Samstag, 21. Juli 2007

Filmfare 5/1991: Strictly Personal - Sanjay Dutt über seinen Vater

Filmfare, Mai 1991

Strictly Personal - Sanjay Dutt über seinen Vater
„Als ich die Hand nach ihm ausstreckte, war er da“


Er war der eigensinnige Sohn, den Sunil Dutt schon fast aufgegeben hatte, als sich die Dinge plötzlich änderten. Sie entdeckten einander neu und bemerkten dabei, wie ähnlich sie sich sind.


Die Leute haben oft über unsere Beziehung spekuliert und mich dabei eher für Mamas Jungen gehalten; aber tatsächlich ist es mein Vater, der mich am meisten beeinflusst hat. Wir haben die gleichen Werte und Prioritäten. Wenn Dad einmal eine Entscheidung getroffen hat, dann rückt er auch nicht mehr von ihr ab; das ist bei mir genauso. Auch ist er sehr offen und geradeheraus und kann seine Ansichten vermitteln, ohne um den heißen Brei herumzureden. Er fordert Respekt, und ich denke, genauso bin ich auch.

Dad legte immer großen Wert darauf, uns von der Atmosphäre der Filmindustrie fernzuhalten. Selbst wenn wir mit auf eine Party gehen mussten, dann brauchten wir nur eine halbe Stunde zu bleiben und dann waren wir frei zu tun, was wir wollten. Er wollte ganz einfach nicht, dass ich ein Klugscheißer werde, ein arroganter Filmstarsohn, wozu es definitiv gekommen wäre, wäre ich zu Hause geblieben. Dad hatte das erkannt und deshalb beschlossen, mich nach Simla ins Internat zu verfrachten. Und an dieser Entscheidung hielt er fest, obwohl Mom entschieden gegen diese Idee war. Ich war ein verwöhnter Bengel, und er wusste: Wenn aus mir ein unabhängiges Individuum werden sollte, dann musste er mich fortschicken. Und wenn ich heute eines geworden bin, dann ist das einzig und allein seinem verantwortungsvollen Entschluss zu verdanken. Heute weiß ich, dass er seinerzeit recht gehandelt hat; aber damals, als er mich zwang, fortzugehen, habe ich ihn dafür gehasst. Ich begann mir selbst so leid zu tun, dass ich allen Ernstes den Verdacht hegte, ich sei nicht das leibliche Kind meiner Eltern. Vielleicht war ich adoptiert. Erst Jahre später begriff ich, dass es richtig von Dad war, mich fortzuschicken.

Er war immer ein strenger Vater, weil er nicht wollte, dass wir verzogen oder arrogant werden. Als er mich einmal dabei erwischte, wie ich einen Diener beleidigte, hat er mir gründlich die Meinung gegeigt. Dann erinnere ich mich an eine Tracht Prügel, die ich mit vier bekommen habe, als ich rauchte. Ich bin oft geschlagen worden, von beiden, Mom und Dad, und ich denke, ich habe es auch regelrecht herausgefordert. Dad meinte es wirklich ernst; falsch ist falsch, basta. Gut, meine Schwestern wurden nie verprügelt, aber die haben ja auch niemals die gleichen Dinge angestellt wie ich.

Priya war immer Dads Liebling. Sie kann mit ihm auf einem ganz anderen Level kommunizieren und dabei Dinge zu ihm sagen, die auszusprechen ich nicht mal im Traum wagen würde. Nicht aus Angst vor ihm, sondern aus schierem Respekt. Früher hatte ich Angst vor ihm, weil ich immer die falschen Dinge machte. Drogen, Alkohol, lange Nächte – alles nicht im Sinne von Dad, der mir ständig erklärte, unser Haus sei kein Hotel, und ich hätte gefälligst die Würde des Zuhauses zu respektieren.

In jener Phase war unsere Beziehung sehr angespannt. Ich hatte nicht die geringste Lust, in seiner Nähe zu sein, und wenn ich dann doch mal in Hörweite kam, schnauzte er mich an. Oder er redete einfach überhaupt nicht mit mir. In all diesen acht Jahren muss ich ihm eine Menge Kummer bereitet haben. Damals dachte ich eben, es ist mein Leben, also was soll’s, wenn ich es ruiniere.

Aber er machte sich Sorgen. Es schmerzte ihn, mir bei meiner Selbstzerstörung zusehen zu müssen. Und deshalb ließ er auch alles liegen und stehen, als ich ihm sagte, ich wolle davon loskommen, und stand mir bei. Er wollte mir dabei helfen, meine Schwächen zu überwinden. In all den Jahren ist er milder geworden. Als Kinder hatten wir noch Angst davor, ihn zu verärgern, aber heute kann Priya richtig frech zu ihm sein und kriegt trotzdem, was sie will. Als Anju in Amerika einen Kurs belegen wollte, hat er sich noch rundheraus geweigert, sie alleine dorthin fahren zu lassen, aber Priya durfte vor kurzem einen solchen Kurs absolvieren.

Was ich an Dad am meisten bewundere, ist, dass er, obwohl er schon so viel hat durchmachen müssen, immer standgehalten hat. Er lächelt nach wie vor, er wird mit allem fertig. Ein schwächerer Mann als er hätte womöglich begonnen zu trinken, aber er wusste, er musste für uns drei leben. Nach Mom’s Tod war er uns Mutter und Vater zugleich und hat sehr darauf geachtet, dass keiner von uns deswegen vernachlässigt wurde. Und dafür lieben wir ihn alle nur noch mehr. Auch früher schon war er immer für uns da. Immer wenn er von Außenaufnahmen zurückkam, selbst wenn es schon spät nachts war, dann weckte er uns auf, um mit uns zu spielen. Und wir wussten, dass er immer da war, wenn wir ihn brauchten.

Aber er ist leichtgläubig. Ständig wird Dad zum Narren gehalten, immer und immer wieder wird er aufs Kreuz gelegt. Ich wünschte, er würde das endlich merken und aufhören, sich so behandeln zu lassen. Er ist einfach ein zu guter Mensch und will anderen helfen, vor allem da er nun in einer Position ist, in der er das kann. Die Politik ist nach wie vor ein Stein des Anstoßes zwischen uns. Ich finde, er sollte es bleiben lassen. Er ist zu gut und zu ehrlich für die Politik. Er will Gutes für sein Land tun, aber er begreift nicht, dass das kein Ein-Mann-Job ist. Seit er in die Politik gegangen ist, steht er ständig unter Stress. Ich wünschte, er würde sich wieder auf das Filmemachen verlegen, also auf das, was er sein Leben lang gemacht hat.

Dad hatte nie etwas dagegen, dass ich Filmstar werde. Er hatte zwar großen Wert auf meine Studien gelegt, aber irgendwie gelang es mir, ihn zu überzeugen, dass in meinem Fall das College Zeitverschwendung war und dass er mich besser etwas machen lassen sollte, was der Mühe wirklich wert war. Und er muss gewusst haben, dass ich das Zeug dazu habe, mir als Schauspieler einen Namen zu machen, sonst hätte er mich nicht unterstützt.

Rocky wurde als mein Debütfilm produziert. Dad testete mich auf Herz und Nieren, und ich musste trainieren, bis er zufrieden war und mich für gut genug für einen Film hielt. Karate, Tanz, Dialoge sprechen – alles habe ich ausgiebig trainiert. Wäre ich ihm als Schauspieler nicht gut genug gewesen, dann hätte es auch keinen Rocky gegeben. Leider lief der Film nicht gut, aber damals spielte das für uns kaum eine Rolle, wir waren wie betäubt von dem Schock über Mom’s Tod – schließlich kam Rocky gerade mal drei Tage danach raus. Ich bin froh, dass wenigstens Dad noch miterleben kann, dass ich es geschafft habe. Endlich.

(Protokolliert von Meera Joshi; Deutsch von Diwali)

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