Zur Story: Das Familienglück des in Kashmir stationierten muslimischen SSP Inayat Khan (Sanjay Dutt) und seiner Hindu-Ehefrau Neelima (Sonali Kulkarni) wird jäh zerstört, als ihr kleiner Sohn Irfan sich bei einem Sturz schwer verletzt: Da der für die Unabhängigkeit Kashmirs kämpfende Terrorist Malik Ul Khan (Puru Rajkumar) jeden Arzt töten lässt, der einem indischen Polizisten Hilfe leistet, wagt niemand, das Kind zu behandeln, woraufhin es stirbt. Als Malik kurz darauf im Haus einer völlig unbeteiligten Familie geortet wird, schießt Khan ihn bei einer Razzia nieder, wobei in seinem Kugelhagel auch die Familie umkommt. Nur deren kleiner Sohn Altaaf überlebt. Neelima überredet Khan, den wegen seines im Affekt verübten Massakers das Gewissen plagt, Altaaf an Sohnes Statt anzunehmen und ihm all die Liebe zu schenken, die sie Irfan nicht mehr geben können. Nach und nach fasst der traumatisierte Junge Zutrauen zu seinen Adoptiveltern, doch als er eines Tages dahinter kommt, dass Khan der Mörder seiner Eltern ist, haut er ab. Zehn Jahre später gehört Altaaf (Hrithik Roshan) zu den besten Männern des Terroristen Hilal Kohistani (Jackie Shroff), der soeben den Auftrag zu dem grauenhaften Anschlag „Mission Kashmir“ angenommen hat. Für Altaaf bietet sich dabei zugleich die Möglichkeit, Rache an Khan zu nehmen...
Eigentlich hatte Vidhu Vinod Chopra eine ganz andere Konstellation im Kopf, als er das Filmprojekt Mission Kashmir plante. Inayat Khan sollte eine große, zentrale Rolle für Amitabh Bachchan werden, auf den in der etwas kleineren Rolle das Altaaf zum ersten Mal Shahrukh Khan treffen sollte. Doch dann sagten beide ab – ihr erster gemeinsamer Film wurde stattdessen noch im gleichen Jahr Mohabbatein – und Vinod musste umdisponieren. Nachdem er Sanjay Dutt für den Khan gewinnen konnte, gelang ihm mit der Verpflichtung des Newcomers Hrithik Roshan ein besonderer Coup, denn der war nach seinem Sensationserfolg von Kaho Naa... Pyar Hai gerade der Flavour of the Moment. Prompt wurde die Rolle des Altaaf für Hrithik erweitert und zu einer mit dem Khan beinahe gleichwertigen zweiten Hauptrolle ausgebaut. Das konnte sich Vinod vermutlich nur erlauben, weil ihn mit Sanjay eine enge Freundschaft verbindet und Sanju für ihn jederzeit selbst kleine Nebenrollen spielen würde. Jedenfalls schluckte Sanjay die "Degradierung" und antwortete darauf auf seine eigene Art, nämlich mit einer starken und rundum überzeugenden Leistung, der Hrithik schon mehr entgegensetzen musste als nur sein gutes Aussehen und seine Muskeln, um daneben zu bestehen. Was ihm überraschend gut gelang: Vor allem der finale Showdown zwischen Sanjay und Hrithik entbehrt nicht eines ordentlichen Maßes an Explosivität.
Vidhu Vinod Chopra verfolgte mit Mission Kashmir eindeutig zwei Ziele. Zum einen ist der Film ein eindringlicher Appell für Frieden in dieser umkämpften Region, wo, wie der Drehbuch-Co-Autor Suketu Mehta in seinem Buch "Bombay – Maximum City" berichtet, während der Dreharbeiten explosive Fiktion und Realität oft nur haarscharf aneinander vorbeischrammten. Zum anderen plädiert der Film für das friedliche Zusammenleben der Religionen, ob durch das glückliche Ehepaar Inayat und Neelu Khan (Khan zu Altaaf: "Wäre Neelima jemand anderes, würde sie Salma heißen? Ich liebe sie und habe sie deshalb geheiratet. War das ein Fehler von mir?"), durch einen bewegenden Disput des Hindu Avinash Mattoo (Abhay Chopra) und des Sikh Gurdeep Singh (Vineet Sharma) oder durch die TV-Moderatorin Sufiya Parvez (Preity Zinta), die ihrer Jugendliebe Altaaf in aller Deutlichkeit zu verstehen gibt, dass sie, obwohl selber muslimischen Glaubens, deshalb jedoch noch lange nicht einverstanden ist mit den Aktionen ihrer terroristischen Glaubensbrüder ("unsere Religion sieht nicht vor, unschuldige Menschen zu töten"). Vinod macht keine einseitigen Schuldzuweisungen: Den Attentaten der pakistanischen Terroristen steht das Massaker der indischen Polizei an der unschuldigen Familie gegenüber. Keine Seite ist schuld- und fehlerlos.
Mission Kashmir ist ein eindringlicher Film in starken und schönen Bildern. Sonali Kulkarni und Preity Zinta haben zwar beide nicht allzu viel zu tun, sind jedoch sehr gut und vor allem für den Ausgang der Handlung unentbehrlich. Jackie Shroff darf nach zahlreichen, meist guten und ehrlichen Cops endlich mal einen Schurken spielen, kommt jedoch nicht halb so gefährlich rüber, wie es vermutlich vorgesehen war, und es bleibt die Frage, ob eher ihm oder dem Regisseur die Schuld dafür zugewiesen werden muss – jedenfalls ist die Darstellung des Halil derart überzogen, dass es mir schwerfällt, ihn ernst zu nehmen. Hrithik Roshan bietet in seinem erst dritten Film dank seines intensiven Spiels eine ansprechende Leistung; sollte er jedoch gehofft haben, nicht zuletzt durch die Aufwertung seiner Rolle einem gestandenen Star wie Sanjay Dutt die Butter von Brot nehmen zu können, so hatte er sich geschnitten: Sanjay gestaltet den Inayat Khan mit großer Eindringlichkeit und berührenden Emotionen und behält gegenüber dem Jungspund Hrithik trotz seiner rollenmäßigen Benachteiligung souverän die Oberhand. Was jedoch in Sanju, der als Folge der 1992/93er Mumbaier Unruhen zwischen Muslimen und Hindus und damit verbundener terroristischer Anschläge selber in Terrorismusverdacht geraten war, vorgegangen sein muss, als er Hrithik in ihrer großen Auseinandersetzung die furchtbaren Folgen solcher Ereignisse vor Augen führte, versuche ich mir gar nicht erst vorzustellen.
Leider blieben seine Best-Actor-Nominierungen bei den Filmfare Awards, den IIFA Awards und den Zee Cine Awards für diese überzeugende Leistung ohne Erfolg; erhalten hat er lediglich einen Sonderpreis bei den Zee Cine Awards (Zee Premiere Choice) sowie den Star Screen Award – als Best Supporting Actor, was schlichtweg eine Frechheit ist (genauso wie die gleiche Nominierung bei den Sansui Awards). Aber mehr als jeder Award dürfte Sanjay damals ohnehin die Einladung in den Präsidentenpalast Rashparati Bhavan zu einer Vorführung des Filmes für den indischen Präsidenten bedeutet haben. Befragt, was ihm dabei durch den Kopf gegangen war, da er nur wenige Jahre zuvor noch in einer Gefängniszelle gesessen hatte, antwortete Sanju: "Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich war ganz benommen. In einer Art Rausch. Ich konnte beim besten Willen nicht glauben, dass ich, der vor Gericht als Krimineller galt und gilt, vom Präsidenten Indiens persönlich eingeladen war. Das hat mich davon überzeugt, dass die höchsten Mächte des Landes an meine Unschuld glauben, dass sie wissen, ich bin in eine Falle geraten, gestellt von meinen Feinden, wer immer sie sein mögen. Es war der größte Augenblick in meinem Leben, als Präsident Narayan mir die Hand gab und auf die Schulter klopfte. Ich habe in dieser Nacht so tief geschlafen wie noch nie in meinem Leben. Indien liebt mich. Die Menschen Indiens wünschen mir nur das Beste. Sie sind bereit, mir all die Liebe zu geben, um die ich sie gebeten hatte."
Produktion und Regie: Vidhu Vinod Chopra
150 Min.; DVD: Columbia Tristar, englische und deutsche UT (inkl. Songs)
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