Sonntag, 7. Januar 2007

Adharm (1992)

Zur Story: Der gottesfürchtige Mr. Verma (Vikram Gokhale) lebt mit seiner Familie in einem prächtigen Haus, das er „Dharam Nivas“ (Haus der Gerechtigkeit) nennt. Während sein älterer Sohn Bharat (Rakesh Pandey) ganz nach ihm gerät, ist ihm sein jüngerer Sohn Jaganath (Kiran Kumar) wegen dessen Gott- und Zügellosigkeit ein Dorn im Auge, und eines Tages enterbt er ihn und verweist ihn des Hauses. Jagan geht – mit einem Racheschwur an Bharat und dessen nächste Generation auf den Lippen. Jahre später, nach dem Tod des Vaters, setzt Jagan seine Rachepläne mit Hilfe seiner beiden Söhne Raghunath (Paresh Rawal) und Rocky (Gulshan Grover), die beide im Drogengeschäft tätig sind, in die Tat um: Raghu bringt Bharats ältesten Sohn, den ehrenwerten A.C.P. Avinash (Shatrughan Sinha), unter falschen Anklagen für 14 Jahre hinter Gitter und reißt zugleich „Dharam Nivas“ an sich. Um seinen zu diesem Zeitpunkt noch kleinen Bruder Vicky zu schützen, bittet Avinash seine Frau Mamta (Shabana Azmi), ihn Vicky gegenüber für tot zu erklären und als Witwe zu leben. Vicky (Sanjay Dutt) liebt seine Schwägerin über alles und hat nur ein Ziel: „Dharam Nivas“ für sie und für sich zurückzugewinnen. Dafür tritt er ausgerechnet in die Dienste von Raghu – ohne zu ahnen, dass er dadurch zu einer Spielfigur in Jagans unerbittlichen Racheplänen wird...

Viele Jahre lang sitzt Avinash in diesem Film im Knast, und beinahe ebenso lange zogen sich die Dreharbeiten hin. Wie zum Teufel haben die Produzenten Ende der 80er/Anfang der 90er eigentlich ihre Drehtermine untereinander koordiniert? Sanju hat in dieser Zeit locker an mindestens einem Dutzend Filme gleichzeitig gearbeitet und muss wirklich immer von einem Set zum anderen gesprungen sein – man fragt sich, wie er es geschafft hat, dabei den Überblick zu behalten, welcher Charakter jeweils gerade mal wieder dran war. Vor allem, wenn sich die Dreharbeiten auch noch über einen derart langen Zeitraum hinzogen wie bei Adharm. Als der Streifen 1992 endlich rauskam, gab es bereits mehrere Filme, in denen Sanjus Paul-McCartney-Kurzhaarfrisur längst Vergangenheit war, wie z.B. Do Matwale, Jeena Marna Tere Sang und Saajan. Da überfährt es einen wie ein Eisenbahnzug, wenn Sanju in Adharm plötzlich wieder mit diesem Look auftaucht, der zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei, vier Jahren Geschichte war. Und während man noch überlegt, ob der Film vielleicht einfach nur eine lange Post-Production-Phase hatte, präsentiert sich Sanju mehrfach auch mit der beginnenden Vokuhila (1989/90) und schließlich in einigen Szenen sogar mit der langen Vokuhila-Mähne (1991/92). Kein Zweifel: Adharm war eine schwere Geburt, an der über drei, vier Jahre hinweg immer mal wieder ein bisschen gedreht wurde, und unter diesen Umständen muss man den Machern glatt ein Lob aussprechen, dass der Film trotzdem von einer bemerkenswerten Stringenz ist – ohne die verschiedenen Stationen des Sanjayschen Haarfaktors, der selten so extrem zu Tage trat wie in Adharm, würde man dem Film seine lange Entstehungszeit nicht anmerken.

Das verdankt er natürlich auch seinen guten Hauptdarstellern, allen voran Sanjay, der sich vor allem emotional mal wieder von seinen stärksten Seiten zeigt, dazu die intensive und einfach irrsinnig schöne Shabana Azmi, Tej Sapru als Jagans unehelicher Sohn Pratab und Kiran Kumar, der allerdings seine Maskenbildner für die aufgeklebte Narbe in seinem Gesicht verklagen sollte – sowas kann man nämlich auch machen, ohne dass man auf den ersten Blick sieht, dass es aufgeklebt ist. Leider wird auch dem indischen Faible für trashige Komikszenen in einem ernsten Film wieder einmal ausgiebig Genüge getan, wobei neben dem nervigen Eiermann und Shakti Kapoor (der jedoch, ähnlich wie in Khoon Ka Karz, zumindest stellenweise den Spagat zwischen Charge und ernstzunehmender Nebenfigur schafft) diesmal – man fasst es nicht – auch die zweite Leading Lady in diese Kerbe schlagen muss: Was Anita Raaj als Sara alles unternimmt, um den unwilligen Vicky für sich zu erobern, überschreitet mehrmals die Grenze zur Albernheit, und traurigerweise muss Sanju in diesen dämlichen Szenen auch noch mitmachen und sich dabei ein-, zweimal kurzzeitig einer Lächerlichkeit preisgeben, die er und auch seine vom Charakter her doch eher stark angelegte Rolle nicht verdienen. Diesen Vorwurf kann ich den Machern nicht ersparen, ansonsten gratuliere ich ihnen zu einem Generationen-Konflikt-Film im Geiste des Mahabharata, den man sich (allen Trash-Elementen zum Trotz) durchaus mal ansehen kann. Auch wenn er sicher nie zu meinen Favoriten gehören wird.

Produktion: Nitin Manmohan; Regie: Aziz Sajawal
150 Min.; DVD: Eros, englische UT (Songs nicht untertitelt)
Haarfaktor

Keine Kommentare: