Sonntag, 4. Februar 2007

Hathyar (2002)

Zur Story: Der Unterwelt-Don Raghubhai (Sanjay Dutt) hatte einst die Prostituierte Sonu (Namrata Shirodkar) geheiratet. Nach seinem Tod versuchte Sonu, ihrem gemeinsamen Sohn Rohit Raghunath Shivalkar eine bessere Zukunft fern aller Kriminalität zu bieten. Doch die Gesellschaft gab dem Sohn des Gangsterbosses keine Chance. Von Kindheit an stigmatisiert, antwortet der heranwachsende Rohit eines Tages auf die ständigen Provokationen wegen des Berufs seiner Mutter mit den Fäusten und tötet dabei zum ersten Mal. Der Don Hasan Bhai (Shakti Kapoor) sieht in Rohit das Potential von dessen Vater und nimmt ihn unter seine Fittiche: Als Boxerbhai – so genannt wegen seiner Leidenschaft für das Boxen – tritt Rohit (Sanjay Dutt) in die Fußstapfen seines Vaters. In Zusammenarbeit mit seinen Freunden Munna (Sachin Khedekar) und Pakya (Sharad Kapoor) steigt er zum mächtigsten Don Mumbais auf und lässt sich sogar in den Stadtrat wählen. Als er nach vielen Umwegen endlich seine geliebte Gauri (Shilpa Shetty) heiraten kann und sie ihm seine Tochter Shanti schenkt, scheint Rohits Glück vollkommen. Doch schon bald wird es für ihn immer schwieriger, zwischen Freund und Feind zu unterscheiden...

Hathyar – Face to Face with Reality (im Planungsstadium noch Pratibimb betitelt) ist Mahesh Manjrekars Sequel zu seinem 1999er Erfolgsfilm Vaastav – The Reality, erneut mit Sanjay Dutt, der diesmal also sozusagen seinen eigenen Sohn spielt. In einigen Sequenzen ist er zudem auch noch einmal in seiner Paraderolle als Raghubhai zu sehen. Auch mit anderen Figuren aus Vaastav gibt es ein Wiedersehen, so z.B. mit Raghus Eltern Shanta (Reema Lagoo) und Namdev (Shivaji Satham), mit seiner Frau Sonu (Namrata Shirodkar) und mit seinem Freund DCP Kishore Kadam (Deepak Tijori). Man muss Vaastav zwar nicht unbedingt gesehen haben, um Hathyar zu verstehen, aber es wäre in jedem Fall hilfreich, da Hathyar (= Waffen) in der ersten halben Stunde viel mit Rückblenden arbeitet – zum Teil sogar Rückblenden innerhalb der Rückblenden –, bei denen man ohne Kenntnis der Figuren und Ereignisse von Vaastav schon mal ins Schleudern kommen kann, zumal wenn Sanjay abwechselnd als Raghubhai und als Rohit auftritt. Vor allem jedoch verrät Hathyar an einer Stelle das ungewöhnliche Finale von Vaastav, und wer Vaastav dann erst nach Hathyar sieht, wird um den Effekt dieses erschütternden Endes regelrecht betrogen.

Sanjay spielt in beiden Filmen die Bhai-Rollen, die bei aller Kaltblütigkeit und Grausamkeit trotzdem noch Seele haben, mit einer Energie, Wucht und Leidenschaft, die einen aus dem Fernsehsessel kippen. Er ist schlichtweg grandios. Wer Sanjay nie in diesen beiden Rollen erlebt hat, der wird nie begreifen, warum ich diesem Charakterdarsteller zu Füßen liege. Dieser Mann ist Gottesgeschenk an die Filmwelt. Sein Rohit ist sogar noch einen Tick gnadenloser als Raghu, und trotzdem schafft es Sanjay dank seiner starken Emotionalität, dass man selbst dann noch mit ihm mitfühlt, wenn er geradezu unverzeihliche Fehler begeht – weil seine Verzweiflung und seine Reue darüber echt sind und sich dabei teilweise emotionale Abgründe auftun, die durchaus ebenso an die Nieren gehen wie vorher sein kaltschnäuziger Umgang mit der Knarre.

Neben Sanjay verblassen alle anderen Mitwirkenden zu Nebendarstellern; einzig Shilpa Shetty und Sachin Khedekar können in punkto Intensität mit ihm mithalten. Shivaji Satham, der in Vaastav mit Sanjay noch so tolle Vater-Sohn-Szenen hatte, kommt in Hathyar leider fast gar nicht mehr vor, während Reema Lagoo als Rohits Großmutter zwar etwas mehr zu tun hat, aber nicht ansatzweise an ihre Leistung von Vaastav anknüpfen kann; für ihr furchtbares Make-up kann man ihr ohnehin keinen Vorwurf machen – Entschuldigung, aber aufgemalte Falten funktionieren nun mal nur auf der Bühne, im Film sehen sie schlichtweg lächerlich aus. Allerdings ist Reemas Figur geradezu symptomatisch für die Unverbesserlichkeit der gesellschaftlichen Denkweise: Sie hat nichts aus ihren Erfahrungen mit Raghu gelernt. Wie schon ihren Sohn in Vaastav weist sie nun auch ihren Enkel Rohit von dem Moment an, als er die Kriminellenlaufbahn einschlägt, jedes Mal kaltherzig zurück, wenn er Kontakt zu ihr aufnehmen will, anstatt ihm den Halt zu geben, nach dem er so dringend sucht und mit dem vieles vielleicht anders gelaufen wäre.

Übrigens traf mich am Anfang fast der Schlag, als Sanjay seine ersten paar Sätze mit einer fremden Stimme sprach. Sollte Hathyar etwa ein zweites Jung gewesen sein – ohne Sanju im Dubbing-Studio? Doch dann stellte sich zum Glück schnell heraus, dass diese ersten Sätze zum Eingangsclip gehören und man sich – anders als ein Jahr später bei Munnabhai MBBS – ganz einfach nicht den Luxus geleistet hatte, Sanju für die gesprochenen Passagen persönlich ins Aufnahmestudio zu bitten. So musste Sanju seine ersten Sätze eben im Playback mimen, ehe er danach – dem Himmel sei Dank dafür – wieder selber loslegen konnte...

Fazit: Vaastav und Hathyar sind Must-Sees, und zwar bitte genau in dieser Reihenfolge. Selbst wer sonst eher kein Faible für Gangsterfilme hat, dürfte allein durch Sanjays fabelhafte Leistungen auf seine Kosten kommen. Niemand spielt solche Bhais wie er.

Produktion: Ganesh Jain, Ratan Jain; Regie: Mahesh Manjrekar
139 Min.; DVD: Eros, englische UT (inkl. Songs)

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