Montag, 26. März 2007

Filmfare 7/1996: Sanjay Dutt - Davor und Danach

Filmfare, Juli 1996

Sanjay Dutt – Davor und Danach
(gemeint ist seine Haft)

Darauf angesprochen, dass er, bevor die Sache mit der AK-Rifle ihn zurückwarf, Aussichten hatte, Amitabh Bachchan als Held Nummer eins abzulösen, und dass es nun ein Jahr nach seiner Freilassung nicht den Anschein hätte, als ob die Produzenten Schlange stehen würden, um sich die Klinke in die Hand zu geben und mit ihm einen Vertrag zu unterschreiben, meint Sanjay lächelnd, dass es ihm neu wäre, dass er dabei gewesen sein soll, Amitabh Bachchan zu ersetzen, das könne niemand, denn „Mr. Bachchan ist Mr. Bachchan. Okay“, so Sanjay weiter: „Ich bin nicht in der Situation, so viele Angebote zu erhalten, dass ich 20 davon ablehnen muss. Aber ich kann ohnehin nur drei bis vier Filme pro Jahr machen. Doppelschichten sind nicht mehr drin.“

In der Tat, heutzutage wäre es für Sanjay Dutt unmöglich, wie früher rund um die Uhr zu arbeiten. Das Gesetz verlangt, dass er täglich zwischen 11 Uhr in der Früh bis um 17 Uhr am Nachmittag im Gefängnis in der Arthur Road anwesend ist. Als Folge davon kann er im Grunde nur am Abend oder in der Nacht drehen. Wann immer es erforderlich ist, dass ein Dreh tagsüber erfolgen muss, muss Sanjay dafür eine Sondergenehmigung beantragen.

„Das Gericht ist großzügig“, schwächt Sanju ab. „Sobald ich den Drehplan vorlege, wird mir die Erlaubnis in der Regel gewährt. Sie wissen, wie viel Geld im Filmgeschäft auf dem Spiel steht.“

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Derzeit ist der Rambo Held von gestern bemüht, sein Image zu ändern. Er ist in der Stimmung, den sanftmütigen Romantiker zu spielen. Trotzdem trainiert er jeden Tag ungefähr zwei Stunden seinen Körper.

„Ich war muskulös, als ich Saajan machte“, erinnert er, während er eine Marlboro raucht. „Und das war keine Macho-Rolle. Ich spielte einen verkrüppelten Kerl und wurde darin akzeptiert. Warum sollte nur ein dünner Schwächling romantisch sein können? Ich versuche, verschiedene Charaktere zu porträtieren, ich mache sogar Komödien. Natürlich ist dabei immer auch ein wenig Action ein Muss, um das Publikum nicht zu enttäuschen.“

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Während Sanjays Tagen der Verzweiflung und Angst gab es nur wenige von der Filmindustrie, die ihn (moralisch) unterstützten. Dennoch fühlt er sich dem System immer noch zugehörig.

„Die Filmindustrie ist meine Familie. Ich liebe es, hier zu arbeiten und Filme zu machen. Ich kann niemandem Vorwürfe machen. Die Filmindustrie wird eben vom Geschäft regiert, und das ist in Ordnung für mich. Ich weiß, wie das System funktioniert.“

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Darauf angesprochen, dass er verändert zu sein scheint, stoischer und sogar ein wenig philosophisch, nickt Sanjay und gibt zu, dass er nicht immer so war.

„Wenn du genug Zeit hast, einfach nur dazusitzen und nachzudenken, begreifst du, warum deine Kollegen nicht anders können, als mit ihrer täglichen Arbeit weiter zu machen. Wenn sie nicht zu dir halten, haben sie ihre Gründe dafür. Es ist nicht an mir, darüber zu urteilen, ob dies von ihnen richtig oder falsch ist.“

Offenbar empfindet Sanjay keinen Groll. Im Gegenteil, er ist einfach glücklich, wieder in die Studios zurückgekehrt zu sein.

„Es fühlt sich gut an, wieder hier zu sein“, sagt er leise. „Ich habe begonnen, für Mahaanta zu drehen, der von Afzal Khan gemacht wird, einem Freund.“

Es widerstrebt Sanjay, andere Freunde aus der Filmindustrie namentlich zu benennen. „Ich habe einige Freunde“ ist alles, was er bereit ist zu sagen. Auf die Frage, wer zu ihm stand, als er ihn am meisten brauchte, antwortet er schlicht: „Meine Familie und Rhea.“

Sanjay und Sunil Dutt haben einen regelrechten Blitzkrieg von Krisen gemeinsam überlebt, was das Band zwischen Vater und Sohn noch mehr gestärkt hat. Sanjay sagt, dass er unglaublich stolz war, als er seinem Vater für dessen Lebenswerk die Filmfare-Trophäe übergeben durfte. „Er verdiente die Auszeichnung. Er ist mein Vater und ich liebe ihn. Er hat in seinem Leben einiges durchmachen müssen.“

Es gibt Vermutungen, dass Sanjay ein Opfer der Politik wurde, dass er nur deshalb in die Schusslinie geriet, weil sein Vater ein Politiker ist. Die Frage, ob er jemals seinen Vater in irgendeiner Weise für das, was ihm passiert ist verantwortlich gemacht hätte, verneint Sanjay.

„Niemals. Es war mein Schicksal, also geschah es.“

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Auf seine enge Beziehung zum Chef der Shiv Sena, Bal Thackeray angesprochen, meint Sanjay: „Ich respektiere Balasaheb genauso sehr, wie ich meinen Vater respektiere. Er hat das Gleiche für mich getan, was ein Vater für seinen Sohn tun würde. Das werde ich niemals vergessen. Ihm verdanke ich meine Entlassung auf Kaution, und was für mich ebenso wichtig ist: er ist einer der Wenigen, die an meine Unschuld glauben, daran, dass die gegen mich erhobenen Anklagen falsch sind. Das bedeutet mir sehr viel.“

[…]

Als Optimist, der er heute ist lebt er nach der Methode, dass man die negativen Strömungen im Leben überwinden muss, weil man nur dann glücklich wird. Er glaubte immer an göttliche Fügung. Während seiner Zeit im Gefängnis betete er regelmäßig.

„Ich bete heute immer noch, wenn auch nicht mehr ganz so oft. Aber ich faste montags und donnerstags. Wissen Sie, im Gefängnis betet jeder. Das ist der einzige Weg, seinen Seelenfrieden zu bewahren. Wenn man die Gegenwart Gottes verspürt, fühlt man sich allem zum Trotz beschützt.“

Im Gefängnis fand Sanjay Frieden, indem er das Ramayana und die Geeta las.

[…]

„Ich habe angefangen, das was ich vom Ramayana lernte, auf mein tägliches Leben im Gefängnis anzuwenden. Es ist eines unserer größten Epen. Es lehrt einen, mit den Stürmen des Lebens umzugehen… wie man vorwärts schreitet auf dem Weg, ein perfekter Mensch zu werden, der perfekte Sohn, der perfekte Bruder.“

Diese Schriften zu lesen hat Sanjay geholfen, seinen Zorn zu überwinden.

„Ich empfinde keine negativen Gefühle mehr. Irgendwo auf meinem Pfad ist es mir gelungen, sie auszulöschen. Mir ist klar geworden: wenn Ramji es geschafft hat, zu erdulden, was er erdulden musste, ohne Bitterkeit gegenüber seiner Stiefmutter zu fühlen - wer bin ich, dass ich anders denken könnte, wo ich doch sehr viel weniger durchmachen musste? Ich habe absolut kein Recht, mich zu beschweren.“

Auf die Frage, ob das bedeutet, dass Vergeben-und-Vergessen heute die Maxime seines Lebens sei, nimmt Sanjay einen tiefen Zug von seiner Zigarette und sieht mir dann direkt in die Augen.

„Vergeben ja“, antwortet er ruhig. „Vergessen nein.“

(Deutsch von Sujen)

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