Zur Story: Chaudhary Amar Singh (Alok Nath), Oberhaupt des Dorfes Jaigard, arbeitet hart, um sein Dorf aus der Schuldnerschaft bei Thakur Pratap Singh (Nisar Ahmad Ansai) und dessen Sohn Thakur Jaswant Singh (Amrish Puri) freizukaufen. Seinen Sohn Vikraanta (Sanjay Dutt) hat er zu Ehrlichkeit und Gewaltlosigkeit erzogen. Als Amar Singh sich weigert, den Thakurs das Land seiner Bauern endgültig zu verkaufen, tötet ihn Jaswant und fälscht den Verkaufsvertrag mit Amars Daumenabdruck. Bei der Polizei finden Vikraanta und seine Mutter Sharda (Reema Lagoo) keine Gerechtigkeit, da Inspektor Khote (Ranjeet) auf der Seite der Thakurs steht. Daraufhin nimmt Vikraanta das Gesetz selbst in die Hand und tötet Jaswants Vater, als dieser das Andenken Amar Singhs vor der Dorfgemeinschaft beschmutzt. Als Jaswant daraufhin Vikraantas Haus niederbrennt und seine Mutter ermordet, wird Vikraanta zum Gesetzlosen, der mit seinen Männern fortan nur noch zwei Ziele verfolgt: die Armen vor Jaswants Grausamkeit zu schützen und den Tod seiner Eltern zu rächen. Während die Bauern Vikraanta wie einen Erlöser („Jai Vikraanta“ = Heil Vikraanta!) verehren, gerät er aufgrund falscher Anschuldigungen durch Jaswant und Khote als Verbrecher und Mörder ins Visier des rechtschaffenen DIG Sher Ali Khan (Shahbaaz Khan). Auf der Flucht vor der Polizei vertraut Vikraanta seine Frau Nirmala (Zeba Bakhtiyar) und seinen kleinen Sohn Suraj Sakhina Chachi (Aruna Irani) an, einer alten Freundin der Familie; doch als er erfährt, dass die drei sich in Gewahrsam von Khan befinden, kommt es zur unvermeidlichen Konfrontation zwischen Khan und Vikraanta...
Grandios! Was Sultan Ahmed da produziert und inszeniert hat, ist ein farbenprächtiges, ergreifendes und spannendes Epos erster Klasse, und ganz besonders ziehe ich meinen Hut vor M. Akhtar (Story) und K.B. Pathak (Drehbuch) für eine Geschichte, in der einfach alles passt: Auch wenn noch so viele Handlungsfäden nebeneinander her laufen und sich irgendwann überschneiden, und auch wenn sich die Ereignisse und Enthüllungen zwischenzeitlich noch so sehr überschlagen, kein Twist kommt aus dem Nichts, alles wurde in den vorangegangenen Szenen bereits irgendwo angelegt und vorbereitet; und allein deshalb schon ist Jai Vikraanta ein Film zum mindestens zweimal Anschauen, um beim zweiten Mal die Entwicklung der einzelnen Figuren und Schicksale noch bewusster nachvollziehen zu können. Lediglich gegen Ende habe ich Ahmed im Verdacht, eine Szene rausgeschnitten zu haben, da Vikraanta sich da plötzlich an einer Stelle befindet, wo er eigentlich nicht sein kann; möglicherweise war dies ein Tribut an die ausgedehnte Länge des Filmes. Aber man möchte am Ende keine der 195 Minuten missen.
Die opulente Story möglichst kurz zusammenzufassen war denn auch ein Ding der Unmöglichkeit. Viele Handlungsstränge und Figuren musste ich leider unter den Tisch fallen lassen – unter anderem auch, um Spoiler zu vermeiden. Was einigen dieser Figuren, die z.T. nicht weniger wichtig sind als die in der Kurzhandlung genannten, nicht gerecht wird, allen voran Shankar (Suresh Oberoi), der die vielleicht größte Entwicklung in dem Film durchmacht, aber auch Sakhinas Tochter Zeenat (Sabeeha), der redliche Police Commissioner (Saeed Jaffrey), die skrupellose Bordellbesitzerin Maina Sundhari (Bindu) und der rechtschaffene Thakur Harnam Singh (Mukesh Khanna), der vergeblich versucht, Jaswant ins Gewissen zu reden – sie alle spielen ihre Rolle in dieser Geschichte, niemand ist nur Staffage. Vielleicht hat dieses Bewusstsein auch dazu beigetragen, dass die Darsteller durch die Bank starke Leistungen abliefern und sich teilweise gegenseitig regelrecht hochschaukeln. Eigentlich könnte ich in diesem Zusammenhang noch einmal sämtliche Darsteller aufzählen... Aber die Rezension wird jetzt schon zu lang, daher belasse ich es bei einem Sonderlob an Suresh Oberoi für seine gut durchdachte Charakterstudie, an Amrish Puri für seine köstlichen Tanzeinlagen und seinen Miezenpullover (*g*) und an Shahbaaz Khan dafür, dass er Sanjay Dutt so ein starker und absolut gleichwertiger Gegner war. Auf Sanju selbst komme ich später noch einmal zurück.
Sultan Ahmed verfolgte mit Jai Vikraanta offenbar gleich mehrere Ziele. Da ist zum einen natürlich die Frage, was man tun kann/darf/muss, wenn einem durch die Behörden keine Gerechtigkeit zuteil wird; gegen Alok Naths anfänglichen Aufruf zur Gewaltlosigkeit stehen dabei Suresh Oberois bittere Frage „Was tun, wenn man eines Verbrechens bezichtigt wird und niemand einem glaubt, dass man unschuldig ist?“ und korrupte Polizisten wie Khote, die ursprünglich rechtschaffen eingestellte Menschen desillusionieren und in die Selbstjustiz treiben. Zum anderen predigt Jai Vikraanta, sozusagen als Nebeneffekt, die brüderliche Koexistenz von Hindus und Muslimen, die in einer der zahlreichen farbenprächtigen Tanzszenen des Filmes liebevoll und vor allem wohltuend ohne erhobenen Zeigefinger zelebriert wird. Und schließlich zieht sich wie ein roter Faden durch den Film das besondere Band, das Mütter und Söhne verbindet, in Form des Liedes „Rishtaa tera mera sabse alag“, das zu Beginn des Filmes von Sanju zu einem unglaublich schönen und bewegenden Clip mit Reema Lagoo gestaltet wird.
Wie schon angedeutet: Sanju hat trotz der Titelrolle den Film diesmal definitiv nicht für sich alleine; eine solch geballte Ladung stark aufspielender Co-Stars hatte er wohl seit seinem zweiten Film Vidhaata nicht mehr erlebt, und Shahbaaz Khan war in ihrer großen gemeinsamen Szene sogar drauf und dran, ihm den Rang abzulaufen. Was nicht heißt, dass Sanju diesmal weniger gut drauf gewesen wäre; er gestaltet den Gesetzlosen à la Robin Hood (in prächtigem Kriegeroutfit und mit einer verwegenen Kombination aus langer Mähne, Oberlippenbart und schwarzer Tika) mit großer Intensität und Emotionalität. Dabei verwischten gerade zu diesem Zeitpunkt für ihn Fiktion und Realität immer mehr, und er stand während der Dreharbeiten unter enormer Spannung. 1993 war Sanjay nach den Mumbai Blasts wegen Verdachts der Involvierung in diesen Terrorakt verhaftet worden – ein Vorwurf, von dem er erst knapp vierzehn Jahre später wegen erwiesener Unschuld freigesprochen werden sollte. Was empfand er, wenn er als Vikraanta vergeblich Gerechtigkeit bei der Justiz suchte oder wenn seine Co-Stars Fragen stellten wie „Was tun, wenn man eines Verbrechens bezichtigt wird und niemand einem glaubt, dass man unschuldig ist?“ Was ging ihm wohl im Kopf herum, wenn er zu dem Police Commissioner sagte: „I respect the law of my country. If the law of our country can protect the innocent and punish the evil, then the destiny of our country is very bright.“ Als der Film schließlich in die Kinos kam, saß Sanju im Gefängnis – als genau der angebliche, aber schuldlose Kriminelle und Mörder, als der sein Vikraanta um die Wahrheit gekämpft hatte. Seine Dialoge hatte er nicht mehr selber dubben können – Respekt vor Chetan Sashital, der sich dieser Aufgabe angenommen hat; er hat Sanju würdig vertreten.
Produktion und Regie: Sultan Ahmed
195 Min.; DVD: Shemaroo, englische UT (inkl. Songs)
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