Montag, 7. Mai 2007

Super Film Monthly 1/1979: Make Way For Sanju

Super Film Monthly, Januar 1979

Make Way For Sanju

Die Dutts haben ihr Bestes versucht, ihren Sohn Sanju so lange wie möglich der großen bösen Filmwelt fernzuhalten. Sie schickten ihn in ein Internat. Sie hielten ihn von den Filmpartys fern. Sie wimmelten neugierige Journalisten ab. Aber den Sohn eines berühmten Schauspielers kann man nicht kontrollieren. Und Sanjay Dutt ist nun bereit für die Welt...

Vor etwa zwanzig Jahren, am 29. Juli, feierte die Filmindustrie eine Geburt. Sunil und Nargis Dutt hatten ihr erstes Kind bekommen, und alles bejubelte seine Ankunft. Die Dutts gaben ihm den Namen Sanjay. Und nannten ihn Sanju.

Sanju wurde in eine Glitzerwelt hineingeboren und wuchs dort auf. Sein Vater war in vielfacher Hinsicht ein Pionier, denn es war sein Film Mujhe Jeene Do, der dem indischen Hero ein neues stark-raues Image gab. Im Laufe der Jahre hatte sich Sunil Dutt dann in den Hintergrund zurückgezogen, nur um dann auf dramatische Weise mit Heera wieder an die Oberfläche zu steigen. Sanjus Mutter galt den meisten Menschen in der Industrie als die First Lady der indischen Filmleinwand.

Nach Sanjus Geburt erklomm sein Vater noch größere Höhen, als er sich dem Filmemachen zuwandte und bedeutende Filme produzierte und inszenierte wie Yaadein, Reshma Aur Shera und Mujhe Jeene Do. Als Sanju ein Jahr alt war, zog sich seine Mutter aus der Filmwelt zurück. Doch ihr Charisma und ihr Ruf waren so bedeutend, dass sie eine leuchtende Kraft in der Industrie blieb. Zusammen gehörten Sunil und Nargis zur blaublütigen Elite der Filmwelt.

Dem kleinen Sanju konnte all dies nicht fremd bleiben. Während er vom Kleinkind zum Schuljungen heranwuchs, absorbierte er die Magie der Welt seiner Eltern. Wie so viele andere Filmindustrie-Kinder begann auch er den unwiderstehlichen Magnetismus der Leinwand zu fühlen. Und wie so viele andere Filmindustrie-Eltern schienen auch die Dutts den Entschluss gefasst zu haben, dass ihr Sohn sich nicht in der Welt des Zelluloids verlieren sollte.

Die Dutts hielten Sanju den bohrenden Blicken der Öffentlichkeit fern und sandten ihn in die sichere Anonymität eines Internats, der berühmten Schule in Sanawar. Doch Sanjus alljährliche Ferien in Bombay blieben niemals unbemerkt. Seine Fotos erschienen in den Magazinen, und alles redete über seine auffallende Ähnlichkeit mit seinen berühmten Eltern. Mit den feinen aristokratischen Zügen seiner Mutter und der hochgewachsenen, kraftvollen Gestalt seines Vaters verkörperte Sanju die bestmögliche Alchimie von Aussehen und Physis seiner Eltern.

Schon bald streckten erste Produzenten ihre Fühler aus. Vergeblich versuchten die Dutts, der Publicity, die ihr Sohn auslöste, entgegenzuwirken, indem sie ihn von Filmveranstaltungen und -feiern fernhielten. Sie veranlassten ihn, den Journalisten auszuweichen, die eifrig in seinem Privatleben schnüffelten. Aber sie konnten ihren Sohn nicht unter Kontrolle halten. Während seines letzten Schuljahres hatte es Sanju in die Klatschspalten geschafft – dank einer Romanze.

Sein Name wurde in Verbindung gebracht mit einer der derzeit heißesten Neuentdeckungen: Tina Munim. Die Dutts waren entsetzt. Sanju wurde gewarnt, sich nicht in der Öffentlichkeit mit Tina sehen zu lassen. Aber die Gerüchteküche war nicht mehr zu stoppen. Sanjay war zum Stadtgespräch geworden.

Unvermeidbar kam einige Monate zuvor die Frage auf: Sollte Sanju sich der Filmwelt zuwenden? Würden seine Eltern es gestatten? Bis dahin hatten Sunil und Nargis beinahe vorsätzlich jeden Gedanken daran vermieden. Es war noch genug Zeit, Sanjus Zukunft nach seinem Schulabschluss zu planen. Dann endete seine Schulzeit, und Sanju war zurück in Bombay. Die Dutts dachten lange und gründlich nach und überließen dann, in bester Tradition liberaler Eltern, Sanju die Wahl.

Und Sanju wollte eine Filmkarriere. Er hatte bereits einen verlockenden Vorgeschmack bekommen, wie das werden würde.

Als diese Entscheidung einmal gefallen war, verschlossen die Dutts sich nicht länger und gaben Sanju aus vollem Herzen jede Unterstützung. Wenn Sanju zum Film wollte, dann sollte er es auch. Und nur die professionellste Einstellung dazu war gut genug. Eine rigorose Marschroute wurde entworfen, und Sanju wurde in einen hektischen Trainingsstrudel geworfen, der praktisch seine gesamte Zeit in Anspruch nahm.

Der Vormittag ist für das physische Training reserviert. Bei Morgengrauen beginnt Sanju mit den Reitstunden. Sunil begleitet ihn, so oft es ihm möglich ist, und es ist ein vertrauter Anblick, wenn beide den Juhu Beach entlang galoppieren. Es folgen Karatestunden: Sanju dürfte demnächst der einzige Hindi-Filmstar sein, der eine komplette Ausbildung in den Martial Arts absolviert hat. Groß und athletisch, gibt er bei seinen Bewegungen eine faszinierende Studie in Anmut und Kraft ab. Um fit und schlank zu bleiben, begann Sanju mit einer strikten Diät. Doch zum Entsetzen seiner Mutter Nargis verlor er schon bald so viel Gewicht, dass die Diät in aller Eile revidiert werden musste.

Am Nachmittag ist dann Sprachtraining angesagt – B.S. Thapa unterweist Sanju sowohl in Hindi als auch in Urdu – sowie Improvisations- und Schauspielkurse bei Roshan Taneja. „Ich beherrsche einen kompletten Abschnitt eines Faiz Ahmed Faiz ghazal“, erwähnte Sanju triumphierend.

Die Tanzstunden jedoch reizen ihn am meisten. Sanju bewegt sich mit einem einwandfreien Sinn für Rhythmus und Anmut. „Mit Musik“, meinte er bescheiden, „fühle ich mich okay.“

Die Dutts hatten mit der Idee gespielt, Sanju in die USA zu einer formellen Ausbildung an einer Schauspielakademie zu schicken, diesen Gedanken jedoch wieder verworfen. Nargis gibt zu, dass sie besorgt darüber war, welchen Effekt eine „ausländische Kultur“ auf Sanju haben könnte: „Ich würde es nicht wollen, dass mein Sohn verkommt oder ausflippt“, sagt sie. „Und es gab keine Garantie, dass es nicht genau dazu kommen würde. Offen gesagt glaube ich, dass Sunil, Ajanta Arts und ich Sanju eine gute Grundlage verschafft haben. Ihn nun noch ins Ausland zu schicken wäre ein gutes Statussymbol gewesen, aber es war schlichtweg nicht wichtig genug.“

Während der vergangenen sechs Monate, als offensichtlich wurde, dass Sanju allmählich bereit wurde für sein Filmdebüt, begannen Produzenten mit ihren Angeboten bei Sunil anzuklopfen. Sunil wies sie alle ab. Man spekulierte, dass Sunil befürchtete, von seinem eigenen Sohn in den Schatten gestellt zu werden. Doch offensichtlich hatte Sunil andere Pläne und verfolgte diese zielsicher.

Am 1. Januar 1979 wird Sanjay Dutt zum ersten Mal als Hero vor einer Filmkamera stehen.

Das Muhurat dürfte erwartungsgemäß ein Mammutereignis werden, bei dem 90 bis 100 lebensgroße Poster von Sanju ausgestellt werden. Nargis und Sunil werden ihren Sohn offiziell in einem Film lancieren, den Amarjeet produziert und den Sunil selbst schreibt und inszeniert.

Sunil, Nargis und Sanju bilden ein Trio, das sich gut versteht, aber in Gesprächen mit Sanju über „Dad“ hört man einen deutlichen Hauch von Ehrfurcht und Respekt heraus. „Ob ich Angst habe? Klar. Der bloße Gedanke, das Dad mein Regisseur ist, versteinert mich. Als ich noch ein Kind war, steckte Dad mich in eine Qawwali-Szene in Reshma Aur Shera. Alles, was ich machen sollte, war dazusitzen, zu klatschen und einen auf wah wah zu machen. Aber alles, was ich machte, war, in die Kamera zu grinsen und zu kichern. Ich war einfach zu nervös. Dad verlängerte die Drehzeit für den Qawwali um dreizehn Tage, bis er mich soweit hatte, dass ich genau das machte, was er wollte. Er ist ein Perfektionist.“

Nargis ist sich bewusst, wie befangen ihr Sohn sich in Gegenwart seines Vaters fühlt. „Ich wollte dazu beitragen, eine Beziehung zwischen den beiden zu schaffen, daher schlug ich vor, die beiden sollten gemeinsam Urlaub in London machen. Ich hoffte, die Atmosphäre dort würde dem Jungen helfen, in der Gesellschaft seines Vaters etwas entspannter zu werden.“

„Keine Chance“, sagt Sanju. „Klar, wir gingen in Pubs und Discos und was weiß ich wohin, aber Dad blieb Dad.“

Und seine Mutter? „Mum? Sie ist ein Schatz. Ich kann sie jederzeit necken, ihr schöntun und Dinge von ihr bekommen.“ Für ihn ist Nargis im indischen Kino einzigartig. Überraschenderweise hat Sanju erst vor kurzem damit begonnen, sich die alten Filme seiner Mutter anzueignen. „Ich konnte Mother India niemals auf einen Sitz durchstehen“, sagt er. „Es war zu viel. Ich glaube, ich mochte es einfach nicht, dabei zuzusehen, wie Mum Dad am Ende des Filmes erschießt.“

Ich habe Nargis’ Verhalten gegenüber Sanju während unseres Fototermins beobachtet. Sie hat ihm niemals irgendwelche Vorschläge aufgezwungen, ihn nie aufgefordert, eine bestimmte Pose einzunehmen. Vielmehr legte sie Wert auf Spontaneität. Sunil dagegen gab Sanju genaue Anweisungen über den exakten Winkel zur Kamera und über die Bedeutung der richtigen Ausleuchtung. In solchen Momenten war er ein Regisseur und kein Vater.

Ich befragte Sanju über sein Ziel. „Der Gipfel. Und ich werde dorthin gelangen, weil ich entschlossen dazu bin. Ich möchte nicht überheblich sein, aber ich weiß, dass der Umstand, dass ich der Sohn meiner Eltern bin, mir einen Vorsprung verschaffen wird. Ich weiß auch, dass ein Vorsprung keine Erfolgsgarantie ist. Ich werde hart arbeiten müssen. Nicht nur was das Schauspielen betrifft, sondern auch auf anderen Gebieten des Filmemachens wie Schnitt, Regie und Drehbuch.“

Wie schätzt Nargis Sanjus Chancen ein? „Ich bin zuversichtlich, dass er sich gut machen wird. Das einzige Problem ist, dass er zu jung ist, und ich habe Angst, dass er aus dem Gleichgewicht geraten könnte und dass all die Fanfaren um ihn herum ihm zu Kopf steigen. Er ist sehr launisch und lässt sich schon durch geringste Provokationen zu Streitereien verleiten.“

Sanju wies dies genauso zurück, wie seine Mutter es vorausgesagt hatte: wütend. „Ich raste mit Sicherheit nur dann aus, wenn meine Eltern in meiner Gegenwart verleumdet werden. Sie sind vielleicht Personen des öffentlichen Lebens, aber unverantwortliches Gerede über sie werde ich niemals hinnehmen. Und das ist alles, wofür ich streite.“

Ich fragte Sanju, was er denn mit seinem ersten Gagen-Scheck machen würde. Die Antwort kam ohne Zögern: „Einen Mercedes 450 S.L. Automatic für mich kaufen, einen Sportwagen für Mum – sie mosert schon seit Jahren darüber, dass ich ständig den ihren benutze – und eine Armbanduhr für Dad. Wir haben sie in London gesehen; sie war sehr teuer, und Dad hat im Scherz gemeint, ich solle sie ihm kaufen, sobald ich mein eigenes Geld verdiene.“ Sofort mischte Nargis sich ein: „Glaubst du, du bist Amitabh Bachchan, dass deine Gage für all das ausreichen wird?“

Sanjus Ambitionen gehen noch weiter: „Wissen Sie, was ich eines Tages tun möchte, und zwar schon bald? Ich möchte in einem Film mit Mum und Dad zusammenspielen. Ich werde meine Mutter auf die Leinwand zurückbringen, als meine Mutter.“

Nargis lachte auf. „Keine Chance, dass ich auch nur eine Zwei-Minuten-Rolle mit dir spiele, Sohn“, sagte sie. „Vielleicht macht dein Vater Kompromisse, aber ich nicht; nicht in professionellen Dingen.“ Ernsthaft fügte sie hinzu: „Abgesehen davon, beta, deine Mutter wird alt. Aber bei einem mutter-orientierten Film mit dir in einer kleinen Rolle würde ich es mir glatt zumindest überlegen.“

„Wie werden Sie Ihr Leben regeln, wenn Sie einmal angefangen haben zu drehen?“ fragte ich Sanju.

„Am Samstag und Sonntag ist drehfrei,“ antwortete er. „Ich habe gesehen, wie die Techniker schuften, und ich möchte versuchen, ihnen auch mal eine Pause zu verschaffen. Für mich werden die sich nicht ihre Wochenenden ruinieren. Was Rollen betrifft, ich möchte keineswegs auf einen bestimmten Typ festgelegt werden. Action Hero, Romantic Hero, Sie wissen schon... Nicht mit mir. Ich werde alles spielen.“

An jenem Nachmittag fuhren wir mit Sanju für ein paar Bilder zum Sun’n’Sand. Er sah großartig aus in seinem komplett schwarzen Outfit und mit langen Stiefeln mit Absätzen. Wie eine kleine Gruppe von Mädchen ihn dort in Empfang nahm, verblüffte uns – und machte Sanju total verlegen. Eine von ihnen nannte ihn prophetisch den „Superstar unserer Generation“. Sanju wurde rot, als er sein erstes Autogramm auf den Arm eines anderen der jungen Mädchen schrieb. „Was um alles in der Welt habe ich getan, um jetzt schon Autogramme zu geben? Ich komme mir richtig blöd vor“ sagte er, und das war ganz bestimmt nicht gespielt. Aber er blieb durch die Bank galant.

Später versuchte ich mein Bestes, um von Sanju ein paar klare Aussagen über seine Romanze mit Tina zu bekommen. „Die ganze Sache ist total aufgepuscht worden und steht in keinem Verhältnis“ sagte er. „Ich kenne sie seit vielen Jahren, und wir treffen uns wie Millionen andere junge Menschen unseres Alters auch. Ich kann all das heftige Gerede über Liebe und Hochzeit nicht verstehen. Sicher, Tina ist süß und sehr cool anzusehen. Genaugenommen, offen gesagt, ich glaube, die Leute fahren sowieso nur auf ihr Aussehen ab. Ihr Schauspiel lässt doch einiges zu wünschen übrig. Hey, hören Sie – das wird ihr nicht unbedingt gefallen. Lassen Sie uns dieses Thema einfach vergessen, okay?“

Aber seine Eltern haben Tina im Auge. Als ich Nargis fragte, ob sie bereits einen Co-Star für Sanju gefunden hätten, erwiderte sie: „Sunil und ich wollten ein neues und unverbrauchtes Gesicht neben Sanju, um die Wirkung seines Debüts zu verstärken. Aber wir haben das richtige Gesicht noch nicht gefunden, es blieb zu wenig Zeit. Tina ist unter den Mädchen, die bereits in der Szene sind, die naheliegende Wahl, und sie ist richtig heiß darauf, mit Sanju zusammengecastet zu werden. Ich denke, die beiden könnten ein gutes Paar abgeben.“

Ich hatte noch eine letzte Frage an Sanjay. Würde er auf der Leinwand seinen richtigen Namen verwenden, da es ja bereits einen anderen Sanjay in der Industrie gibt? „Natürlich. Er ist nur ein Sanjay, aber kein Dutt“, antwortete Sanjay mit höchstem Selbstvertrauen.

Es gibt wohl kaum etwas, das Sanjays Zuversicht erschüttern könnte. Er hat alles, was man braucht, um in Filmen ganz groß rauszukommen: das Schauspieltalent seiner Mutter, die Entschlusskraft seines Vaters, und die geballte Rückendeckung seiner beiden Eltern.

(Pammi Bakshi; Deutsch von Diwali)

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