Donnerstag, 18. Januar 2007

Dushman (1998)

Zur Story: Die Zwillingsschwestern Sonia und Naina Saigal (Kajol) sind von ausgesprochen unterschiedlichem Charakter: Während Naina eher ruhig und traditionsverbunden ist, hat die temperamentvolle Sonia die Wirkung einer Atombombe – so jedenfalls empfindet es Kabir (Jas Arora), der einer Menge moralischer Unterstützung seitens Naina bedarf, um seiner angebeteten Sonia endlich seine Liebe zu gestehen. Doch nur wenig später wird Sonia von dem Postangestellten Gokul Pandit (Ashutosh Rana) brutal vergewaltigt und getötet. Während ihre Mutter (Tanvi Azmi) in einem Selbstschutz-Akt jeden Gedanken an den Killer abblockt, ist Naina von dem Gedanken besessen, den Täter zu finden. Mit ihrer Hilfe kann er tatsächlich gefasst werden, wird vor Gericht jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen und bedroht nun auch Nainas Leben. Auf ihrer verzweifelten Suche nach Selbstschutz wie auch nach Gerechtigkeit vertraut sich Naina dem blinden Ex-Major Suraj Singh Rathod (Sanjay Dutt) an, der trotz Hang zu Depressionen und Alkohol nicht verlernt hat, wie man kämpft, und Naina nun mental und physisch auf ihre nächste Begegnung mit Gokul vorbereitet...

Sanjay wird in den Credits „in a dynamic role“ angekündigt, was zunächst auf eine völlig falsche Fährte führt. Denn wer sich daraufhin eine dynamische, vor Temperament sprühende Figur vorstellt, den erwartet eine Überraschung: In erster Linie ist dieser blinde Suraj Singh Rathod eine eher zurückhaltende und ruhige Figur. Doch man merkt schnell, dass es in diesem Menschen teilweise furchtbar brodelt. Verbittert durch seine Hilflosigkeit hält er sich für keinen vollwertigen Menschen mehr und sucht in Fights und Alkoholexzessen gleichermaßen Ablenkung und Bestätigung seines immer noch vorhandenen Werts. Alles nur (Selbstschutz-)Fassade? Oder Auswüchse depressiver Phasen? Denn Naina gegenüber erweist sich Suraj vom ersten Moment an als aufrechter und vertrauenswürdiger Mensch, der ein Ohr für ihre Probleme hat und ihr dank seiner Lebenserfahrungen die Kraft geben kann, die sie in diesem Moment am allernötigsten braucht. Suraj kann nicht sehen, aber er kann fühlen, er kann verstehen, und er kann lieben. Vielleicht sollte man das Wort „dynamic“ im Sinne von „kraftvoll“ auffassen; damit kommt man der Figur und ihrer Umsetzung durch Sanju eher nahe.

Sanju spielt die innere Zerrissenheit dieses Majors facettenreich aus, ohne sich dabei zu sehr in den Vordergrund zu drängen. Denn der Film gehört in erster Linie Kajol mit ihrer Doppelrolle, und für die hat sie jede Anerkennung verdient. Nicht nur, dass sie die von Trauer, Verzweiflung und z.T. nackter Todesangst getriebene Naina mit geradezu (selbst-)schonungsloser Intensität darstellt, sie hat darüber hinaus das Bravourstück fertiggebracht, die beiden Zwillingsschwestern derart unterschiedlich zu verkörpern, dass man glatt vergessen könnte, dass hier nur eine Schauspielerin am Werke war. Auch wenn die beiden Mädchen, ihrer Ähnlichkeit zum Trotz, sehr verschiedenartig auftreten – Naina in traditionellen Gewändern und mit langem Haar, Sonia in modischem Outfit und flotter Kurzhaarfrisur –, aber Kajol verlässt sich nicht nur auf diese Äußerlichkeiten und entwickelt für jede der beiden Figuren eine ganz bestimmte Mimik und Stimmfärbung. Toll gemacht. Ebenfalls großartig ist Ashutosh Rana, der damals noch ganz neu im Geschäft war, als psychopathischer Mörder mit stechendem Blick jedoch eine irrsinnig unter die Haut gehende Leistung ablieferte.

Natürlich stutzt man für einen Moment dann doch, wenn Suraj und Naina einander im Laufe ihrer Bekanntschaft allmählich näherkommen; immerhin trennt Sanju und Kajol ein Altersunterschied von sechzehn Jahren, und sie sind ganz bestimmt kein Ideal-Jodi. Es ist das Verdienst des durch die Bank weiblichen Produktionsteams und natürlich der beiden Darsteller, dass die beginnende Liebe der beiden von Anfang an glaubhaft rüberkommt. Suraj bewundert Naina für ihre Stärke und ihr liebenswertes Wesen, und für Naina ist Suraj nach dem furchtbaren Tod ihrer Schwester eine Säule geworden, an die sie sich mental und auch physisch anlehnen kann. Und Sanju (von seiner ganzen Art her ohnehin das perfekte Beschützer-Material) und Kajol harmonieren da durchaus zusammen – ich denke allein an die Szene, in der Naina Suraj gestattet, ihr Gesicht mit seinen Händen zu ertasten, und den darauf folgenden Gefühlsausbruch Surajs, der sich – Stichwort unvollständiger Mensch – einer Liebesbeziehung nicht für würdig hält. Sanju erweist sich dabei einmal mehr als ein Schauspieler mit Gespür für Emotionen, ebenso wie bei seinem nach außen zwar oft ruppigen Umgang mit seinem kleinen Gehilfen Bhim (ach ja, ehe ich es vergesse: ein großes Lob an den kleinen Kunal Khemu!), hinter dem sich jedoch sehr viel Liebe und Dankbarkeit verbergen. Sanjus Major ist ein Mann, der eigentlich keine Gefühle zeigen will – umso überwältigender wird es, wenn er es dann doch tut.

Dushman (= Feind) ist ein ausgesprochen sehenswerter Film, auch wenn er für manchen Sanjay-Fan auf einer Must-See-Liste über das obere Mittelfeld wohl nicht hinauskommen wird. Aber man sollte sich Dushman keinesfalls entgehen lassen, nur weil es über eine Stunde dauert, bis Sanju überhaupt zum ersten Mal auftaucht, oder weil er diesmal nicht der souveräne Oberhero ist. Dazu sind die Bilder eines zur Abwechslung mal wieder eher sanften Sanjay – bisweilen sehr an Saajan erinnernd – einfach zu schön. Ich finde es übrigens interessant, dass Sanju, der Khalnayak, der Action-Hero, der Macho, nach jeder großen Lebenskrise bislang sein Publikum vor allem mit einer eher sensiblen und gefühlvollen Rolle zurückerobert hat – Saajan wurde zum Sensationserfolg nach seiner Drogenphase, mit dem Sanjus Aufstieg Anfang der 90er begann, und auch Dushman brachte ihm nach der haftbedingten Unterbrechung seiner Karriere sehr viel Lob und Sympathien. Seinen erneuten Durchbruch sollte er jedoch erst ein Jahr später mit Vaastav schaffen.

Produktion: Pooja Bhatt; Regie: Tanuja Chandra
145 Min.; DVD: Eros, englische UT (Songs nicht untertitelt)
Screenshots
Haarfaktor

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