Samstag, 17. Februar 2007

Dus (2005)

Zur Story: Die indische Antiterror-Spezialeinheit ATC (Anti Terrorist Cell) unter der Leitung von Siddhant Dheer (Sanjay Dutt) ist einem Plan des Terroristen Jambwal auf der Spur, in sieben Tagen, am 10. Mai, bei einem Anschlag gut 20.000 Menschen zu töten. Das ist aber auch alles, was sie wissen – Ort, genauer Zeitpunkt und Art des Anschlags sind ihnen unbekannt. Als Siddhant davon erfährt, dass Himmat Mehendi (Pankaj Kapur), ein Mitarbeiter Jambwals, in Kanada aufgetaucht ist, schickt er zwei seiner besten Männer dorthin: seinen Bruder Shashant (Abhishek Bachchan) und den Bombenspezialisten Aditya (Zayed Khan). Zusammen mit ATC-Agentin Neha (Esha Deol) und dem indisch-kanadischen Polizisten Danish (Suniel Shetty) schnappen sie sich Himmat, mit dessen Hilfe sie Jambwal aufspüren und eliminieren. Sie ahnen nicht, dass mittlerweile Siddhant und seine Kollegin Aditi Kumar (Shilpa Shetty) in Delhi einen Spitzel in den eigenen Reihen entlarvt und durch ihn herausgefunden haben, dass sogar das Security Department des Premierministers in die Sache verwickelt ist – und dass überdies Jambwal sehr wohl noch lebt...

Dus ist ein Film, der das Publikum in einem permanenten Countdown – die sieben Tage bis hin zum bekannten Datum des Terroranschlags werden ebenso runtergezählt wie gegen Ende die Minuten und Sekunden bis zur Entscheidung – an den Ermittlungen der ATC und ihren aktiven Einsätzen gegen den Terror teilhaben lässt. Die Spannung ist zwar nicht unbedingt fingernägelgefährdend, dennoch kann man sich ihr kaum entziehen. Dass das Ganze in einem eher stylishen Ambiente stattfindet, stört nicht weiter, da die darin arbeitenden Menschen trotz ihres coolen (oder sich cool gebenden) Äußeren durch die Bank eben Menschen sind – mit Stärken, aber auch Schwächen und vor allem Gefühlen.

Allen voran beeindruckt mit einer in dieser Hinsicht kompromisslosen Rollendeutung Sanjay Dutt, der wieder einmal ganz und gar in seine Figur hineinkriecht, nur dann den autoritären Boss rauskehrt, wenn es unbedingt nötig ist, ansonsten jedoch in seiner Truppe eher das ausgleichende Element ist. Umso härter trifft ihn dann die Entdeckung, dass er einen Verräter in den eigenen Reihen hat, und seine große Szene mit diesem geht bereits an die emotionalen Grenzen. Noch schlimmer wird es, als am Ende eine geradezu unmenschliche Entscheidung von ihm verlangt wird und Sanjay unter dieser Last buchstäblich zusammenbricht. Spätestens hier wird jede Coolness durchbrochen – und zwar von allen Beteiligten, ganz besonders aber von Sanjay, der seinem Schmerz hemmungslos freien Lauf lässt.

Insgesamt sehr gut sind auch seine Partner: Abhishek Bachchan, der Sanju ja auch im wirklichen Leben als seinen großen Bruder betrachtet (und ihn liebe- und respektvoll zugleich mit „Sanju Sir“ anredet), überzeugt rundum als Siddhants jüngerer Bruder mit Neigung zur verbotenen Zigarette im Dienst, auf den man sich jedoch jederzeit 100%ig verlassen kann. Zayed Khan fühlte sich sichtlich wohl in der Rolle des extracoolen Youngsters, der eine tickende Bombe schon mal mit „yeah, baby, I love you too“ anredet, während man bei Suniel Shetty umgekehrt das Gefühl hat, dass er mit seiner Rolle nicht ganz glücklich war und vermutlich jede der anderen Hauptfiguren lieber gespielt hätte als seine eigene. Zum Glück ist er routiniert genug, die dadurch bedingten Defizite vor allem in den Privatszenen zwischen Dan und seiner Frau Priya (entsetzlich blass: Raima Sen) aufzufangen, und sobald es an die Action geht, ist er ohnehin wieder in seinem Element.

Die Riege der Terroristen ist mit Gulshan Grover als Irfan Khan und vor allem Pankaj Kapur als Himmat Mehendi an der Spitze gut besetzt, während man bei den Frauen nicht immer ein glückliches Händchen hatte: Diya Mirza als Siddhants und Shashants Schwester Anu kommt kaum vor, und Esha Deol, sorry, ist ein Totalausfall. Aber dafür ist Shilpa Shetty umso toller und neben Sanjay der eigentliche Höhepunkt des Filmes. Die toughe ATC-Agentin nehme ich ihr in jeder Sekunde ebenso ab wie die Frau, die aufrichtige Zuneigung zu Siddhant empfindet, auch wenn ihr auf die Frage nach den Gründen dafür nur „He has style“ einfällt – aber, mit Verlaub: Sie hat ja sowas von recht!

Selten übrigens haben mich zwei Credits zu Beginn eines Filmes so berührt wie diese: Mit „In fond remembrance“ wird an den Regisseur Mukul Anand erinnert, der acht Jahre zuvor während der Dreharbeiten zu einem anderen Film mit dem Titel Dus (ebenfalls mit Sanjay Dutt) verstorben war – und mit „Dedicated to late Dutt sb. from the Team of Dus“ widmete das Team den Film Sanjus kurz zuvor verstorbenem Vater Sunil Dutt. Ich kann nicht wissen, ob Sunil der Film gefallen hätte – ich mag ihn sehr, und wenn ich ihn auch nicht unbedingt als Must-See bezeichnen würde: Verschwendet sind die zweieinhalb Stunden mit ihm keineswegs.

Produktion: Nitin Manmohan; Regie: Anubhav Sinha
145 Min.; DVD: Shemaroo, englische UT (inkl. Songs). Die DVD enthält zudem ein Making Of, den Bonus-Song „Jaaniya Ve“, Trailer, Promos und eine Photo Gallery.


Zusatz-Info: Bei den Dreharbeiten zu Dus in Kanada (2004) kam es zu einer regelrechten Hetzkampagne gegen Sanjay. Die dortigen Medien forderten, dass die kanadische Regierung einem "Terroristen wie Sanjay Dutt" nicht gestatten sollte, kanadischen Boden zu betreten. Kein Tag verging, ohne dass Sanjay mit neuen Schlagzeilen und Angriffen der kanadischen Presse konfrontiert wurde. Seine Argumente, dass er nichts getan hätte und zudem die Unschuldvermutung gelten sollte, bis jemand verurteilt sei, interessierte die kanadischen Medien nicht weiter. Sanjay wurde kübelweise mit Dreck beworfen. Dies führte dazu, dass Sanjay die Dreharbeiten vorzeitig abbrach, weil er diesen Nervenkrieg nicht mehr aushielt. Bei seiner Abreise versammelte sich die indische Gemeinde von Calgary am Flughafen, um sich bei Sanjay zu entschuldigen, weil er in ihrer neuen Heimat so schlecht behandelt worden und öffentlich als Verbrecher gebrandmarkt worden war. Sanjay war verständlicherweise tief verletzt: "Ich wurde noch niemals in meinem Leben so gedemütigt und verletzt. Sie sprachen über meine 'islamischen Verbindungen' und bezeichneten mich als Terroristen. Sie taten so, als wären die Anklagen bereits bewiesen. Wie konnten sie mich einfach so verdammen? Ich war Gast der kanadischen Regierung, behandelt man etwa so einen Gast? Mit welchem Recht haben diese Journalisten, die weder von dem Fall noch von den Hintergründen eine Ahnung haben, mich als Terroristen gebrandmarkt?"

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