Zur Story: Der Witwer Dinanath Kumar (Satyen Kappu) lebt in Poona mit seiner verwitweten Schwester Kalawanti (Shubha Khote), seiner Tochter Payal und seinen beiden Söhnen Rajeev, genannt Raju (Raj Babbar) und Sanjeev, genannt Sanju (Sanjay Dutt). Raju ist gebildet und macht beruflich Karriere, während Sanju als Automechaniker bei Tahir Khan (Dinesh Higoo) arbeitet, einen Hang zum Alkohol hat und häufig in Schwierigkeiten gerät. Als er seine Schwester vor den Nachstellungen durch Premnath (Ramesh Deo) schützen will, dabei aber dessen Haus in Brand setzt und festgenommen wird, erreicht sein Vater zwar durch einen Bittgang zu Premnath Sanjus Freilassung, doch Raju, dessen Verhältnis zu Sanju nie das beste war, hat nun endgültig genug von seinem jüngeren Bruder und vertreibt ihn aus dem Haus. Sanju geht nach Bombay und arbeitet für kurze Zeit in der Bäckerei von Chandulal "Paowala" (Madan Puri), dessen Nichte Bela (Jaya Pradha) ihr Herz an Sanju verliert, während er selbst sich in Archana (Rati Agnihotri) verliebt, die Tochter des reichen Ganga Prasad (Col. Kapoor). Dann lernt er Sahir Khan (Dinesh Hingoo) kennen, den Bruder seines Arbeitgebers aus Poona, der ihn bei sich als Mechaniker und Taxifahrer einstellt. Eines Tages steigt ausgerechnet Raju in Sanjus Taxi, der sich mittlerweile zum Company Director bei Ganga Prasad hochgearbeitet hat, noch mehr als früher auf Sanju herabschaut und noch dazu vorhat, Archana zu heiraten. Um seinem Bruder, den er trotz allem liebt, nicht im Weg zu stehen, beschließt Sanju, Archana das Herz zu brechen...
Main Awara Hoon (= Ich bin ein Vagabund) – dieser Titel weckt Assoziationen zu dem Klassiker Awara von Raj Kapoor mit dem berühmten Song "Awara Hoon", und prompt trällert Sanjay bei seinem ersten (betrunkenen) Auftritt diesen Song vor sich hin. Dennoch haben die beiden Filme nur indirekt miteinander zu tun; in Awara stand ein Vater-Sohn-Konflikt im Mittelpunkt, während es hier ein gespanntes Verhältnis zwischen zwei Brüdern ist. Gemeinsam ist den beiden Filmen jedoch das starre Festhalten an Vorurteilen als konfliktauslösendes Motiv: In Awara ist es der Richter, der davon überzeugt ist, dass aus dem Sohn eines Verbrechers immer nur ebenfalls ein Verbrecher werden kann, und in Main Awara Hoon ist es Raju, der von Sanju immer nur das schlechteste hält und ihm keine Chance gibt, sich zu beweisen. Und beide – der Richter und Raju – müssen am Ende einen hohen Preis für ihr Fehlverhalten bezahlen und zusätzlich mit der Schuld leben, ihren Opfern einen noch höheren Preis abverlangt zu haben.
Der "Awara" Sanjeev ist eine Rolle, wie sie Sanjay in den Jahren ab Naam mit schönster Regelmäßigkeit spielte – ein junger Mann mit goldenem Herzen, aber scheinbar nichtsnutzigem bzw. schlechtem Charakter, den das Leben vor harte Prüfungen stellt und der sich dennoch glänzend bewährt. Dass er eine solche Figur bereits 1983, in einem so frühen Stadium seiner Karriere, zum ersten Mal in Angriff nahm, hat mich, zugegeben, direkt verblüfft – und noch mehr die Tatsache, dass er damit blendend zurechtgekommen ist. Ich vergieße zwar trotzdem ein, zwei Tränchen bei dem Gedanken, was aus dieser schönen und z.T. echt ergreifenden Geschichte für ein toller Film hätte werden können, hätte Sanju ihn, sagen wir, sechs, sieben Jahre später gedreht, als er schauspielerisch im Vergleich zu damals einen Quantensprung weiter war. Aber er spielt diesen Sanjeev auch hier schon mit sehr viel Einsatz und hohem Sympathiefaktor, der sich zur taschentücherzehrenden Climax hin kontinuierlich steigert.
Raj Babbar gestaltet die undankbare Rolle des vorurteilsverhafteten älteren Bruders angenehm zurückhaltend, was es dem Zuschauer leicht macht, auch ihm am Ende ein wenig Mitleid zu schenken. Rati Agnihotri hat sich bei mir hier für ihre doch eher durchwachsene Leistung in Johny I Love You voll rehabilitiert – eine schöne Leistung. Noch mehr Herzen als ihr dürften Jaya Pradha zugeflogen sein, allein schon wegen diverser und teilweise ziemlich unerwarteter Twists in ihrer Rolle. An der Spitze der Nebendarsteller-Riege überzeugt Shakti Kapoor als Drogenhändler Kundan. In Erinnerung bleibt Main Awara Hoon zudem wegen einer Menge z.T. köstlicher Details wie zum Beispiel die Szene, in der Raju vor einer eindeutig seitenverkehrten Uhr agiert (hat man hier den Film verkehrt rum eingelegt?), oder Sanjus erster Auftritt, bei dem er in seinem Suff und mit jugendlicher Frechheit ein lebensgroßes Plakat von Amitabh Bachchan anmeiert.
Im Gegensatz zu dem eher lahmen Vorgängerstreifen Johny I Love You ist Main Awara Hoon ein Film, bei dem ich sehr für eine DVD-Veröffentlichung mit Untertiteln plädieren würde. Er enthält eine gute Story mit einigen wirklich unerwarteten Twists und dazu einen Sanjay Dutt, der solche Rollen wohl damals schon liebte und entsprechend locker und ansprechend drauflos agierte. Unter seinen frühen Filmen ist Main Awara Hoon definitiv einer der besseren.
Produktion: Shakti Samanta; Regie: Ashim Samanta
153 Min.; DVD: T-Series, ohne UT
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