g, September 1999
Dutt’s Undying Code!
Schaut in diese intensiven Augen! Sie erzählen die Geschichte eines Mannes, der ein geradezu höllisches Maß an Schwierigkeiten, Sorgen und Problemen in seinem Leben gehabt hat. Gleich von seinem ersten Film Rocky an wurde Sanjay Dutt zum Lieblings-Boxball der Industrie. Da sein Vater Politiker war, nahm jedes noch so kleine Vergehen gigantische Dimensionen an. Er wurde zur Zielscheibe zahlloser Anklagen und Kontroversen durch die gesamte Nation. Sein privates und professionelles Leben stand stets auf der Kippe. Doch dank seines festen Glaubens an Gott zerbrach Dutt junior nicht, und dieser Glaube zusammen mit dem Wohlwollen der Industrie katapultierte ihn zurück nach oben. Der einstige Sklave der Drogen wurde zum Meister seines Lebens.
g: Wenn man auf Ihr Leben zurückblickt, war es doch eine ziemlich traumatische Reise. Sind Sie verbittert über Ihre Vergangenheit?
Sanjay: Mehr als verbittert; ich bin enttäuscht von Menschen, denen ich vertraut habe. Mir ist klar geworden, dass du dir in schweren Zeiten selber helfen musst. Vom Anfänger in Rocky über den Drogensüchtigen bis zum Angeklagten im Zusammenhang mit dem Bombenanschlag habe ich eine Menge Schwierigkeiten durchgemacht. Das hat mich mental immer gewaltig mitgenommen. Ich musste mein Leben und meine Karriere noch einmal bei Null beginnen, aber zum Glück erwies sich das als kein Problem. Allen Widrigkeiten zum Trotz bekam ich die Chance, meine einmal abgebrochene Karriere neu zu starten. Dadurch glaube ich noch mehr an Gott als zuvor.
g: Werden Sie von den Geistern der Vergangenheit immer noch verfolgt?
Sanjay: Nein. Wenn ich noch immer in der Vergangenheit leben müsste, dann würde ich durchdrehen. Was die Leute von mir halten, ist mir gleich. Wahrscheinlich hat mir genau das geholfen, meinen Verstand intakt zu halten.
g: Wie ist Ihre Sichtweise auf all diese Erfahrungen?
Sanjay: Ich habe eine Menge daraus gelernt.
g: Verspüren Sie Unsicherheit, was Ihr persönliches oder berufliches Leben betrifft?
Sanjay: Alles in dieser Welt ist nur vorübergehend. Das wurde mir bewusst, als nichts in meinem Leben mehr richtig lief. Mag kommen was will: Was geschehen muss, wird geschehen. Warum also sich aufregen über vergängliche Dinge wie Ruhm und Geld? Deshalb habe ich beschlossen, das Wort Unsicherheit aus meinem Wortschatz zu streichen.
g: Spiegeln Ihre Leiden sich in Ihren Darbietungen wider, oder beeinflussen sie Ihre Konzentration?
Sanjay: Bisweilen ja, aber am Set haben meine Sorgen mich noch nie abgelenkt. Vielmehr vermag ich, wenn ich deprimiert bin, meinen emotionalen Szenen dadurch noch einen Touch Pathos hinzuzufügen.
g: Depressionen desensibilisieren Menschen und lassen sie fahrig und unstet werden. Ist Ihnen das auch schon passiert?
Sanjay: Wenn ich mal schlecht gelaunt bin, dann behandle ich mein Gegenüber vielleicht etwas grob oder rede Tacheles mit ihm. Üblicherweise kommt das bei mir jedoch nicht vor, was manche Leute leider schamlos ausnutzen. Es passiert wirklich ausgesprochen selten, dass ich die Geduld verliere, und gnade Gott der Welt, wenn es soweit ist.
g: Welche Veränderungen haben Sie über die Jahre in der Industrie beobachtet?
Sanjay: Früher war die Filmindustrie noch viel mehr eine Einheit, und Filmcrews funktionierten wie eine Familie. Wir haben zusammengehalten. Auch wenn ein Schauspieler Probleme mit der Presse bekam, hat jedes Mitglied der Filmgemeinschaft für ihn Partei ergriffen. Heute ist die Atmosphäre am Set nicht mehr die gleiche, und das hat damit zu tun, dass sich die Grundhaltung der Menschen verändert hat. Wir sind alle viel individualistischer im Umgang miteinander geworden. Früher hat man als Team an einem Film gearbeitet, heute kümmert sich jeder Schauspieler nur noch um seine eigene Darbietung. Auch die Arbeiter haben massenweise Probleme. Die Sicherheitsmaßnahmen für die Lichtjungen beim Umgang mit elektrischem Zubehör waren absolut unzureichend. Wenn Jackie Shroff, Anil Kapoor oder mir so etwas auffiel, dann haben wir uns geweigert, mit dem Drehen fortzufahren, bis die notwendigen Schritte unternommen wurden.
g: An wen wenden Sie sich, wenn es hart auf hart kommt?
Sanjay: An Dad. Im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Meinung stehe ich meinem Vater außerordentlich nahe. Alles, was ich in meinem Leben erreicht habe, verdanke ich ihm. Ohne ihn hätte ich nicht überleben können. Er ist ein sehr starker Mensch, und ich weiß, dass ich mich an ihn anlehnen kann, wann immer ich Probleme habe.
g: Schauspieler sind als exzentrischer und egozentrischer Haufen verschrien. Gilt das auch für Sie?
Sanjay: Ich bin weder ichbezogen noch exzentrisch. Ich bin auch nicht Mr. Perfect, sondern einfach nur ein ganz normaler Mensch mit einem gerechten Anteil an Vorzügen und Fehlern. Die letzten paar Jahre haben meine Persönlichkeit gewaltig verändert. Früher konnte ich von einer Sekunde auf die nächste mit Haut und Haaren in Schwierigkeiten landen. Heute bin ich reif und ruhig geworden und versuche, mich aus Streit und Kontroversen herauszuhalten. Davon hatte ich genug für den Rest meines Lebens (lacht).
g: Mit wem reden Sie, wenn Sie traurig sind?
Sanjay: Mit meiner Frau. Sie versteht mich besser als jeder andere.
g: Wie sehr nehmen Sie Anteil an ihrem Beruf?
Sanjay: Rhea ist eine unabhängige Frau. Sie weiß um die Prioritäten in ihrem Leben, und das macht sie so erfolgreich. Sie ist nicht nur meine Frau, sondern auch meine Freundin. Ich respektiere ihre Entscheidungen und unterstütze sie. Gelegentlich begleite ich sie zu Prominentenpartys und Veranstaltungen.
g: Fasziniert Sie Ruhm?
Sanjay: Offensichtlich. Schließlich rackern wir uns Tag und Nacht in brütend heißen Studios dafür ab, dass die Leute uns wiedererkennen. Es ist ein berauschendes Gefühl, wenn man bei einer Party oder Veranstaltung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.
g: Haben Sie keine Angst vor der Vorstellung, Ihre Identität zu verlieren?
Sanjay: Ich habe vor nichts Angst. Ich habe in meinem Leben meine Identität schon zu oft verloren und wiedergefunden. Darüber mache ich mir keine Gedanken mehr. Noch vor wenigen Jahren war ich kein Star, sondern ein Häftling. Im Knast kannte man den Filmhelden Sanjay Dutt als Qaidi No. 117 (Gefangener Nr. 117), der zusammen mit zehn Vergewaltigern auf dem Fußboden saß und sein Essen zu sich nahm. Das war extrem erniedrigend. Damals habe ich mich ernsthaft mit der Frage auseinandergesetzt, wozu mein Star-Status gut ist. Für die Gefängnisinsassen war das natürlich ein paar Tage lang hochspannend, dass Sanjay Dutt vor Ort war.
g: Der Zuspruch der Industrie muss Ihnen eine große Hilfe gewesen sein.
Sanjay: Wie könnte ich das je vergessen? Anfangs waren sie alle für mich da. Später kehrten sie zu ihren eigenen Aufgaben zurück. Niemand kann deine Schlachten von A bis Z für dich schlagen. Am Ende bist du immer auf dich selber angewiesen. Damals bin ich aufgewacht; jene Zeit hat mir die Augen für die Wahrheit des Lebens geöffnet. Ich lernte, wer meine wahren Freunde waren und wer meine Schönwetter-Freunde, aber ich grolle niemandem. Ich bin dankbar, dass sie zu einem Mann gestanden haben, der wegen Beteiligung an den Bombenanschlägen angeklagt war.
g: Zeigt sich die Zuneigung der Filmindustrie zu ihrem „Sanju baba“ nicht gerade darin?
Sanjay: Jedermann in der Industrie nennt mich Sanju baba und zeigt mir, dass er mich mag, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich ihr Lieblingskind bin. Aber zumindest bin ich sicher, dass sie mich nicht hassen.
g: Was würden Sie gerne haben, was Sie derzeit noch nicht haben?
Sanjay: Ich möchte frei sein und nicht länger, wie jetzt schon seit sechs Jahren, ein Opfer ungerechter Anklagen.
g: Wie hätten Ihre Eltern Sie als Kind beschrieben?
Sanjay: Ich war ziemlich ungezogen und habe auch oft genug meine Tracht Prügel dafür kassiert.
g: Wer hat Sie mehr beeinflusst?
Sanjay: Meine Mom. Von ihr habe ich mein tolerantes und introvertiertes Wesen. Sie war ein sehr ehrlicher Mensch und hat mich auch gelehrt, mein ganzes Leben hindurch ehrlich zu sein. Und trotz aller unseligen Erfahrungen in meinem Leben glaube ich nach wie vor daran, dass sich Ehrlichkeit auszahlt.
(Reena Thapar; Deutsch von Diwali)
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