Filmfare, Juli 2005
„Er umarmte mich und sagte: ‚Mein Sohn, du verwöhnst mich.’“
Eine Woche nach dem Tod seines Vaters sprach Sanjay Dutt exklusiv mit der Filmfare
In den vergangenen paar Tagen war ich wie betäubt. Ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal geschlafen oder gegessen habe. Die Zeit vergeht, aber ich kann es immer noch nicht glauben, dass Dad nicht mehr da ist. Wenn mein Telefon klingelt, denke ich, dass vielleicht er es ist. Ich warte die ganze Zeit darauf, dass er bei mir zur Tür hereinkommt und „Sanju, Sanju!“ ruft. Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden, aber ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass ich über diesen Verlust jemals hinwegkommen werde.
Wir betrachten unsere Eltern immer als selbstverständlich. Wir denken, sie werden immer für uns da sein. Ich hatte mir niemals auch nur ansatzweise vorgestellt, Dad könnte einmal nicht da sein. Er war stets für seine Familie da, für jeden. Und für mich, ob während meiner Drogenphase oder während meiner Zeit im Gefängnis. Er stand felsenfest zu mir. Er war mein Stützpfeiler der Stärke. Wenn ich in meinen Krisenzeiten immer durchgehalten und weitergemacht habe, dann deshalb, weil er bei mir war.
In meiner Jugend hatte ich große Angst vor ihm und mied seine Gegenwart, weil ich offenbar alles immer nur falsch machte. Das war mir bewusst, und ich wusste, dass meine Art ihm nicht passte. Die Zeit nach Moms Tod ist für ihn ganz bestimmt nicht leicht gewesen, aber er hat es sich nie anmerken lassen. Er wurde zum emotionalen Rettungsanker für meine Schwestern Namrata und Priya und für mich.
Es waren all die Krisen, durch die ich nach dem Tod meiner Mutter ging, die Dad und mich einander nähergebracht haben. Zuerst war da mein Drogenproblem. Als ich ihm sagte, dass ich von meiner Drogensucht loskommen wollte, legte er all seine Arbeit beiseite und brachte mich ins Ausland. Als ich im Gefängnis war, besuchte er mich beinahe jeden Tag und hörte nie auf, mir zu versichern, dass alles gut werden würde.
Im vergangenen Jahr haben wir viel Zeit miteinander verbracht; unser Verhältnis war nunmehr richtig entspannt, und wir haben viel geredet. Er wollte in die Wohnung neben mir ziehen, und wir waren fleißig dabei, alles für ihn herzurichten. Ich war wirklich aufgeregt bei dem Gedanken, dass wir nun wieder zusammenleben würden. Aber dazu sollte es nicht mehr kommen.
Ich gehe im Moment immer wieder in die Wohnung, in die er einziehen wollte, und starre all die unausgepackten Kisten an. Und dann kommen mir jedes Mal die Tränen, und ich weine hemmungslos. Ich hatte ihm noch sieben richtig teure Weinflaschen als Willkommensgeschenk im neuen Heim besorgt, denn er liebte guten Wein. Und er hatte mich umarmt und gesagt: „Mein Sohn, du verwöhnst mich.“
Vier Tage vor seinem Tod war ich noch mit ihm in seinem alten Haus zusammengesessen und hatte mit Blick auf seine Schränke gesagt: „Dad, eines Tages werde ich alle deine Schränke plündern.“ Woraufhin er lächelnd erwiderte: „Brauchst du nicht, mein Sohn, das gehört doch alles sowieso dir.“ Ich war so bewegt, dass ich ihn spontan in die Arme schloss.
Mein letztes Gespräch mit ihm war am Abend vor seinem Tod. Er hatte leichtes Fieber, und ich rief ihn an und fragte, ob ich zu ihm kommen sollte. Er sagte nein, bat mich jedoch, am nächsten Tag um halb 11 Uhr vormittags vorbeizuschauen, und versprach außerdem, abends zum Dinner zu mir zu kommen. Wir redeten noch eine Weile, und dann ging ich zu Bett.
Das nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass Anju (Namrata) mich aufweckte: „Dad steht nicht auf.“ Ich nur, was meinst du damit, steht nicht auf – und dann flitzte ich zu seinem Haus und sah ihn schlafend in seinem Bett liegen. Er schlief oft mit leicht geöffneten Augen und mit den Händen auf seiner Brust, und genau so lag er da. Ich versuchte, ihn zu wecken, aber es kam keine Reaktion. Er war ganz friedlich und schmerzlos im Schlaf gestorben.
Dad war ein Mann des Volkes. Er wurde nicht nur geliebt, sondern auch respektiert. Wenn er einen Raum betrat, standen die Leute automatisch auf. Wenn er die Slums besuchte, dann drängten sich die Menschen in Scharen um ihn.
Wie unsagbar die Menschen ihn liebten, wurde mir am Tag seines Todes bewusst. Ich hatte noch nie zuvor eine solche Menschenmenge gesehen. Und alle trauerten aufrichtig um ihn.
Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit bedanken bei allen Mitgliedern der Filmindustrie, bei Ministerpräsident Manmohan Singh, Madam Gandhi (Sonia), Rahul (Gandhi), den Politikern, den Medien und allen, die in der Stunde der Trauer bei uns waren. Wir haben gespürt, dass wir nicht alleine waren. Als Ältestem seiner drei Kinder liegt nunmehr eine hohe Verantwortung auf meinen Schultern. Wir, seine Kinder, sind entschlossen, seine Werke fortzuführen. Wir werden dafür sorgen, dass sein Vermächtnis weiterlebt. Gebt mir lediglich ein wenig Zeit; ich brauche sie, um zu überlegen, nachzudenken und dann weiterzumachen. Ich möchte, dass er und unser Land stolz auf mich sein können.
(Protokolliert von Nilufer Qureshi; Deutsch von Diwali)
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