Dienstag, 22. Mai 2007

Filmfare 6/1994: Hanif und Samir

Filmfare, Juni 1994: Accused!
(Original: Link 1 - Link 2 - Link 3)

„Wir gehen durch einen Höllentrailer“

Eine Fragenliste wurde Hanif Kadawala und Samir Hingora zugeschickt, die seit 14 Monaten im Gefängnis sitzen. Sie haben ihre Antworten handschriftlich an die Filmfare gesandt, ordnungsgemäß bestätigt durch die polizeilichen Autoritäten.

Zuerst die Auszüge aus den Antworten von Hanif Kadawala:


„...zum ersten Mal in all diesen 14 Monaten geben wir ein Interview für die Presse... und das auch noch schriftlich...“

Wie wurden Sie in die Bombenanschlag-Verschwörung verwickelt, derer Sie angeklagt wurden?

„Wir sind überhaupt nicht involviert, weder in den Bombenanschlag noch in die Verschwörung... Sie können sich die Anklageschrift ansehen und es selber nachprüfen. Wir waren in keinerlei Treffen in Dubai involviert noch in irgendwelche Operationen zur Einfuhr von Waffen und Munition... Von den 145 Angeklagten in dem Bombenanschlag-Fall kennt uns niemand, und niemand hat unsere Namen genannt... Der einzige Anklagepunkt gegen uns ist, dass einer von uns, ohne es zu wissen, eine Person zu Sanjay Dutts Haus geführt hat... die Person, die die AK-56-Gewehre an Sanjay Dutt geliefert hat, und diese Episode hat nichts mit den Bombenanschlägen zu tun, denn sie geschah bereits zwei Monate vorher. Ich schwöre bei unseren Kindern, dass wir unschuldig sind...“

Wie oft haben Sie Dubai besucht, und Dawood und seine Familie?

„Unsere Magnum Company war eine der größten Videofirmen. Wir haben jährlich 15 bis 20 Filme exportiert. Wir haben Vertreiber in aller Welt, daher sind wir immer viel gereist, nach UK, in die USA, den Fernen Osten und nach Dubai. Wir sind mehrfach in Dubai gewesen zu rein geschäftlichen Zwecken. Aber wir haben niemals Dawood oder seine Familie getroffen. Es gibt nur einen großen Video-Händler in Dubai für den gesamten Golf. Sein Name ist Kings Video; sein anderer Geschäftszweig ist das Arrangieren von Filmstar-Shows, und wir glauben, in diesem Zweig ist Anees Ibrahim sein Partner. Deshalb sind wir ihm zwei-, dreimal formell im Büro von Kings Video begegnet. Neben uns gibt es mindestens 10 bis 12 weitere Exporteure, die ebenfalls mit Kings Video Geschäfte machen, und die alle haben Anees Ibrahim dort getroffen, und wir meinen, das waren rein geschäftliche Treffen und nichts anderes.“

Wo waren Sie am Tag der Bombenanschläge?

„Sehen Sie bitte im Buchungsregister des Sunny Sound Studios nach. Vom frühen Morgen bis 20 Uhr waren wir in diesem Studio mit Nadeem-Shravan; sie nahmen den letzten Song für unseren Film Singer auf. Die Nachricht von den Bombenanschlägen erreichte uns dort, und gegen 19 Uhr mussten wir die Aufnahmen abbrechen, und der Song blieb unvollendet; wir haben das später nachgeholt.“

Wie und warum wurde Sanjay Dutt, wie behauptet wird, in die Sache involviert?

„Sanjay Dutt ist überhaupt nicht in die Bombenanschläge involviert. Er hatte gute Beziehungen zu Anees Ibrahim – was er ja in seinem Geständnis auch erwähnt hat. Sein einziger Fehler war, dass er während der Unruhen um ein paar Waffen von Anees Ibrahim zu Sicherheitszwecken gebeten hat. Zuvor hatte er bereits eine Pistole von Anees’ Männern gekauft. Und Anees tat ihm den Gefallen und sandte ihm eine Rifle durch zwei Männer namens Salim und Baba Chauhan, die aus Sicherheitsgründen keinen Zugang zu Sanjay Dutts Haus erhielten. Deshalb kamen sie zu uns, aber wir kannten den Inhalt nicht... unwissend ging einer von uns mit ihnen, um ihnen den Ort zu zeigen. Soviel wir wissen, hat Sanju die Rifle nie benutzt. Und er ist auch in keiner Weise in die Bombenanschläge verwickelt.“

Haben Sie Sanjays Haus besucht?

„Wir sind sogar häufig in Sanjays Haus gewesen. Wie Sie wissen, wirkt er in unserem Film Sanam mit. Deshalb waren wir oft dort für Terminabsprachen, Storydiskussionen etc.“

Wie hat man Sie im Gefängnis behandelt? Ist bei Ihnen der Dritte Grad angewendet worden?

„Wir sind sehr, sehr schlecht behandelt worden, und auch der Dritte Grad ist bei uns angewendet worden. Aber was können wir tun? Wir waren hilflos. Aber wir machen der Polizei keinen Vorwurf, denn die Bombenanschlag-Tragödie war so furchtbar, dass die Polizei natürlich versuchen musste, die Hauptschuldigen so bald wie möglich in die Hände zu bekommen. Und bei dieser ‚Prozedur’ traf es dann eben auch eine Menge Unschuldiger wie uns. Aber was konnten wir tun? Es stand in unserem Schicksal.“

Wie haben Sie auf Sanjays Verhaftung und auf seine Freilassung auf Kaution reagiert?

„Lassen Sie mich Ihnen zu Ihrer Information sagen, dass von den beiden Personen, die die Rifle geliefert hatten, einer verhaftet worden ist. Und der hat der Polizei gesagt, er habe eine Rifle an Sanjay Dutt geliefert und die Leute von Magnum Video hätten ihn zu Sanjays Haus begleitet. Deshalb wurden auch wir festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war Sanjay auf Mauritius, und Police Commissioner A.S. Samra verhörte uns. Nach gründlichen Ermittlungen versicherte er uns, er würde uns oder Sanjay nicht verhaften, weder unter TADA noch in der Bombenanschlagssache... Doch urplötzlich, nach fünfzehn Tagen illegaler Verwahrung, verhafteten sie uns... und als Sanjay aus Mauritius zurückkam, verhafteten sie auch ihn. Wir waren geschockt, aber wir waren sehr, sehr erleichtert, als er Kaution bekam. Unglücklicherweise haben wir bis heute keine Kaution bekommen. Wir wissen noch immer nicht, warum.“

Wurde Sanjay in der Haft gefoltert?

„Nein, er wurde in der Haft nicht gefoltert. Er hatte großes Glück, oder...“

Es heißt, Sanjay habe gestanden, eine AK-56 besessen zu haben, nachdem ihm bei der Polizei ein mitgeschnittenes Telefongespräch zwischen ihm und Ihnen vorgespielt wurde.

„Das ist vollkommen falsch und unbegründet. Diese Episode ist in der CID-Haft nie passiert.“

Wie steht es heute um Ihre Video-Firma, Ihr Restaurant Tawa und Ihre laufenden Filmproduktionen?

„Gott allein weiß, was in unserem Schicksal steht, aber im Moment steht alles still. Nicht ein einziges unserer Geschäfte läuft. Zwei oder drei andere Angeklagte haben auch Hotels oder Restaurants, aber ihnen wurde gestattet, weiterzumachen. Obwohl mein Bruder das Restaurant betreibt und wir nicht direkt damit befasst sind, wurde es geschlossen. Vielleicht unter irgendeinem Druck. Über unsere beiden laufenden Filmproduktionen (Sanam und Singer) hat die FMC einen Bann verhängt – ohne vielleicht auch mal die Fakten zu checken. Aber jetzt haben wir uns an die FMC gewendet und hoffen, dass der Bann aufgehoben wird.“

Wie verbringen Sie Ihre Zeit im Gefängnis?

„Um es in der Filmi-Sprache zu sagen: Wir und unsere Familien gehen durch einen Höllentrailer.“

Wollen Sie noch zusätzlich etwas sagen?

„Ursprünglich fiel die Anklage gegen uns nicht unter TADA, und vor acht Monaten waren wir drauf und dran, auf Kaution freizukommen. Und dann hieß es urplötzlich, wir hätten an East West Travels die Tickets für die Familie von Tiger Memon bezahlt, mit denen sie außer Landes flohen. Außerdem stellten sie unsere legalen Geschäftsabschlüsse mit Ayub Memon als illegal dar. Doch die Summe aus diesem Geschäft – Rs 21.90 lakhs in Wechseln – haben wir bereits vor unserer Verhaftung freiwillig beim CID und beim Einkommenssteueramt hinterlegt.“

Wusste Sunil Dutt von den AK-56-Gewehren? Was haben Sie über ihn zu sagen?

„Sunil Dutt saab wusste überhaupt nicht, dass Sanju eine Rifle hatte. Zu der Frage, was wir über ihn und seine politischen Verbindungen zu sagen haben: Kein Kommentar.“

*

Samir Hingora antwortete auf den Fragebogen mit einer Aussage. Hier einige Ausschnitte:

„...Außer Sanjay Dutt und Baba Chauhan hat keiner der 142 Angeklagten unsere Namen in dem gesamten Fall bzw. den Anklageschriften genannt...

Unser einziger Fehler: unter Druck haben wir am 15. Januar 93 Baba Chauhan zu Sanjay Dutts Haus geführt. Zusammen mit einem Mr. Salim lieferte er drei AK-56-Rifles an Sanjay. Wir waren dabei nur Zeugen. Später hat er zwei Rifles an Manzoor und Salim zurückgegeben, wovon wir im April 93 erfuhren. (Manzoor wurde verhaftet, Salim ist flüchtig.) Und im gleichen Monat April zerstörte er die Rifle mit Hilfe von vier Freunden (die ebenfalls verhaftet wurden).

Hätten wir Sanjay die Waffe geliefert, dann hätte er sie uns zurückgeben können, anstatt sie zu zerstören. Oder wir hätten auch noch andere Waffen ausliefern können – aber dem ist nicht so. Was bedeutet, dass wir nichts mit Gewehren oder irgendwelchen anderen Waffen zu tun haben. Fakt ist, dass die Untersuchungsbeamten bei Sanju noch einen weiteren Revolver beschlagnahmt haben, wie es auch in der Anklageschrift steht.

Wir hatten sehr herzliche Verbindungen zu Sanjay. Wir hatten einen Drehplan vom 19. bis zum 22. März. Wir hatten extra eine Jahrmarkt-Szenerie in Film-City errichten lassen. Nachts gestaltete Action-Meister Veeru Devgan Action-Szenen unter der Gesamtregie von Aziz Sejawal.

Am 12. März 93 nahmen wir zusammen mit den musikalischen Leitern Nadeem-Shravan den letzten Song für einen unserer Filme im Sunny Sound Studio auf. Gott weiß, warum die FMC über unseren Film Sanam einen Bann verhängt hat (unseren Singer haben wir an Sunil Agnihotri verkauft). Sehen Sie unsere Tragödie... wir haben stets zuverlässig geliefert, was den Video-Vertrieb in Indien und Übersee betrifft. Wir haben stets sämtliche laufenden Produktionskosten bezahlt. Deshalb begreifen wir diese einseitige Beziehung zur FMC und zur Industrie insgesamt nicht. Warum werden unsere fundamentalen Rechte und unser Lebensunterhalt gestört? Steckt jemand anderes dahinter? Ist diese Druckausübung Taktik seitens einiger vermögender Personen?

...Unsere Filme wurden gestoppt, das Vertriebs-Netzwerk ist komplett zusammengebrochen. Das Tawa-Restaurant wurde geschlossen, weil die polizeiliche Lizenz dafür widerrufen wurde. Alle unsere Bankkonten und Besitztümer wurden von den Einkommenssteuer-Behörden beschlagnahmt. Zum ersten Mal in unserem Mal stehen wir vor finanziellen Schwierigkeiten an verschiedenen Fronten. Warum wurden wir zur Zielscheibe...?

Wir kannten Anees Ibrahim seit 1980, da er eines der 800 Mitglieder unserer Videothek war. Zwischen 1980 und 1983 pflegte er sich Videokassetten bei uns auszuleihen. Wir hatten nichts zu tun mit seinen anderen Aktivitäten, egal ob Schmuggeleien, Tötungen, Erpressungen etc. Nie in unserem Leben waren wir in irgendein Verbrechen verstrickt...

...Als erfolgreiche Geschäftsleute pflegten wir herzliche Beziehungen zu Massen von Menschen – ob aus der Unterwelt... oder Politiker und Industrielle. Nur weil man jemanden kennt, hat man doch nicht automatisch Anteil an seinen Taten oder Untaten.

Manchmal waren wir genötigt, mit Anees Ibrahim zu verhandeln, weil er sich in einige Videovertrieb-Geschäfte einmischte. 1992 mussten wir riesige Summen auftreiben, um die Filme Yalgaar und Angaar ausliefern zu können. Ebenso wie wir lebten die meisten Vertreiber in Indien und Übersee ausschließlich unter Bedrohung. Die meisten Vertreiber mussten ebenfalls mehrfach riesige Summen auftreiben. So zum Beispiel bei der Auslieferung von Insaniyat Ke Devta in ganz Indien und von Saudagar nach Übersee.

Am 5. Januar 93 wurde unser Restaurant Tawa auf Veranlassung von Anees Ibrahim attackiert (der Fall wurde bei der Polizeistation von Bandra registriert). Um weitere Konfrontationen oder Spannungen zu vermeiden, erklärten wir uns bereit, ihm den Gefallen zu tun und seine Männer Baba Chauhan/Salim zu Sanjus Haus zu führen bzw. hinzubringen, und wir denken, dass Sanju wie wir nichts mit dem Anschlag zu tun hat. Als populäre Person der Öffentlichkeit hat er vielleicht Anees mal getroffen und auf Grüßfuß mit ihm verkehrt. Und was das Gewehr betrifft – Sanjus Faible für Schusswaffen ist doch seit Ewigkeiten bekannt.

Wir haben im Dezember 92 einen Deal über Rs. 73 lakhs für 21 Filme nach Übersee (35 mm, Video und Satellitenrechte) mit Ayob Memon abgeschlossen. Davon hat er uns am 13. März 93 30% (also Rs 21.90 lakhs) vorab geschickt. Sind wir denn Idioten, dass wir diese Summe in Bankwechseln angenommen hätten, hätten wir nur die geringste Kenntnis über die Bombenanschläge gehabt?

Am 17. März 93 wurden wir von der CID wegen dieser Wechselgeschichte durchsucht. Dann am 19. März 93 von der Einkommenssteuerbehörde... Schließlich haben uns sowohl CID als auch IT am 25. März 93 entlastet. Am 21. März 93 hatten wir auf Anordnung des CID die Rs 21.90 lakhs beim Einkommenssteueramt hinterlegt. Nebenbei: Wie den Anklageschriften zu entnehmen ist, hatten die Memons am 13. März 93 Rs 63 lakhs an verschiedene andere Empfänger gezahlt...

Wegen dieser ganzen Anspannung bekam mein 66-jähriger Vater ein Herzproblem und musste sich im November 93 einer Herzoperation unterziehen. Unsere Kinder und Familienmitglieder werden ständig von ihren Klassenkameraden und Nachbarn gemobbt.

Während wir in Polizeigewahrsam waren, wurden wir mit verschiedenen Methoden des Dritten Grades gefoltert... Wir warten darauf, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Wir haben volles Vertrauen in das Rechtssystem unseres Landes...

(Deutsch von Diwali)

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