicht an das offene Zurschaustellen von Gefühlen, weder meine Kinder noch meine Frau betreffend. Meine Familie war immer meine oberste Priorität, und das war meine Art, ihnen zu zeigen, wie sehr ich sie liebe.“

Sunil Dutt war stets ein Stützpfeiler der Stärke für seine Familie, besonders für Sanjay. War umgekehrt Sanjay auch für ihn ein solcher Stützpfeiler in Zeiten, in denen er, Sunil, am Boden war?

„Diese eine Geste von ihm, als ich in seiner Gegenwart zusammenbrach, zeigt, wie sehr er mich liebt. Er konnte es nicht ertragen, mich in Tränen zu sehen; und das Gefühl, dass sein Vater nicht in der Öffentlichkeit weinen sollte, das ist Sanjays Liebe zu mir! Und das hat mir damals viel Kraft gegeben.“

Was hält er von Sanjay als Schauspieler?

„Ich finde, er ist einer der derzeit besten Schauspieler unseres Landes. Er hat sehr unterschiedliche Filme gemacht, und in allen war er überzeugend. Dushman habe ich noch nicht gesehen, aber man hat mir erzählt, dass seine Leistung darin sehr gut ist, auch wenn es nur eine kleine Rolle ist.“

Welche sind seine Lieblingsfilme mit ihm?

„Ich kenne nicht jeden einzelnen seiner Filme, aber ich fand ihn sehr gut in Sadak und auch in Thanedaar. Er ist ein sehr guter Komödiant, er hat ein gutes Gespür für Timing. Niemand hat bislang so recht die humorvolle Seite von Sanjay zur Kenntnis genommen. Er hat einen sehr feinsinnigen Komödienstil. Ich habe ihn nicht an den Sets beobachtet, aber mir wird immer wieder erzählt, dass er selbst mit den einfachsten Helfern, sei es der Beleuchter oder dessen Assistent, überaus freundlich umgeht. Er scherzt mit ihnen herum und verhält sich keineswegs wie ein Star. Dadurch gibt er den Menschen in seiner Umgebung das Gefühl, dass er einer von ihnen ist. Das ist auch der Grund, warum ihn niemand Sanjay saab nennt, sondern alle stattdessen Sanju baba zu ihm sagen! Er hat einen enormen Sinn für das Geben. Wenn er einen Film macht mit jemandem, der ihm nahe steht, dann fragt er nicht einmal nach, worum es in dem Drehbuch überhaupt geht. Das würde nicht einmal ich machen (lacht)! Er sorgt und kümmert sich sehr um seine Mitmenschen, so war er schon als Kind. Er war gerade mal acht Jahre alt, als wir einmal nach Delhi zu einer Hochzeit fuhren. Es war kalt draußen, und Sanjay trug seine neue Jacke. Auf unserem Weg zu dem Ort der Feierlichkeiten sah Sanjay ein paar Kinder, die vor Kälte zitterten. Er sagte seiner Mutter, dass er ihnen gerne seine Jacke schenken würde, und das tat er dann auch!“

Hat Sanjay seine Religiosität von seinem Vater?

„Ich glaube an Gott und an alle Religionen. Ich besuche Tempel, dargas, gurdwaras und Kirchen. In unseren schwierigen Zeiten sind wir überall hin gegangen, wozu uns von wohlgesinnten Menschen geraten wurde, und haben dort Trost gefunden, sei es Siddhivinayak, Haji Ali oder Tirupati. Sanjay ist ein gottesfürchtiger Mann. Im Gefängnis hat er regelmäßig das Hanuman Chalisa gelesen und wusste sein Durga-Gebet auswendig. Ich weiß allerdings nicht, ob er diese Gebete heute immer noch regelmäßig spricht, da er inzwischen sein eigenes Apartment hat und alleine lebt.“

Was hat er empfunden, als Sanjay Rhea in seiner Abwesenheit heiratete?

„Ich war damals gerade in Sachen Wahlkampf unterwegs und erfuhr aus der Zeitung, dass Sanjay geheiratet hatte. Er versuchte auch mehrfach, mich anzurufen, und als er mich dann endlich in der Leitung hatte, sagte er: ‚Papa, ich brauche deinen Segen.’ Ich antwortete ihm, dass mein Segen ohnehin immer mit ihm war. Ich war nicht böse oder sauer; schließlich ist Sanjays Glück alles, was ich mir wünsche. Im Gegenteil, der Junge verdient mein Kompliment; immehrin lebte er bereits mit Rhea zusammen, und er hat recht daran getan, sie zu heiraten.“

Aber war diese Entscheidung nicht zu plötzlich?

„Ja, er entscheidet immer sehr spontan. Aber warum soll Sanjay Dutt anders sein als andere? (lacht)“

Was mag er an Sanjay?

„Ich mag ihn ganz einfach! Mein einziger Traum ist, dass er sich seinen Platz erarbeitet als Mensch und als Schauspieler. Ich möchte, dass mich die Menschen überall als Sanjay Dutts Vater kennen.“

Es muss für ihn ein unvergesslicher Moment gewesen sein, die Trophäe für den Lifetime Achievement Award aus der Hand seines Sohnes zu erhalten.

„Als Sanjay noch im Gefängnis war, kamen bei einer Award-Verleihung Anil Kapoor und andere Stars auf die Bühne und sangen Sanjays Filmsongs. Ich war wahnsinnig gerührt, das war eine ganz liebe Geste, zumal ich gar nicht in der Stadt war. Einen solchen moralischen Schub konnten wir damals sehr gut brauchen, und ich habe den Organisatoren auch dafür gedankt. Und nach Sanjays Freilassung war es wirklich lieb von ihnen, Vater und Sohn zusammen auf die Bühne zu bringen. Das war in der Tat ein Augenblick, den ich nie vergessen werde.“

Als wir das Interview beendeten, sagte er lächelnd: „Ein so langes Interview habe ich noch nie gegeben. Ich denke, jetzt sollte klar geworden sein, was für eine Art Vater ich bin.“

Ja, Dutt saab. Einer, den sich jedes Kind nur wünschen kann!

(Ranjeeta; Deutsch von Diwali)

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