Zur Story: Zur Bekämpfung von Terroristen hat ACP Shamsher Khan (Sanjay Dutt) die Anti Terrorist Squad ATS gegründet und die Mitglieder dieser Spezialtruppe persönlich ausgewählt. Durch ihre nicht immer legalen Methoden stößt die ATS selbst bei der Mumbaier Polizei häufig auf Kritik. Derzeit hat sie eine Gangstergruppe im Visier, deren Anführer Maya Dolas (Vivek Oberoi) dabei ist, sich von seinem Boss in Dubai zu lösen und sein eigenes gnadenloses Regiment zu führen. Als Khan am 16. November 1991 endlich den Aufenthaltsort von Maya und seinen Kumpeln Buwa (Tushaar Kapoor), Fattu (Rohit Roy), RC (Shabbir Ahluwalia) und Doubling (Aditya Lakhia) im Swami-Building in Lokhandwala erfährt, lässt er das Gebäude von Polizeikräften belagern. Schon bald beginnt ein Feuergefecht zwischen 286 Polizisten und den Gangstern, das sich über sechs Stunden hinzieht und den Mumbaier Vorort in einen Kriegsschauplatz verwandelt. Doch anschließend sieht sich Khan einer abteilungsinternen Untersuchung ausgesetzt und der Verletzung von Menschenrechten sowie der Zusammenarbeit mit dem Dubaier Gangsterboss angeklagt. Anwalt Dhingra (Amitabh Bachchan) soll entscheiden, ob Khan und seine beiden Assistenten Inspector Kaviraj Patil (Suniel Shetty) und Constable Javed Shaikh (Arbaaz Khan) für das Blutbad in Lokhandwala zur Verantwortung gezogen werden müssen...
Sogenannte „encounter“, in denen es zu Schusswechseln zwischen Polizisten und Verbrechern kommt und die nicht selten seitens der Polizei nur vorgetäuscht werden, um tödlichen Schüssen auf angeblich flüchtende Kriminelle den Anstrich der Legalität zu verpassen, gehören offenbar zum Repertoire der Mumbaier Polizei. Nur wenige Tage vor dem Release von Shootout At Lokhandwala hatte wieder ein solcher Fall die Schlagzeilen gefüllt und zu Debatten über diese umstrittenen Polizeimethoden geführt und dem Film dadurch zusätzliche Brisanz und nicht vorhergesehene Aktualität verliehen – ganz im Sinne der Macher, die mit ihrem Film, der auf einer wahren Begebenheit basiert, Fragen weniger beantworten als vielmehr aufwerfen und Kontroversen auslösen wollten.
Das gelang ihnen auch – vor allem durch den Schluss, der in diesem Fall, da die historischen Tatsachen nun mal bekannt sind, ruhig vorweggenommen werden darf: durch den Freispruch Khans und seiner Assistenten vor Gericht. Ist es also richtig und legal, dass die Polizei im Kampf gegen Terroristen illegale Methoden verwendet? Sind Polizisten applauswürdige Helden, die mit der Anweisung „shoot to kill“ (Khan) ein Blutbad anrichten? Glorifiziert Shootout At Lokhandwala Polizisten, die sich über das Gesetz hinwegsetzen?
Nein. Lakhia hat getan, was er konnte, um den Freispruch, an dem er aufgrund der Fakten nun mal nicht vorbeikam, zumindest zu hinterfragen, stellt die Frage nach der Gerechtigkeit dieses Freispruchs ebenso wie die Frage, ob die Tötung der Gangster während des Shootouts gerecht war, und fordert das Publikum auf, seine eigene Entscheidung über recht und unrecht zu treffen. Anwalt Dhingra lässt während seiner Verhöre von Khan, Patil und Shaikh keinen Zweifel daran, dass die Männer der ATS für ihn keinen Deut besser sind als die Terroristen. Und seine Frage vor Gericht „wenn ein Mann mit einem Gewehr in Ihrem Garten steht, wer wäre Ihnen dann lieber: Maya, Buwa oder Shamsher Khan?“ ist in meinen Augen kein Plädoyer für Khan – vielmehr stellt Dhingra damit den ACP in eine Reihe mit den Gangstern (Sanjay reagiert ja auch entsprechend). Für mich ist das Finale keineswegs eine Rehabilitierung der Polizei, und hätte Amitabh in der Schlusseinstellung nicht gestrahlt wie ein frischgebackener Olympiasieger, dann wäre die Sache noch glaubhafter gewesen.
Das Blutbad in Lokhandwala, bei dem 1991 innerhalb von sechs Stunden 1.755 Kugeln abgefeuert wurden, ist ein Höhepunkt des Films und mitsamt seinen Gewaltexzessen grandios gefilmt. Zuvor bekommt der Zuschauer Gelegenheit, beide Parteien kennenzulernen – und keine davon wird in ein sonderlich vorteilhaftes Licht gestellt. Die Cops sind überwiegend kaputte Typen mit einem noch kaputteren Familienleben, und die Gangster sind unreife Jungs, die einfach nur leben und spielen wollen und sich dafür eben ausgerechnet das Erpressen und Killen ausgesucht haben. Sympathie kann man für keinen von ihnen entwickeln. Ebensowenig Mitleid – nicht mal, wenn die Jungs am Ende noch mitten im Kugelhagel Familienangehörige oder Liebste anrufen und tränenreich Abschied nehmen. Zudem werden selbst diese scheinbaren Versuche, die Gangster „menschlicher“ zu machen, umgehend ad absurdum geführt; wenn zum Beispiel Buwa seiner Tanu vorjammert, er hätte so gerne gelebt, bevor er sterben muss – heiraten, Kinder kriegen etc. –, und dann im gleichen Atemzug noch einmal daran erinnert, wie viele Menschen er umgebracht hat. Hat hier jemand Mitleid? Ich nicht.
Besetzt und gespielt ist der Film sehr gut, zum Teil sogar hervorragend. Sanjay Dutt gibt eine beeindruckende Vorstellung des knallharten ACP Khan (sein „historisches Vorbild“ Aftab Ahmed Khan, den er zu diesem Zweck genau studiert hat, wirkt in der Rolle des Commissioners Krishnamurty übrigens ebenfalls mit). Nicht weniger überzeugend ist Vivek Oberoi, der seine wohl beste Leistung seit Company abliefert. Amitabh Bachchan spielt seine kleine Rolle mit einem wohltuenden Schuss Sarkasmus und hat übrigens – ebenso wie sein Sohn Abhishek in der Winzrolle des Cops Abhishekh Matre – aus alter Freundschaft zum „Presenter“ des Filmes Sanjay Dutt für seinen Einsatz kein Honorar verlangt. Ach ja, und ein paar Frauen sind in diesem Actionfilm auch mit von der Partie, wobei Amrita Singh als Mayas Mutter spielend unter Beweis stellt, dass sie im kleinen Finger mehr Schauspieltalent hat als Diya Mirza (Reporterin), Aarti Chhabria (Tanu) und Neha Dhupia (Khans Frau) zusammen.
Zu tun haben sie nicht viel. Aber auch den männlichen Figuren hätte ein wenig mehr Persönlichkeitsentwicklung gut getan. Da hätte Lakhia besser auf einen oder zwei der unnützen Songs, die hier wirklich nur Füllselfunktion haben, verzichtet und dafür noch ein bisschen mehr Charakterzeichnung betrieben. Oder den Plot mit dem Dubai-Boss noch ein wenig mehr ausgearbeitet – wenn er schon den Fakt mit ins Spiel bringt, dass Khan beschuldigt wurde, bei dem Shootout in dessen Interesse bzw. Auftrag gehandelt zu haben, dann ist es geradezu unverzeihlich, dass er danach nie wieder darauf zurückkommt. Etwa aus Rücksicht auf den echten ACP Khan, den man ja quasi als Informationsquelle mit an Bord hatte – und von dem es seinerzeit durchaus auch hieß, er besuche Partys von Filmstars ebenso wie Partys von Mafia-Bossen?
Shootout At Lokhandwala wirft in der Tat eine Menge Fragen auf. Und ist von brennender Aktualität. Nicht nur in Indien, wo, wie gesagt, solche „encounter“ nach wie vor an der Tagesordnung sind (wenn auch seit 1991 nicht mehr in einem solchen Ausmaß wie damals in Lokhandwala). Sondern auch in Deutschland, wo derzeit ja u.a. darüber debattiert wird, ob man (potentielle) Terroristen vorsorglich abknallen darf oder nicht.
Produktion: Sanjay Gupta, Shobha Kapoor, Ekta Kapoor; Regie: Apoorva Lakhia
121 Min.; DVD: Rainbow, englische UT (inkl. Songs); kleine Info-Broschüre sowie Bonus-DVD mit Making of the Movie, Making of the Song, Interview of the Stars, Exclusive Premier Footage und Original Footage of Encounter Held in Mumbai 1991 By ACP A.A. Khan (die fünf Kapitel enthalten allerdings fast durchgehend immer das gleiche Material...)
P.S. Liz Mermin drehte mit Shot in Bombay einen Dokumentarfilm über die SOAL-Dreharbeiten. Hier meine Review zu dieser sehenswerten Dokumentation.
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